Fahnenflucht mit tödlichem Ausgang bei Gollensdorf
4. Januar 1966
Einzelinformation Nr. 5/66 über die Verhinderung einer Fahnenflucht durch Anwendung der Schusswaffe mit tödlichem Ausgang im Bereich der Kompanie Gollensdorf GR Salzwedel, 5. Grenzbrigade am 1.1.1966
Am 1.1.1966 gegen 1.00 Uhr verhinderte der Postenführer Stabsgefreiter [Name, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1945, wohnhaft Gotha, [Straße, Nr.], NVA seit 5.5.1964 – Soldat auf Zeit, die Fahnenflucht seines Hundeführers Soldat Dahms, Reinhard,1 geboren am 19.5.1944, wohnhaft Finowfurt, [Straße, Nr.], NVA seit 3.5.1965, beide in der 2. Kompanie/24. GR – Gollensdorf,2 Salzwedel – stationiert, durch Anwendung der Schusswaffe. Dahms erlitt tödliche Verletzungen durch drei Schuss.
[Name] und Dahms waren für die Zeit vom 31.12.1965, 20.00 Uhr, bis 1.1.1966, 4.00 Uhr, als Grenzposten im Abschnitt Königsbrücke eingesetzt. Gegen 0.00 Uhr wurde das Postenpaar durch mehrere Offiziere der 2. Grenzkompanie kontrolliert, wobei ihnen auch Glückwünsche zum neuen Jahr überbracht wurden. Gegen 0.35 Uhr erfolgte eine zweite Kontrolle durch den Stabschef der 2. Grenzkompanie. Nach diesen beiden Kontrollen begaben sich [Name] und Dahms in den Postenbereich des Nachbarpostens, tauschten gegenseitig Glückwünsche zum neuen Jahr aus und tranken drei 0,35 l Flaschen Weinbrand aus. [Name] und Dahms gingen dann in den befohlenen Postenbereich zurück.
Da ab 0.00 Uhr im westlichen Vorfeld in größerem Umfange Feuerwerk abgebrannt wurde, schlug Dahms dem Postenführer vor, in Richtung Sperre vorzugehen. [Name] erklärte sich mit dem Vorschlag einverstanden, meinte jedoch, man müsse sich beeilen, da eine neue Kontrolle erwartet werden könne.
Auf dem Weg zur Sperre – an der Königsbrücke – lief Dahms in schnellem Schritt vor dem Postenführer her, so dass dieser Dahms auffordern musste, langsamer zu laufen und zu warten. Nachdem [Name] den Dahms erreicht hatte, erging von Dahms die Aufforderung: »Komm, wir hauen nach dem Westen ab. Du brauchst keine Angst zu haben, ich lasse Dich nicht im Stich und werde Dich drüben versorgen.« Der Postenführer ging nach seinen eigenen Angaben zum Schein auf den Vorschlag von Dahms ein, in der Absicht, die Fahnenflucht zu verhindern. [Name] versuchte von der in unmittelbarer Nähe der B-Stelle3 Königsbrücke befindlichen Sprechzelle des Grenzmeldenetzes aus die Grenzkompanie anzurufen. Dahms hinderte ihn jedoch an dieser Handlung, indem er ihm den Hörer entriss und nochmals zur gemeinsamen Fahnenflucht aufforderte. Dahms entfernte sich dann schnell von der Sprechstelle zur Sperre. Währenddessen lud [Name] seine Waffe durch und eröffnete bei Überwindung des ersten Wassergrabens durch Dahms das Feuer. Der Postenführer gab insgesamt 60 Schuss ab; Dahms war sofort tot.
Während des Vorkommnisses und in der Zeit der Untersuchung und des Abtransportes der Leiche konnten im westlichen Vorfeld keine Handlungen beobachtet werden, die auf eine Beobachtung dieses Vorkommnisses schließen lassen.
Über Dahms ist in der Vergangenheit nichts Negatives bekannt geworden. Vorbereitungshandlungen für eine Fahnenflucht waren nicht erkennbar. Aus den aufgefundenen Briefen des Dahms an Eltern und Geschwister geht lediglich hervor, dass bei ihm eine Abneigung gegen den Wehrdienst bestand.
Weitere Untersuchungen über mögliche Beweggründe werden noch geführt.