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Fehlende Wachsamkeit im Grenzabschnitt Johannisthal

1. Februar 1966
Einzelinformation Nr. 76/66 über die Verletzung der Wachsamkeit im Grenzdienst durch NVA-Angehörige der 1. Kompanie, Grenzregiment 42, 4. Grenzbrigade der Stadtkommandantur Berlin

Durch die Tätigkeit des MfS wurde bekannt, dass zehn Gruppenführer, zwei Postenführer und neun Posten der 1. Kompanie des GR 42, 4. Grenzbrigade, über längere Zeit ihren Grenzdienst vernachlässigten. Die Kompanie sichert im Bereich des Grenzregiments den Grenzabschnitt Kellerbrücke/1Johannisthal (Naht zur 1. Grenzbrigade) bis Rudower Straße/Altglienicke. Der Abschnitt dieser Kompanie ist mit Wohnlauben bebaut, die zum Teil bewohnt werden.

Obwohl der Grenzabschnitt außer der pioniertechnischen Anlagen mit fünf B-Türmen,2 einem durchgehenden Signalzaun sowie Hundelaufanlagen und Signalfeldern gesichert ist, gelang es in den letzten Monaten einigen Grenzverletzern in diesem Gebiet nach Westberlin durchzubrechen bzw. nach versuchtem Grenzdurchbruch in das eigene Hinterland zu entkommen.

Begünstigt wurden die Grenzverletzungen vor allem durch Verstöße gegen die Dienstvorschriften durch Unteroffiziere und Soldaten der Kompanie. Besonders in der letzten Zeit häuften sich die Dienstvergehen, wobei ca. 30 NVA-Angehörige verschiedener Züge – vor allem des 3. Zuges – während des Grenzdienstes ihre Postenbereiche verließen und eine im Grenzgebiet wohnende Familie aufsuchten und sich teilweise bis zu drei Stunden bei dieser Familie aufhielten. Bei den Besuchen wurden Getränke entgegengenommen, Unterhaltungen geführt und Sendungen des Westfernsehens empfangen. In den Gesprächen wurden zum Teil auch interne Dienstangelegenheiten preisgegeben.

Bei der Familie handelt es sich um einen gewissen [Name 1, Vorname], seine Ehefrau, zwei Töchter und eine im Haushalt wohnende Verwandte. Das Grundstück befindet sich im Guntherweg3 [Nr.], ca. 100 m von der Staatsgrenze entfernt in der Nähe der rückwärtigen Begrenzung des Grenzgebietes. Initiatoren dieser Verbindungsaufnahmen waren Unteroffizier [Name 2] und Unteroffizier [Name 3], die auch die anderen Unteroffiziere und Soldaten in diese Handlungen mit einbezogen. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Kommandeure der Gruppenabschnitte und ihre Begleitposten. In Einzelfällen kam es zur Postentrennung, wobei sich ein Posten zu der Familie [Name 1] begab, während der andere Posten vor dem Grundstück wartete.

Wie die bisherigen Untersuchungen ergaben, liegen die Ursachen vor allem in einer ungenügenden politisch-ideologischen Erziehungsarbeit und in der unzureichenden Disziplin und Ordnung bei der Durchsetzung der bestehenden Weisungen und Befehle. Die Partei- und FDJ-Grundorganisationen wurden ihren Erziehungsaufgaben ebenfalls nicht gerecht. Unter anderem waren drei Partei-Gruppenorganisatoren und der FDJ-Sekretär an diesen Verstößen beteiligt, sodass die im Ergebnis dessen auch keinen positiven Einfluss auf die anderen Kompanieangehörigen nehmen konnten. Der Kompaniechef verhielt sich gegenüber seinen Unterstellten höchst unpersönlich und abweisend, sodass sich selbst ein Teil der Zug- und Gruppenführer gegen seine Anweisungen stellte.

Feindliche Motive für die Verbindungsaufnahme konnten nicht festgestellt werden. Die Dienstvergehen wurden in der Einheit ausgewertet und Maßnahmen zur Verbesserung der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit eingeleitet. Die Hauptbeteiligten und Initiatoren der Dienstvergehen, Unteroffizier [Name 2] und Unteroffizier [Name 3], werden auf Befehl des Stadtkommandanten degradiert und aus der NVA entlassen. Über die Beweggründe der Familie [Name 1] zu derartigen Kontakten werden gegenwärtig noch weitere Untersuchungen geführt.

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    1. Februar 1966
    Einzelinformation Nr. 81/66 über einige Probleme in der Landwirtschaft des Kreises Kamenz, [Bezirk] Dresden

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    31. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 75/66 über ein besonderes Vorkommnis mit Beteiligung eines sowjetischen Militärangehörigen und zweier polnischer Staatsbürger in Beeskow, [Bezirk] Frankfurt/Oder am 30.1.1966