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Durchlässige Staatsgrenze bei Lehesten/Lobenstein

[ohne Datum]
Einzelinformation Nr. 736/66 über Mängel im Sicherungssystem an der Staatsgrenze West im Raum Lehesten, [Kreis] Lobenstein, [Bezirk] Gera

In den letzten Monaten entwickelte sich der Raum Lehesten im Grenzkreis Lobenstein, [Bezirk] Gera zu einem Schwerpunkt der vollendeten und versuchten Grenzdurchbrüche. Allein im Zeitraum vom 6.6. bis 5.9.1966 wurden in diesem Bereich 21 DDR-Bürger beim Versuch des illegalen Verlassens der DDR festgenommen. Alle festgenommenen Personen waren mit dem Zug bis zum Bahnhof Saalfeld gefahren und benutzten anschließend die Fernverkehrsstraße 85, um im Raum Probstzella-Lehesten die Staatsgrenze der DDR nach Westdeutschland zu durchbrechen. Ein besonderer Schwerpunkt bei Grenzdurchbrüchen in Richtung Westdeutschland ist der Rehbachgrund im Bereich der 4. Grenzkompanie Lehesten. In der Zeit vom 6. bis 22.8.1966 durchbrachen fünf Jugendliche, davon zwei Mädchen, im Bereich der Kompanie Lehesten die Staatsgrenze nach Westdeutschland. Außerdem wurden durch einen Jugendlichen aus Lehesten zwei DDR-Bürger im gleichen Abschnitt nach Westdeutschland geschleust.

Begünstigt wurden die Grenzdurchbrüche in diesem Bereich vor allem durch Mängel und Lücken im Grenzsicherungssystem im Abschnitt Rehbachgrund. Der gesamte Abschnitt ist nicht vermint und die pioniertechnischen Anlagen unterliegen stark dem Zufall. Das Gelände ist äußerst unübersichtlich. Unmittelbar am Grenzstreifen befinden sich eine Schieferhalde und ein Talkessel mit Einschnitt, der nur geringe Beobachtungsmöglichkeiten bietet, sodass die Sicherungskräfte in ihrem Wirkungsbereich stark eingeschränkt werden. Weiter ist das gesamte Gebiet nicht bewaldet. Der 500-m-Schutzstreifen ist mit dichtem Unterholz bewachsen. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit, besonders durch Schiefer und Sumpf, ist der 6-m-Kontrollstreifen nicht kontrollierbar.

Aus vorliegenden Materialien ist ersichtlich, dass der genannte Abschnitt bei einem Teil der Bevölkerung des Bezirkes Gera als günstige Durchbruchstelle bekannt ist. Auch die im Hinterland festgenommenen Personen sagten bei ihrer Vernehmung aus, für ihren beabsichtigten Grenzdurchbruch die Staatsgrenze im Abschnitt Lehesten bis Lichtentanne1 ausgewählt zu haben.

Durch Beobachtungen sowie durch Aussagen und Hinweise von Grenzverletzern sind dem Gegner die Lücken im Grenzsicherungssystem in diesem Abschnitt bekannt. Es besteht somit die Möglichkeit, dass in diesem Abschnitt durch den Gegner weitere Grenzdurchbrüche organisiert werden bzw. durch bestehende Rückverbindungen von republikflüchtigen Personen weitere Bürger der DDR von diesen begünstigenden Bedingungen in diesem Grenzabschnitt Kenntnis erhalten.

Um die Sicherheit an der Staatsgrenze der DDR in diesem Abschnitt zu erhöhen, wäre es dringend angebracht, den entstandenen Schwerpunkt durch den Bau von geeigneten pioniertechnischen Anlagen zu beseitigen.

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