Durch Kinder verursachte Brände in der Landwirtschaft
17. Oktober 1966
Einzelinformation Nr. 768/66 über das Brandgeschehen in der Landwirtschaft der DDR vom 1.9. bis 10.10.1966 infolge Fahrlässigkeit und Kinderbrandstiftung
Das MfS weist darauf hin, dass es in den letzten Wochen eine weitere Häufung von Bränden in der Landwirtschaft gab, nachdem bereits seit Beginn der Sommermonate und der Bergungsarbeiten in der Landwirtschaft ein Ansteigen des Brandgeschehens zu verzeichnen war.
Als am häufigsten auftretende Ursachen der Brände wurden Fahrlässigkeit und Kinderbrandstiftung ermittelt. So wurden in der Zeit vom 1.9. bis 10.10.1966 in der Landwirtschaft durch Fahrlässigkeit und Kinderbrandstiftung insgesamt 41 Brände mit einem Sachschaden von ca. 1 460 000 MDN registriert. 24 Brände davon weisen einen Sachschaden von über 25 000 MDN aus.
Ein Schwerpunkt des Brandgeschehens in der Landwirtschaft der DDR bildete sich in den Tagen vom 6. bis 8.10.1966 heraus. Insgesamt wurden in dieser Zeit sieben Brände mit größerem Sachschaden registriert, davon drei mit einer jeweiligen Gesamtschadensumme von über 25 000 MDN. Auch hierbei handelt es sich bei den Brandursachen überwiegend um Fahrlässigkeit und Kinderbrandstiftungen.
Im Einzelnen wurden vom 1.9. bis 10.10.1966 in der Landwirtschaft der DDR insgesamt 24 Brände mit größeren Schadensummern durch Fahrlässigkeit verursacht. 13 Brände davon verursachten einen Sachschaden von über 25 000 MDN, vier weitere Brände davon verursachten einen Sachschaden von über 50 000 MDN.
Dabei handelt es sich u. a. um folgende Vorkommnisse:
- –
13.9.1966 Scheunen- und Stallbrand in der LPG Typ I1 Siptenfelde, [Kreis] Quedlinburg, [Bezirk] Halle. Sachschaden ca. 60 000 MDN.
- –
Ursache: Kurzschluss an einem defekten Stromzuführungskabel, das von außen in die Scheune führte.
- –
18.9.1966 Stallscheunenbrand in der LPG Typ III Lutterstorf,2 Ortsteil Metelsdorf, [Kreis] Wismar[-Land], [Bezirk] Rostock. Sachschaden ca. 100 000 MDN. Selbstentzündung des eingelagerten Heues. Das durch den verantwortlichen Brigadier verwandte Thermometer war zu kurz, sodass die sich im Stapelinneren entwickelnden Temperaturen nicht festgestellt werden konnten. Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Brandstiftung eingeleitet.
- –
6.10.1966 Brand von zwei Stallgebäuden in der LPG Typ I Breitenborn, [Kreis] Geithain, [Bezirk] Leipzig. Sachschaden ca. 50 000 MDN. Als Brandursache wurde eine auf dem Heuboden installierte und im Heu eingebaute Lampe ermittelt.
Bei den fahrlässigen Brandursachen treten besonders solche Vorkommnisse in den Vordergrund, wie
- –
Nichtbeachtung der Sicherheitsschutzbestimmungen beim Anschluss bzw. bei der Arbeit mit elektrischen Anlagen (z. B. werden Stromzuführungskabel ungenügend geerdet; Reparaturen an elektrischen Leitungen werden häufig unsachgemäß ausgeführt und witterungsausgesetzte Zuleitungskabel ungenügend kontrolliert, sodass Kurzschlüsse entstehen.)
- –
Elektrische Glühbirnen werden ohne entsprechende Fassung oder Schutzglocke verwendet.
- –
Selbstentzündung durch eingebrannte Glühbirnen (dabei wird leicht brennbares Erntegut bis an die Decken und Wände gestapelt, ohne auf darunter befindliche elektrische Brennstellen zu achten).
- –
Nichtbeachten der Sicherheitsbestimmungen beim Rauchen und beim Umgang mit offenem Feuer.
- –
Selbstentzündung eingelagerten Erntegutes wurde begünstigt durch Unterlassen erforderlicher Temperaturmessungen bzw. wurde die Temperatur lediglich mit der Hand gefühlt.
Nach dem 1.9.1966 wurden in der Landwirtschaft der DDR insgesamt 17 Kinderbrandstiftungen registriert. Elf Brände davon verursachten jeweils einen Sachschaden von über 50 000 MDN und weitere zwei Brände einen Schaden von über 100 000 MDN aus.
Dabei handelt es sich u. a. um folgende Vorkommnisse:
- –
18.9.1966 Brand eines Kornspeichers, eines Wohn-Stallgebäudes und einer Stellmacherwerkstatt in Bernsdorf, [Kreis] Grevesmühlen,[Bezirk] Rostock (LPG Typ III). Außer diesen Gebäuden wurden dabei ca. 100 t Getreide, 20 t Mischfutter, 80 Fuhren Heu und 20 Fuhren Stroh vernichtet, sodass ein Sachschaden von ca. 194 000 MDN entstand. Als Brandstifter wurden zwei 6-jährige Kinder ermittelt, die mit Streichhölzern spielten. Ein Kind davon kommt aus einer 12-köpfigen sozial gefährdeten Familie, die Eltern des anderen Kindes sind als gewissenhafte LPG-Mitglieder bekannt.
- –
18.9.1966 Scheunenbrand in der LPG Typ III Groß-Spiegelberg, [Kreis] Strasburg, [Bezirk] Neubrandenburg. Außer dem Gebäude wurden 408 dt ungedroschene Körnerfrucht, 648 dt ungedroschenes Stroh, 1 500 dt Stroh, vier beladene Hänger mit ca. 40 dt Heu, ein Dreschsatz mit Motor und Presse vernichtet. Der Gesamtschaden beträgt ca. 103 000 MDN. Der Kinderbrandstifter, ein 6-jähriger Junge einer Genossenschaftsbäuerin, hatte die Streichhölzer aus der abgelegten Schürze seiner Mutter entwendet. Das Scheunentor war unverschlossen.
- –
7.10.1966 Brand einer Scheune und zweier Seitengebäude der LPG Typ III Deutschenbora, [Kreis] Meißen, [Bezirk] Dresden, wobei ein Sachschaden von ca. 80 000 bis 100 000 MDN entstand. Der Brandstifter, ein 11-jähriger Junge, hatte in der Scheune geraucht.
Bei den Kinderbrandstiftungen in landwirtschaftlichen Objekten steht der fahrlässige Umgang mit Streichhölzern im Vordergrund. Die als Täter überführten Kinder gehören überwiegend der Altersgruppe zwischen sechs und neun Jahren an. In den Besitz der Streichhölzer kommen die Kinder nach vorliegenden Untersuchungsergebnissen in den meisten Fällen durch Entnahme aus der elterlichen Wohnung, wobei die Streichhölzer oftmals in der Küche für die Kinder leicht zugänglich sind, mehrfach aber auch aus Schränken und anderen Behältnissen entwendet werden. In anderen Fällen wurden die Streichholzschachteln aus Taschen abgelegter Arbeitskleidung – nicht nur der Eltern – entnommen oder im Gelände der LPG bzw. auf öffentlichen Wegen aufgefunden.
Die Untersuchungen hinsichtlich der Vernachlässigung der Aufsichtspflicht führten in den meisten Fällen zu keinem greifbaren Ergebnis. Vielmehr werden die Kinderbrandstiftungen durch unverschlossene und unbeaufsichtigte landwirtschaftliche Gebäude, zu denen die Kinder ungehindert Zutritt erlangen, begünstigt. In Scheunen, Stallungen und anderen Objekten gestalten zuweilen ganze Gruppen von Kindern ihre Freizeit und spielen teilweise dabei mit Streichhölzern. In den meisten Fällen sind die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten über den Aufenthalt der Kinder nicht oder nur ungenügend unterrichtet. Zum überwiegenden Teil sind die Mütter der Kinderbrandstifter selbst in landwirtschaftlichen Betrieben berufstätig, und die Kinder sind sich stundenweise am Nachmittag bzw. nach dem Schulunterricht selbst überlassen oder befinden sich in der Aufsicht der Großmütter oder Nachbarn.
Bei einem kleinen Teil handelt es sich um Kinder, die aus sozial gefährdeten Familien stammen. Zum überwiegenden Teil sind jedoch die Eltern der Kinderbrandstifter als gute Arbeiter oder LPG-Bauern bekannt, nicht selten sind sie Mitglieder der SED und leisten eine gute gesellschaftliche Arbeit. In einigen Fällen handelt es sich bei den Vätern der als Brandstifter überführten Kinder um Funktionäre der SED im örtlichen Bereich bzw. in einem Fall um den Bürgermeister des Ortes.