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Brand an einer Imprägniermaschine im Reifenwerk Fürstenwalde

23. November 1966
Einzelinformation Nr. 901/66 über den Brand an der Imprägniermaschine II im Reifenwerk Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt (Oder) am 19.11.1966

Am 19.11.1966 gegen 7.00 Uhr brach an der Imprägniermaschine II der Abteilung Cord-Produktion des Reifenwerkes Fürstenwalde ein Brand aus, der sich in der Folge als Oberflächenbrand über die gesamte Maschine ausdehnte. Anwesende Produktionsarbeiter in der Produktionshalle versuchten zunächst, den Brand mit Handfeuerlöscher zu bekämpfen, jedoch ohne Erfolg. Gegen 7.05 Uhr musste die Feuerwehr alarmiert werden. Die Löscharbeiten wurden durch starke Rauchentwicklung behindert, so dass sie erst gegen 10.00 Uhr erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Eine Ausdehnung des Brandes wurde verhindert, so dass nur die Imprägniermaschine II durch direkte Flammeneinwirkung schwer beschädigt wurde. An der Imprägniermaschine I und an der Dachkonstruktion entstanden leichte Schäden durch Hitze, Rauch- und Wassereinwirkung.

Nach vorläufigen Berechnungen entstand ein Sachschaden von etwa 500 TMDN. Personen wurden nicht verletzt.

Durch den Brand fällt die Imprägniermaschine II für längere Zeit aus, so dass Störungen in der Reifenproduktion eintreten können. Da die vorhandenen Bestände an imprägniertem Cord nur für wenige Tage ausreichen, übernimmt zur Überbrückung ein Leipziger Betrieb ab 22.11.1966 täglich etwa 8 t Cord zur Imprägnierung. Außerdem sind Verhandlungen zum Kauf von 20 bis 30 t imprägnierten Cords aus der ČSSR im Gange, bei dessen Lieferung größerer Produktionsausfall verhindert würde.

Im Reifenwerk Fürstenwalde werden ca. 70 % des Cordbedarfs der Reifenindustrie der DDR erzeugt, vor allem Cord für Lkw-Reifen und andere schwere Fahrzeuge. Die Tageskapazität im Reifenwerk Fürstenwalde beträgt ca. 22 t imprägniertes Cord, davon erzeugte die Imprägniermaschine II täglich etwa 14 t imprägniertes Cord. Die in Mitleidenschaft gezogene Imprägniermaschine I ist seit dem 20.11.1966 wieder in Betrieb mit einer Tagesleistung von 7 t.

Die vom MfS gemeinsam mit der VP eingeleiteten Untersuchungen zur Klärung der Schadenursachen haben folgendes Ergebnis:

Die Cord-Imprägniermaschine II – System Kiefer – wurde von der Fa. BEKA-Lufttechnik GmbH Bielefeld Mitte 1963 an das Reifenwerk Fürstenwalde geliefert (Wertumfang 1 Mio. MDN) und in Betrieb genommen. Bei dieser Maschine handelt es sich um ein Stahlgerüst von 30 m Länge, 4 m Breite und 8 m Höhe, in dem eine Vielzahl von Walzen und Antriebsaggregaten eingebaut sind. Der Cord durchläuft dieses Walzensystem während des Imprägnierprozesses. Als Imprägniermittel wird »Pyrogallol«, ein Gemisch aus Wasser, Latex, Pyrogallol, Formamid und Ammoniak, eingesetzt.

Während des Arbeitsprozesses setzen sich an den Walzen und Trägern Rückstände des Imprägniermittels ab, die in wöchentlichen Abständen von den rotierenden Teilen entfernt werden. (Die starren Teile der Maschine wurden nicht bei der Reinigung berücksichtigt und wiesen z. B. zum Zeitpunkt des Brandausbruches Ablagerungen von Rückständen bis zu 10 cm Höhe auf.)

In einer Reinigungsvorschrift vom 14.2.1963 ist festgelegt worden, dass die Rückstände durch Abbrennen zu beseitigen sind. Nach Angaben der Werkleitung beständen keine anderen Reinigungsmethoden bzw. wären auch keine anderen Reinigungsmittel vorhanden, obwohl ihnen bekannt ist, dass in Westdeutschland chemische Mittel zur Beseitigung der Rückstände eingesetzt werden.

Obwohl aufgrund akuter Feuergefahr die Imprägnierhalle als »feuergefährdet« eingestuft wurde und »Rauchverbot« erlassen wurde, hat sich in der Vergangenheit eine Reinigungspraxis her[aus]gebildet, indem man unter Einsatz von Schweißbrennern, mittels »erhitzter Messer bzw. glühender Eisenstangen« die Rückstände entfernte. Dabei waren wiederholt lokale Brände durch Entzünden der Rückstände entstanden, die jedoch sofort erstickt werden konnten.

Am 19.11.1966 sollten an der Maschine II Reinigungsarbeiten vorgenommen werden, weil Umbauten vorgesehen waren. Mehrere Zentimeter starke Verschmutzungen sollten deshalb von starren Teilen des Maschinengerüstes (Schraubverschlüsse freilegen usw.) entfernt werden. Vier Arbeiter waren mit den Reinigungsarbeiten beauftragt. Sie wendeten, wie in der Vergangenheit auch, glühende Eisenstangen an.

An den Arbeitsplätzen der Arbeiter [Name 1] und [Name 2] begann gegen 7.00 Uhr bereits zum fünften Mal an diesem Tag ein Brand auszubrechen. Während sie die vorhergehenden Brände selbst sofort im Keim ersticken konnten, dehnte sich der fünfte Brand rasch aus, weil die Flammen eine stark ölverschmutzte Igelit-Abdeckplane ergriffen hatten und weiter reichlich Nahrung in Rückständen des Imprägniermittels fanden, die am Stahlgerüst der Maschine anhafteten.

Als Brandursache kann somit einwandfrei die fahrlässige »Reinigungspraxis«, der Umgang mit erhitzten Reinigungswerkzeug festgestellt werden, wie sie in der bereits erwähnten Reinigungsvorschrift vom 14.2.1963 angeordnet wurde.

Zu erwähnen ist außerdem, dass in einer von der Sicherheitsinspektion des Reifenwerkes am 12.4.1966 ausgearbeiteten Brandschutzanalyse festgestellt wurde, dass diese Reinigungsmethode eine akute Brandgefahr darstellt und als Risiko aufzufassen wäre. Als Schlussfolgerung wurde jedoch nur gezogen, dass seitens der Werkleitung zielstrebig an Maßnahmen zur Verhinderung der Verschmutzung und zur kontinuierlichen Generalreinigung gearbeitet werden muss.

Außerdem war den verantwortlichen Funktionären seit längerer Zeit bekannt, dass die Rückstände ab +150? C sich selbst entzünden. Zu dieser Erkenntnis gelangten Fachleute der Versuchsstrecke Freiberg, als sie mehrere Brände in der Trockenzone der Imprägniermaschine auf ihre Ursachen hin untersucht hatten. (Nach Einleitung technologischer Maßnahmen waren dann auch keine Brandausbrüche mehr in der Trockenzone zu verzeichnen.)

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    24. November 1966
    Einzelinformation Nr. 907/66 über Mängel in der Stufenschalterfertigung im VEB TRO

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    21. November 1966
    Einzelinformation Nr. 895/66 über den Großbrand in der Fa. OSALIT KG Seifert & Schöneck Kunststoff-, Press- und Spritzwerk (HSB) Auma, [Kreis] Zeulenroda, [Bezirk] Gera am 15.11.1966