Aufklärung des Brandes im Haus der jungen Talente Berlin
23. Februar 1966
Einzelinformation Nr. 143/66 über die Aufklärung des Brandes im Haus der jungen Talente, Berlin-Mitte, am 20.2.1966
Das MfS leitete unmittelbar nach Bekanntwerden des Großbrandes im Haus der jungen Talente1 am 20.2.1966 gemeinsam mit der VP die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung des Brandes, insbesondere zur Feststellung der Brandursache, ein. Die bisherigen Untersuchungen erbrachten folgendes Ergebnis:
Die Jugendlichen [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1942 in Berlin, wohnhaft Berlin, [Straße, Nr.] und der bulgarische Staatsbürger [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1943, zurzeit wohnhaft Berlin-Mahlsdorf, [Straße, Nr.], Student, entdeckten gegen 17.20 Uhr im großen Saal (erster Stock) den Brandausbruch. Beide beabsichtigten an der am gleichen Abend um 20.00 Uhr im Haus der jungen Talente beginnenden Faschingsveranstaltung teilzunehmen.
Da gegen 17.15 Uhr noch keine Eintrittskarten verkauft wurden, begaben sich [Name 1] und [Name 2] mit dem Einverständnis der diensthabenden Pförtnerin Frau Beckmann2 in den ersten Stock, um sich den ausgeschmückten Saal anzusehen. Den Saal betraten beide über den rechten Treppenaufgang.
Von der Saalmitte aus bemerkten sie unmittelbar nach ihrem Eintreffen an der der Fensterfront gegenüberliegenden Saalseite, am linken Stützpfeiler in ca. drei m Höhe, eine Stichflamme.
Bei dieser Feststellung informierten sie sofort die Pförtnerin Beckmann, die um 17.22 Uhr über den Notruf die Feuerwehr alarmierte. Die Feuerwehr traf um 17.25 Uhr am Brandort ein.
Die im Saal vorhandene dekorative Ausgestaltung (Papier, Stoff, Leisten usw.) und die aus Holz bestehende Zwischendeckenkonstruktion begünstigten eine schnelle Brandausdehnung, so dass bei Eintreffen der Feuerwehr bereits der gesamte Saal in voller Ausdehnung brannte. Aufgrund dieser Situation gab die Feuerwehr gegen 17.35 Uhr die höchste Alarmstufe.
Trotz der von der Feuerwehr eingeleiteten intensiven Löschmaßnahmen konnte nicht verhindert werden, dass neben dem Saal auch der gesamte Dachstuhl oberhalb des Saales vollkommen abbrannte und einige Nebenräume des Gebäudes schwer beschädigt wurden. Der Gesamtschaden ist gegenwärtig noch nicht eindeutig bestimmbar.
In den gemeinsamen Untersuchungen an der Brandstelle wurde festgestellt, dass im Bereich des oben genannten Stützpfeilers die stärksten Branderscheinungen auftraten. Unterhalb des Stützpfeilers wurden im Brandschutt Teile eines elektrischen Motors von einem Schallplattenspieler sichergestellt. Von den Sachverständigen wurde nach eingehender Prüfung aller Umstände und Entstehungsmöglichkeiten der Motor zweifelsfrei als Ursache für den Entstehungsbrand bestimmt. Die Sachverständigen stützen sich bei ihrer Beurteilung darauf, dass
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Die Feldspule des Motors in der Kupferwicklung typische Schmelzperlen zeigte, die einen stattgefundenen Kurz- bzw. Wicklungsschluss mit einer Mindesttemperatur von 1 083 °C (Schmelzpunkt des Kupfers) beweisen,
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das Aluminiumgehäuse des Motors ebenfalls Schmelzerscheinungen aufwies, die durch die auftretenden hohen Temperaturen des Kurz- bzw. Wicklungsschlusses entstanden sind,
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der Motor unter Strom stand – in der Steckdose waren noch Steckerstifte der Zuleitungen zum Motor vorhanden, wobei diese Anlauffahrten aufwiesen, die durch eine Überbelastung des Meters entstanden sind.
Durch die Untersuchungen wurde weiter festgestellt, dass dieser Motor unmittelbar links neben dem betreffenden Stützpfeiler in einer Höhe von etwa 3 m angebracht worden war und dem Antrieb einer vertikal rotierenden ca. 70 cm großen Pappscheibe (Ausgestaltung) diente.
Diese Anlage wurde vom Zentrumwarenhaus Alexanderplatz3 vor etwa acht Tagen in Vorbereitung von Faschingsveranstaltungen ausgeliehen und von Studenten der Hochschule für bildende und angewandte Künste Berlin-Weißensee installiert. Sie war bereits während der Faschingsveranstaltung am 17.2.1966 in Betrieb.
In den weiteren Untersuchungen, die gemeinsam mit der VP geführt wurden, werden vor allem die brandschutz- und sicherungsmäßige Verantwortlichkeit, die fachliche Eignung der Personen, die für den Einbau und das Betreiben dieser Anlage verantwortlich waren, sowie weitere Fragen des allgemeinen Brandschutzes vorrangig behandelt.
In diesem Zusammenhang wird auch eingehend untersucht, in wieweit von diesen bzw. anderen Personen, die Zugang hatten, an dieser Anlage Handlungen vorgenommen wurden, die direkt oder indirekt die Entstehung des Brandes hervorriefen bzw. begünstigten.