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Durch Kinder verursachte Brände in der Landwirtschaft

10. Mai 1966
Einzelinformation Nr. 369/66 über das Ansteigen von Brandverursachung durch Kinder in der Landwirtschaft im Zeitraum vom 15.3.1966 bis 30.4.1966

Durch das beträchtliche Ansteigen der Brandverursachung durch Kinder in der Landwirtschaft im Zeitraum vom 15.3.1966 bis 30.4.1966 sieht sich das MfS veranlasst, auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen.

Von den insgesamt 82 Bränden (Schaden 1,2 Mio. MDN), die in dieser Zeit in der Landwirtschaft entstanden, wurden 39 Brände (Schaden 610 000 MDN) durch Brandverursachung von Kindern hervorgerufen. Das sind 48 % aller Brände und 51 % des Gesamtschadens.

Durch die Brände wurden zwei kombinierte Gebäude, 19 Scheunen, sieben Ställe, zwei Wohnhäuser, ein Schuppen, 14 Stroh- und Heumieten einschließlich der landwirtschaftlichen Vorräte (Futtermittel usw.) sowie Maschinen und Geräte vernichtet bzw. schwer beschädigt.

Schwerpunktmäßig sind besonders die Bezirke

  • Halle (sieben Brände – 63 000 MDN Schaden)

  • Neubrandenburg (fünf Brände – 9 000 MDN Schaden)

  • Schwerin (vier Brände – 62 000 MDN Schaden)

  • Magdeburg (vier Brände – 59 000 MDN Schaden)

  • Frankfurt/Oder (vier Brände – 18 000 MDN Schaden)

  • Suhl (zwei Brände – 200 000 MDN Schaden)

angefallen.

Im Kreis Prenzlau, [Bezirk] Neubrandenburg ereigneten sich allein drei Brände in verschiedenen Ortschaften.

Obwohl in jedem Jahr im Frühjahr eine wesentliche Zunahme der Brandverursachung durch Kinder zu verzeichnen war, ist bei einem Vergleich mit dem Zeitraum des Vorjahres ein zusätzliches Ansteigen um 7 % zu erkennen. Das berechtigt zu der Schlussfolgerung, dass alle bisherigen vorbeugenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Brandverursachung durch Kinder noch nicht die erforderliche Wirkung erzielt haben.

Rund zwei Drittel aller Brände wurden von Kindern im Alter von 5 bis 9 Jahren gelegt. Die übrigen Brände wurden von Kindern im Alter von 10 bis 14 Jahren verursacht, darunter befanden sich auch drei Mädchen.

Der zeitliche Schwerpunkt der Brandlegung liegt zwischen 13.00 und 18.00 Uhr sowie an den Tagen Mittwoch, Sonnabend und Sonntag (rund 69 %).

Der überaus größte Teil der Brände entstand durch das Spielen mit Streichhölzern, in zwei Fällen wurden die Brände mit einem gestohlenen bzw. gefundenen Feuerzeug ausgelöst, in einem Fall durch Rauchen in der Scheune.

Als begünstigende Faktoren für die Brandlegung durch Kinder erwiesen sich

  • fahrlässiges Aufbewahren von Zündmitteln in den Haushalten,

  • unbeaufsichtigte bzw. sich selbst überlassene Kinder (zum Teil beide Elternteile berufstätig),

  • unverschlossene und schadhafte Scheunen, Feldscheunen und Stallungen.

In den Untersuchungen des MfS konnten keine Anstiftungen durch Erwachsene nachgewiesen werden.

Nachstehend einige der schwerwiegendsten Brände mit zum Teil sehr hohen Schadensummen:

  • 1.

    Am 5.4.1966 brach um 16.10 Uhr bei einem LPG-Bauern der LPG Typ I1 in Veilsdorf, [Kreis] Hildburghausen, [Bezirk] Suhl ein Brand (Schaden 150 000 MDN) aus, wodurch zwei Scheunen und zwei Ställe vollkommen niederbrannten. Das Vieh konnte gerettet werden. Der sechsjährige [Vorname Name 1] hatte in einer Scheune mit Streichhölzern gespielt.

  • 2.

    Am 9.4.1966 gegen 16.45 Uhr entstand in einer Scheune der LPG Typ III in Barnstädt,2 [Kreis] Querfurt, [Bezirk] Halle ein Brand (Schaden 45 000 MDN), weil ein 13-jähriger Junge ein brennendes Streichholz, das er zum Anbrennen einer Zigarette benutzt hatte, ins Stroh warf. Obwohl er beim Verlassen der Scheune eine Rauchentwicklung bemerkte, unterließ er es aus Angst, jemand zu verständigen. Seine Eltern befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Nachbarort zur Jugendweihefeier.

  • 3.

    Am 11.4.1966 brannte gegen 14.20 Uhr ein kombiniertes Wohn-, Scheunen- und Stallgebäude in Feldhusen, [Kreis] Grevesmühlen,[Bezirk] Rostock nieder (Schaden 50 000 MDN), wobei ein Bulle, mehrere Ferkel, landwirtschaftliche Geräte und 200 dt Düngemitteln vernichtet wurden. Als Brandursache wurde Brandlegung durch Kinder ermittelt.

  • 4.

    Ein neunjähriger Junge legte am 20.4.1966 einen Brand in einer Scheune der LPG Typ III »Neues Deutschland« in Bocka, [Kreis] Altenburg, [Bezirk] Leipzig (Schaden 40 000 MDN).

  • 5.

    Der am 27.4.1966 gegen 13.10 Uhr ausgebrochene Brand in einem Scheunen-, Stall- und Wohngebäude eines LPG-Bauern in der Gemeinde Kaltenlengsfeld, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl (Schaden 50 000 MDN) wurde von dessen Enkel gelegt. Der neunjährige Enkel hatte auf dem Boden des Gebäudes mit Streichhölzern gespielt.

  • 6.

    Der am 30.4.1966 gegen 18.50 Uhr ausgebrochene Brand im Rinderoffenstall der LPG Typ III »Roter Stern« in Lennewitz, [Kreis] Perleberg, [Bezirk] Schwerin (Schaden 60 000 MDN) wurde einen elfjährigen Hilfsschüler (elternlos) gelegt. Der Schüler gab an, mit Hilfe eines bei seiner Großmutter gefundenen Feuerzeuges den Brand gelegt zu haben.

Die ansteigende Tendenz von Brandverursachung durch Kinder zeichnete sich auch in der ersten Maiwoche ab. Beispielsweise brach am 2.5.1966 gegen 12.50 Uhr in einem Stallgebäude der LPG Typ III »Deutsch-sowjetische-Freundschaft« in Wittgensdorf, [Kreis] Karl-Marx-Stadt[-Land] ein Brand aus (Schaden 20 000 MDN), weil der sechsjährige Sohn des Viehpflegers [Name 2] mit Streichhölzern gespielt hatte. Da die vier minderjährigen Kinder des [Name 2] in der Vergangenheit schon mehrfach beim Spielen mit Streichhölzern angetroffen wurden, werden die Eltern von der VP wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung gezogen.

Abschließend möchte das MfS auf folgende Gesichtspunkte aufmerksam machen:

Die Erfahrungen aus den in der Vergangenheit eingeleiteten Maßnahmen zur Senkung von Brandlegungen durch Kinder zeigen, dass eine wirksame Einflussnahme auf die Kinder in wesentlichen nur über die Eltern möglich ist. Es sollte daher noch in stärkerem Umfang als bisher versucht werden, durch die örtlichen Organe der Staatsmacht, aber auch durch die Organe des Ministeriums für Volksbildung, sowie DFD, FDGB und Staatsanwaltschaft die Aufklärungstätigkeit und Einflussnahme über die Eltern zu organisieren.

  1. Zum nächsten Dokument Westdeutsche pol. Publikationen mit Ballon eingeschleust (1)

    13. Mai 1966
    Einzelinformation Nr. 370/66 über verstärkte Einschleusung von Hetzschriften mittels Ballons in das Gebiet der DDR

  2. Zum vorherigen Dokument Einreiseerlaubnis für Schriftseller Heinar Kipphardt

    5. Mai 1966
    Einzelinformation Nr. 354/66 über die Einreiseerlaubnis in die Hauptstadt der DDR für den Schriftsteller/Dramatiker Dr. med. Kipphardt, Heinar