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Besprechung der Ratsmitglieder der EKD in Berlin

8. September 1966
Einzelinformation Nr. 677/66 über die beabsichtigte Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 17. und 18.8.1866 in der Hauptstadt der DDR

Dem MfS wurde bekannt, dass am 17. und 18.8.1966 in der Hauptstadt der DDR eine Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland stattfinden sollte.

Aufgrund der durch das MfS eingeleiteten Sicherungsmaßnahmen und der Nichtgenehmigung der Einreise der einflussreichsten westdeutschen Ratsmitglieder in die Hauptstadt der DDR konnte die geplant Ratstagung nicht stattfinden. Von den zwölf Ratsmitgliedern waren nur anwesend: Bischof Beste, Schwerin;1 Präses Mager, Dresden;2 Rechtsanwalt Dr. Dr. Heinemann, Düsseldorf;3 Präses Wilm, Bielefeld4 sowie Oberkirchenrat Hammer, Hannover,5 als Leiter der Kirchenkanzlei der sogenannten EKD. Bischof Krummacher, Greifswald,6 fehlte wegen Urlaubs. (Von den westdeutschen Ratsmitgliedern wurden am 17. und 18.8.1966 an den Grenzübergangsstellen zurückgewiesen: Landesbischof i. R. Martin Haug/Freudenstadt;7 Moderator Prof. D. Wilhelm Niesel/Schöller,8 Rheinland;9 Ministerialdirigent Dr. Hans Puttfarcken/Wiesbaden;10 Landessuperintendent D. Udo Smidt/Detmold.)11

Anstatt der geplanten Ratssitzung fand daraufhin zwischen den anwesenden Ratsmitgliedern am 17.8.1966 lediglich eine kurze Aussprache statt, wobei nach keiner Tagesordnung verfahren wurde.

Während dieses Meinungsaustausches erhob Präses Mager/Dresden, Einspruch dagegen,

  • dass vom Rat der EKD und von den Teilnehmern der Kirchen aus beiden deutschen Staaten an der Weltkonferenz der »Kirche und Gesellschaft« vom 12. bis 26.7.1966 in Genf zu wenig gegen die Ablehnung seiner Ausreise durch die staatlichen Organe der DDR unternommen worden sei und

  • dass Oberkirchenrat Pabst12 unter einen von ihm verfassten Artikel in der »Neuen Zeit« vom 17.8.1966 anlässlich des 75. Geburtstages von Bischof Mitzenheim13 zu dessen Namen den Titel »Ökumenischer Referent der evangelischen Landeskirchen der DDR« hinzugefügt hatte.14

Die versammelten Ratsmitglieder fassten auf Veranlassung von Präses Mager den Beschluss, Oberkirchenrat Behm/Berlin,15 zu beauftragen, mit Oberkirchenrat Pabst eine Rücksprache zu führen. Dabei solle ihm das Missfallen des Rates der EKD ausgesprochen und erklärt werden, es sei ungehörig, seine »Privatmeinung« zur Funktion des Bischofs Mitzenheim und zu dessen Haltung gegenüber den Landeskirchen der DDR in dieser Form zum Ausdruck zu bringen.

Weitere Gesprächspunkte während dieser Zusammenkunft waren untergeordnete Probleme wie Pensionsfragen und dergleichen.

Wie dem MfS weiter bekannt wurde, fand nach dem Scheitern der geplanten Ratssitzung der EKD in der Hauptstadt der DDR dafür am 18. und 19.8.1966 eine Zusammenkunft der Mitglieder des Rates der EKD aus Westdeutschland und Westberlin in Westberlin statt.16

Die Ratsmitglieder beschäftigten sich mit Fragen des Passierscheinabkommens17 und der Verhältnisse zwischen beiden deutschen Staaten. Es referierte Militärbischof Kunst/Bonn.18 (Eine Abschrift des Protokolls der Sitzung der westdeutschen und Westberliner Mitglieder des Rates der EKD in Westberlin befindet sich in der Anlage).

Wie aus zuverlässiger Quelle weiter bekannt wurde, soll am 17. und 18.9.1966 die gescheiterte Ratssitzung der EKD in der Hauptstadt der DDR nachgeholt werden.19 Die reaktionären Ratsmitglieder der EKD aus Westdeutschland, denen die Einreise zu der geplanten Sitzung am 17./18.8.1966 gesperrt worden war, haben die Absicht, am 17./18.9.1966 an einer Diakonischen Konferenz der evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg im Gemeindehaus der Sophien-Gemeinde teilzunehmen und damit das eigentliche Anliegen, die Durchführung einer Ratstagung, abzudecken.

Ferner wurde bekannt, dass Bischof Krummacher anlässlich seines 65. Geburtstages ein längeres Telegramm vom Vorstand der SPD aus Bonn, unterzeichnet von Brandt,20 Wehner21 und Erler,22 erhalten hat. Dieses Telegramm habe sowohl bei Krummacher als auch bei den anderen Bischöfen in der DDR großes Aufsehen erregt. In den höheren kirchlichen Kreisen wird dies als ein Versuch gewertet, die Kontakte der SPD-Führung zu führenden Kreisen der evangelischen Kirche in der DDR aufzubauen mit dem Ziel, die evangelischen Kirchen in der DDR stärker in die Konzeption der SPD-Führung einzubeziehen.

Krummacher äußerte im internen Kreis, es sei möglich, dass »demnächst Treffen zwischen Vertretern der SPD und leitenden Personen der evangelischen Kirche in der DDR in der Hauptstadt der DDR« stattfinden werden. (Nähere Angaben dazu sind dem MfS nicht bekannt.)

Bischof Krummacher äußerte sich ungehalten darüber, von den staatlichen Organen der DDR keine Genehmigung für die Einfuhr eines Pkw Typ »Mercedes« erhalten zu haben. Er fühle sich ungerecht behandelt, weil ihm bekannt sei, dass anderen Bischöfen und Generalsuperintendenten die Einfuhr von Pkw genehmigt worden sei.

Diese Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quelle nicht publizistisch ausgewertet werden.

Anlage zur Information Nr. 677/66

[Protokoll der EKD-Ratssitzung im August 1966]

Abschrift23

Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, in Berlin

Unter dem Vorsitz von Bischof D. Kurt Scharf trat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 18. und 19.8.1966 zu einer Sitzung zusammen. In einem eingehenden Bericht zu politischen Fragen behandelte Bischof D. Hermann Kunst vor allem die besonderen Belastungen, denen ungezählte Menschen durch gegenwärtige weltpolitische Krisen und Konflikte ausgesetzt sind.

Im Mittelpunkt stand dabei der durch die deutsche Spaltung geförderte Prozess der gegenseitigen Entfremdung. Dieser Prozess muss nach Auffassung des Rates als höchst unzeitgemäß und den menschlichen Erfordernissen der Politik widersprechend angesehen werden. Umso mehr bedauerte der Rat, dass alle Bemühungen, wenigstens die Berliner Passierscheinstelle für dringende Familienangelegenheiten fortzuführen, vorläufig gescheitert seien.24 Es bestehe die dringende sittliche Verpflichtung, die Passierscheinverhandlungen wieder aufzunehmen und einer erneuten Verschärfung der Spannungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands entgegenzuwirken. Der Rat beauftragte Bischof D. Kunst, diese Gesichtspunkte bei den beteiligten politischen Stellen nach [sic!] Nachdruck zu vertreten.

Weiter sprach sich der Rat für weitere Bemühungen um die Beendigung des Vietnam-Krieges aus.25 Der Rat erinnerte dabei an die auch von der Synode der EKD unterstützte Erklärung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen vom Februar 1966, mit der die in Vietnam kämpfenden Parteien vom Schlachtfeld weg an den Verhandlungstisch gerufen wurden.26

Die Evangelische Kirche in Deutschland sehe sich weiterhin verpflichtet, für materielle Hilfeleistungen gegenüber den Menschen in beiden Teilen Vietnams einzutreten.

Aufgrund eines Berichtes von Landesbischof Dr. Hermann Dietzfelbinger befasste sich der Rat mit Fragen des Verhältnisses zur römisch-katholischen Kirche. Der Rat begrüßte die zunehmende Zahl von gemeinsamen Beratungen und Unternehmungen beider Kirchen.

Für eine erneute Begegnung zwischen dem Rat der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz wurden Vorschläge erarbeitet. In der ungelösten Mischehenfrage sieht der Rat der EKD nach wie vor eine schwere Belastung der ökumenischen Beziehungen.27 Dabei wurde die fortbestehende Bereitschaft der evangelischen Kirche unterstrichen, in gemeinsamen Beratungen nach Lösungen und Vereinbarungen zu suchen, die den Eheverständnis der beiden Kirchen und der seelsorgerlichen Verantwortung gegenüber ihren Gliedern Rechnung trägt. In der von der Kurienkongregation für die Glaubenslehre am 18. März 1966 erlassenen Instruktion vermag die evangelische Kirche noch keine ins Gewicht fallende Verbesserung des Mischehenrechtes zu sehen.28 Der Rat befasste sich in diesem Zusammenhang mit dem in der Instruktion enthaltenen Angebot, im Falle einer Mischehe den nichtkatholischen Religionsdiener nach Beendigung der römisch-katholischen Eheschließung einen Glückwunsch und eine Ermahnung an das Brautpaar richten sowie gemeinsam mit den Nichtkatholiken einige Gebete sprechen zu lassen. Gerade in diesem Angebot sei eine Bestätigung der Unhaltbarkeit des römisch-katholischen Mischehenrechtes zu sehen.

Der Rat hält es nicht für möglich, dass evangelische Pfarrer von diesem Angebot Gebrauch machen, und empfiehlt den Landeskirchen, entsprechende Weisungen an die Pfarrerschaft ergehen zu lassen.

Weiter befasste sich der Rat mit Fragen der ökumenischen Bewegung, besonders mit der kürzlich in Genf gehaltenen Weltkonferenz »Kirche und Gesellschaft«,29 deren Bedeutung von der bisherigen Berichterstattung nicht voll erfasst worden sei. Der Rat hält ein aufmerksames Studium der offiziellen Dokumente für erforderlich, um eine Auswirkung dieser wichtigen Konferenz auf Fragen der Politik und der sozialen Ordnung auch im deutschen Bereich sicherzustellen.

Das Amt eines Beauftragten des Rates der EKD für Umsiedler- und Vertriebenenfragen wurde nach dem Rücktritt von Bischof D. Reinhard Wester neu besetzt.30 In dieses Amt wurde Pastor D. Günter Besch, leitender Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche, berufen.

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