Abschlussbericht zur Passierscheinerteilung an Ostern 1966
23. April 1966
Abschluss-Bericht Nr. 318/66 über den Verlauf der 1. Besuchsperiode vom 7.4. bis 20.4.1966 des 4. Passierscheinabkommens (Ostern)
In der 1. Besuchsperiode des 4. Passierscheinabkommens (7.4. bis 20.4.1966)1 wurden laut ausgegebenen Passierscheinen insgesamt 981 284 Personen mit 61 697 Kfz in der Hauptstadt der DDR erwartet.
Eingereist sind in diesem Zeitraum 510 433 Personen mit 55 250 Kfz; 70 851 Personen mit 6 447 Kfz haben ihren Passierschein nicht ausgenutzt. (Damit haben 87,9 % aller im Besitz eines Passierscheines befindlichen Westberliner Bürger Ostern 1966 die Hauptstadt der DDR besucht; im Besuchszeitraum Ostern 1965 waren es 88,7 %).
Im Verhältnis zum Besuchszeitraum Ostern 1965 gibt es somit in der Ausnutzung der ausgegebenen Passierscheine keine wesentlichen Veränderungen. Beachtenswert ist jedoch, dass Ostern 1966 gegenüber dem gleichen Besuchszeitraum des Vorjahres 73 273 Personen = 11,2 % weniger Passierscheine beantragt und erhalten haben. Ostern 1965 erhielten 659 330 Personen Passierscheine. Ostern 1966 waren es 586 057 Personen.
Gegenüber dem gleichen Zeitraum Ostern 1965 sind in der Berichtsperiode 71 047 Personen = 12,2 % weniger in die Hauptstadt der DDR eingereist.
- –
Ostern 1965 = 581 470 Personen = 88,7 % der erwarteten Einreisenden.
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Ostern 1966 = 510 433 Personen = 87,9 % der erwarteten Einreisenden.
Die Auslastung der einzelnen Besuchstage gegenüber dem Besuchszeitraum Ostern 1965 ergibt folgende Übersicht:
Ostern 1965 | [–] | [–] | [–] | Ostern 1966 | [–] | [–] | [–] |
|---|---|---|---|---|---|---|---|
[Datum] | erwartet | eingereist | % | [Datum] | erwartet | eingereist | % |
12.4. | 15 002 | 12 572 | 84 | 7.4. | 15 131 | 12 860 | 85 |
13.4. | 12 686 | 10 782 | 85 | 8.4.+ | 84 812 | 76 763 | 90,5 |
14.4. | 19 1612 | 16 545 | 86 | 9.4. | 63 837 | 54 193 | 84,9 |
15.4. | 18 175 | 15 677 | 86 | 10.4.+ | 89 056 | 81 813 | 92 |
16.4.+ | 97 776 | 91 109 | 93,5 | 11.4.+ | 64 674 | 54 576 | 84,5 |
17.4. | 89 207 | 77 463 | 87 | 12.4. | 24 461 | 20 770 | 84,5 |
18.4.+ | 97 296 | 90 955 | 93,5 | 13.4. | 24 010 | 20 768 | 86,2 |
19.4.+ | 70 713 | 61 420 | 87 | 14.4. | 23 191 | 19 677 | 85 |
20.4. | 24 725 | 21 258 | 86 | 15.4. | 15 484 | 13 377 | 87,6 |
21.4. | 21 775 | 18 740 | 86 | 16.4. | 76 829 | 69 224 | 90,2 |
22.4. | 14 318 | 12 076 | 84,5 | 17.4+ | 69 179 | 61 706 | 89,2 |
23.4. | 8 755 | 7 385 | 84 | 18.4. | 12 659 | 10 325 | 81,5 |
24.4. | 97 030 | 85 075 | 88 | 19.4. | 10 079 | 8 169 | 80,8 |
25.4.+ | 68 597 | 60 413 | 88 | 20.4. | 7 882 | 6 212 | 79 |
[–] | Gesamt 655 198 | 581 470 | 88,7 | 581 284 | 510 433 | 87,9 |
[Fußnote im Original: (Die durch + gekennzeichneten Tage sind Feier- bzw. Sonntage)]
Weiter reisten im gleichen Zeitraum 742 Westberliner Bürger mit Passierscheinen der Passierscheinstelle für dringende Familienangelegenheiten in die Hauptstadt der DDR ein.
Im gleichen Zeitraum besuchten außerdem 97 180 westdeutsche Bürger und 38 882 Ausländer die Hauptstadt der DDR.
In Meinungsäußerungen der Westberliner Besucher ist allgemein die Tendenz erkennbar, dass ihnen die vorgesehenen Besuche oder auch weniger vollauf genügen würden. Ein Teil der Westberliner Bürger hat sich zwar »für alle Fälle« einen Passierschein beschafft, äußerte aber, dass er kaum davon Gebrauch machen wird. Häufig wird in diesem Zusammenhang auf die mit dem Besuch verbundenen Ausgaben – Mindestumtausch und Geschenke für die Verwandten3 – verwiesen, die man lieber sparen könnte.
Verstärkt wird von den Westberliner Besuchern geäußert, das Abkommen sollte für ein ganzes Jahr abgeschlossen werden. Eine solche Regelung sollte die Genehmigung einer bestimmten Anzahl von Besuchen vorsehen, die dann, jeweils über das ganze Jahr verteilt, genutzt werden könnten. Dadurch wäre es möglich, die Besuchstage besser auszuwählen und nicht nur die Feiertage zu nutzen.
Die zusammengedrängten Besuchszeiträume werden als ungünstig erachtet, weil sich bei dieser Regelung fast alle Besuche auf die Feiertage konzentrieren würden. Dadurch könne man sich an den Feiertagen nichts anderes vornehmen und vielen würden damit die Feiertage verdorben. Wiederholt wird auch die Auffassung vertreten, es sei unangenehm, die Besuchstage so lange vorher festlegen zu müssen. Aufgrund dessen gäbe es auch keine Möglichkeit der kurzfristigen Veränderung des Besuchstermins bei Krankheit usw. Von relativ vielen Westberliner Besuchern wird die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Passierscheinabkommen durch einen »kleinen Grenzverkehr« abgelöst werden. Unter Westberliner Bürgern traten verstärkt Meinungen auf, dass die Besuche auch für die Verwandten in der Hauptstadt der DDR mit großen finanziellen Belastungen verbunden seien. Daher sei es vorstellbar, dass den Bürgern in der Hauptstadt der DDR die Besuche langsam über werden, denn man könne doch nicht alle Speisen und Getränke zu den Besuchten mitnehmen.
Unter den Bürgern der Hauptstadt der DDR ist ebenfalls ein gewisses Desinteresse an den Verwandtenbesuchen festzustellen. Von einem großen Teil der Bürger der Hauptstadt der DDR wird zunehmend die Auffassung vertreten, dass sie an den Besuchen kein besonderes Interesse mehr hätten, da sie mit beträchtlichen Mehrausgaben und Arbeitsaufwand verbunden seien und sie die Feiertage lieber zum Ausruhen nutzen möchten. Wiederholt wird in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, die Belastungen durch diese Besuche wären noch größer, da nicht nur die Westberliner zu Besuch kämen, sondern gleichzeitig die Verwandten aus der DDR. Die mitgebrachten Geschenke seien ebenfalls kleiner geworden, so dass die Mehrausgaben und der Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis mehr zu den Geschenken stünden. Wiederholt wird geäußert, dass oft auch Besucher kämen, die vor dem 13.8.1961 nicht gekommen wären, jetzt aber mit ihrem Wagen u. a. protzen wollen.
Unter den Beschäftigten der Ausflugs- und Erholungszentren, den Forstarbeitern des Forstwirtschaftsbetriebes Berlin und anderen betroffenen Bevölkerungskreisen treten verstärkt Diskussionen auf, dass die Westbesuche langsam zu einer Belastung werden würden, weil an diesen Feiertagen verstärkt gearbeitet werden müsse und kaum noch Möglichkeiten zur Erholung bestünden.
Die Abfertigung des Besucherverkehrs während der 1. Besuchsperiode des 4. Passierscheinabkommens verlief in allen Grenzübergangsstellen zügig und reibungslos. Selbst an den Schwerpunkttagen – besonders während der Feiertage – kam es weder bei der Einreise noch bei der Ausreise zu größeren Stauungen oder Wartezeiten.
Der Schwerpunkt der Einreise lag in der Zeit von 9.00 bis 11.00 Uhr. In dieser Zeit wurden 30,5 % der einreisenden Personen abgefertigt. Die Rückreise konzentrierte sich vorwiegend auf den Zeitraum von 21.00 bis 23.00 Uhr, wobei in dieser Zeit 46,8 % der Westberliner Besucher ausreisten. An allen GÜST war die Ausreise im Wesentlichen gegen 0.30 Uhr beendet. Nur in Einzelfällen kam es zu größeren Zeitüberschreitungen. Diese Personen wurden entsprechend zur Rechenschaft gezogen.
Während des Berichtszeitraumes kam es wiederholt zu einer verstärkten Einreise von Westberliner Bürgern mit der U-Bahn. Insgesamt waren 281 461 Westberliner Bürger über die GÜST Bahnhof Friedrichstraße zur Einreise berechtigt, davon laut Passierschein nur 13 278 mit der U-Bahn. Insgesamt reisten jedoch 56 471 Westberliner Bürger mit der U-Bahn ein. Durch entsprechende Maßnahmen wurden jedoch die erforderlichen Abfertigungskapazitäten geschaffen, so dass es zu keinen Störungen in der Abfertigung des Besucherverkehrs kam.
Ein großer Teil der Westberliner Besucher sprach sich lobend und anerkennend über die zügige und korrekte Abfertigung durch die Zoll- und Passkontrollkräfte der DDR aus.
Wie in den vergangenen Besuchszeiträumen wurde durch Westberliner Zollangehörige der Einreiseverkehr in die Hauptstadt der DDR mit unterschiedlicher Intensität mittels Zähluhren erfasst.
Während der gesamten 1. Besuchsperiode (Ostern 1966) kam es innerhalb der GÜST zu keinen feindlichen Handlungen oder größeren Provokationen.4
Im westlichen Vorfeld gegenüber den GÜST und im übrigen Westberliner Grenzgebiet wurden am 7.4. und 18.4.1966 durch Angestellte des Westberliner Senats die Hetzplakate ausgewechselt. Die Hetzplakate vom 7.4.1966 trugen die Aufschrift: »Nicht nur auf Befehl menschlich sein«, während die Plakate vom 18.4.1966 Hetze gegen den 20. Jahrestag der SED5 beinhalteten.6
Durch Westberliner DRK-Helfer, Zoll- und Polizeiangehörigen wurde wiederholt versucht, Kontakt zu unseren Einsatzkräften aufzunehmen. Von unseren Einsatzkräften wurde nicht darauf reagiert.
Im westlichen Vorfeld gegenüber den GÜST mit Passierscheinverkehr war eine rege Tätigkeit von Foto-, Fernseh-, Rundfunk- und Pressereportern zu verzeichnen.
Zu direkten Störungen oder Behinderungen des Besucherverkehrs kam es in der Berichtszeit nicht.7
Von 331 275 Westberliner Besuchern = 61,4 % wurden im Mindestumtausch 993 825 DM (West) und zusätzlich 119 284 DM (West) umgetauscht, so dass 1 113 109 DM (West) vereinnahmt wurden.
Durch die Ausreise von Westberliner Bürgern mit der U-Bahn wurden weitere 15 803,50 DM (West) vereinnahmt.
Während des Besuchszeitraumes vom 7.4. bis 20.4.1966 (Ostern) erfolgten durch die Zollorgane der DDR insgesamt 107 Einziehungen von mitgeführten Waren, die nicht dem Protokoll entsprachen, im Wert von 12 692,60 MDN und 352 Westmark.
Davon bei der Einreise 54 Einziehungen im Wert von 6 869,95 MDN und 352 Westmark und bei der Ausreise 53 Einziehungen im Wert von 5 822,65 MDN.
Dabei handelt es sich vorwiegend um Waren, die nicht in der Erklärung über mitgeführte Zahlungsmittel und Waren für Bürger Westberlins aufgeführt waren und die illegal in die Hauptstadt der DDR eingeführt bzw. aus der Hauptstadt der DDR ausgeführt werden sollten, sowie um Zahlungsmittel.8 Unter den illegal eingeführten Waren befanden sich u. a. luftdicht verschlossene Behältnisse, eine größere Anzahl Konverter zum Empfang des 1. und 3. Programm des Westfernsehens, Textilien, Medikamente und Transistorenradios.
Weiter wurden insgesamt 634 Rückweisungen von mitgeführten Waren vorgenommen. Davon bei der Einreise 404 Rückweisungen, bei der Ausreise 230 Rückweisungen.
Bei der Ausreise wurden weiter in 1 369 Fällen MDN-Beträge zurückgewiesen. Bei den zurückgewiesenen Waren handelt es sich bei der Einreise vor allem um Literatur, Tonbänder, Schallplatten, Dias, Medikamente, elektrische Geräte, Kfz-Ersatzteile und Textilien. Bei der Ausreise wurden vorwiegend Textilien, Lebensmittel, Porzellan- und Glaswaren und Briefmarken zurückgewiesen.
Weiter erfolgten insgesamt 3 065 formlose Einziehungen vorwiegend westliche Zeitungen und Zeitschriften, Schund- und Schmutzliteratur, Kalender und Prospekte, die in die Hauptstadt der DDR eingeführt werden sollten.
Bei der Einreise führten ca. 90 % der Westberliner Bürger Geschenke mit, wobei es sich hauptsächlich um Kaffee, Süßigkeiten, Spirituosen, Südfrüchte und Nylon-Wäsche handelte. Bei der Ausreise führten ca. 70 bis 75 % der Westberliner Besucher vorwiegend Bücher, Blumen, Spielzeug, Glaswaren und kunstgewerbliche Gegenstände als Geschenke mit aus.
Fast alle Westberliner Bürger verhielten sich bei den Kontrollen diszipliniert und kamen den Forderungen der Kontrollkräfte widerspruchslos nach. Nur in Einzelfällen kam es dabei zu Missfallensäußerungen.
An den Kontrollpunkten zu den Randgebieten Berlins wurden 39 Westberliner Bürger zurückgewiesen, die unberechtigt in die Bezirke der DDR einzureisen versuchten.
In der Berichtszeit kam es in der Hauptstadt der DDR zu 20 Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Westberliner Bürgern, davon wurden neun Unfälle von Westberliner Bürgern verursacht. Insgesamt wurden dabei 13 Personen (davon vier Westberliner) verletzt. Der dadurch verursachte Sachschaden beträgt 7 775 MDN.