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Flucht mithilfe einer Planierraupe in Staaken (1)

12. September 1966
Einzelinformation Nr. 683/66 über einen schweren Grenzdurchbruch mittels Planierraupe nach Westberlin im Abschnitt Staaken, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam am 11.9.1966

[Faksimile von Blatt 28–29]

Am 11.9.1966 gegen 10.20 Uhr durchbrachen [Name 1, Vorname 1],1 geboren [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Falkensee, [Straße, Nr.], ehemaliger Unteroffizier der NVA (Panzertruppen), [Name 1, Vorname 2], geboren [Tag, Monat] 1940, Ehefrau des [Name 1, Vorname 1], [Name 1, Vorname 3], geboren [Tag, Monat] 1963, Sohn des Obengenannten;

Franken, Albert,2 geboren [Tag, Monat] 1937, wohnhaft Falkensee, [Straße, Nr.], Raupenfahrer beim VEB Verkehrsbau/Erdbau,3 Magdeburg und die Franken, [Vorname], geboren [Tag, Monat] 1948, Ehefrau des Franken, im Abschnitt Staaken 400 m rechts der Siedlung Falkenhöh in der Nähe Finkenkruger-/Spandauer Straße4 mit einer Planierraupe vom Typ S 100 (sowjetisches Fabrikat) die Staatsgrenze der DDR nach Westberlin.

Die Planierraupe gehört dem VEB Verkehrsbau/Erdbau Magdeburg, der im Auftrage des VEB Plaste Staaken auf dem ehemaligen DEMAG-Gelände (ca. 800 m von der Staatsgrenze entfernt) Bauarbeiten durchführt. (VEB Plaste errichtet hier ein Werk, um der dortigen Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten einzuräumen.)

Die Grenzverletzter fuhren mit der Planierraupe vom Bauplatz aus über unwegsames Gelände am Nordrand von Neu-Staaken,5 bogen anschließend in den Königszelter Weg6 ein und bewegten sich in Richtung Grenzsicherungsanlagen.

Unmittelbar nach Einfahrt in den 100-m-Schutzstreifen wurde die Planierraupe von dem Sicherungsposten auf dem B-Turm7 Neuweg8 festgestellt und durch den B-Turm-Posten sowie durch eine im Abschnitt befindliche Kontrollstreife unter Feuer genommen. (Insgesamt wurden ca. 100 Schuss auf das Fahrzeug abgegeben.) Unter dem Feuer der Sicherungskräfte durchbrach die Planierraupe den Signalzaun, den Kfz-Fanggraben und die Drahtsperre auf drei Pfählen. An einem Baum auf Westberliner Gebiet kam das Fahrzeug zum Halten, wobei sich das Heck der Planierraupe noch auf dem Territorium der DDR befand. Die Insassen verließen die Planierraupe durch die dem Postenturm abgewandte Tür, so dass sie von unseren Sicherungskräften nicht beobachtet werden konnten.

Die Untersuchung der zurückgeführten Planierraupe ergab Folgendes:

Der Fahrerraum, die Windschutzscheibe und der Motorraum waren durch Stahlblechplatten (ca. 6 bis 8 mm stark) abgedeckt. Die Stahlblechplatte an der Windschutzscheibe war zur Gewinnung von Sichtfeld mit ca. acht Bohrungen versehen.

Die Planierraupe wies an der dem Postenturm zugewandten Seite 35 Einschüsse in Höhe der Fenster und des Motorraums auf. Die Stahlblechsicherung am Fahrersitz war von ca. zehn Geschossen durchschlagen worden.

Die im Innern der Planierraupe vorgefundenen Blutspuren lassen auf Verletzungen der Insassen schließen. (Nach Meldungen der Westpresse sollen der [Name 1, Vorname 1], und die Franken, [Vorname] leicht verletzt worden sein.)

Weiter befanden sich in dem Fahrzeug eine Akten- und eine Einkaufstasche mit Bekleidungsstücken und anderen persönlichen Sachen.

Die bisherigen Untersuchungen des schweren Grenzdurchbruchs ergaben Folgendes:

Die Planierraupe wurde am 10.9.1966 auf dem Baugelände (ehemals DEMAG-Gelände) wegen Kettenschaden repariert. Die Reparatur wurde durch den verantwortlichen Schlosser des VEB Erdbau unter Mithilfe des [Name 1] und Franken durchgeführt. Wegen des arbeitsfreien Sonnabends wollte der Schlosser das Fahrzeug erst am 12.9.1966 reparieren; er wurde aber von Franken zur sofortigen Reparatur gedrängt. Nach Abschluss der Reparatur am 10.9.[1966], gegen 13.00 Uhr, verließ der Schlosser das Baugelände. Offensichtlich wurde die Folgezeit von [Name 1] und Franken dazu ausgenutzt, um die Planierraupe auf den Grenzdurchbruch vorzubereiten.

Beim Eintreffen der Arbeiter des VEB Erdbau, [Name 2] und [Name 3], am 11.9.[1966]9 stellten sie fest, dass sich auf der Baustelle der Franken sowie eine ihnen unbekannte männliche Person und zwei Frauen aufhielten. Auf Befragen erklärte Franken, dass er Überstunden machen müsse. [Name 2] und [Name 3] waren mit dieser Antwort einverstanden, ohne weitere Maßnahmen oder eine Überprüfung der anderen Personen auf der Baustelle einzuleiten.

Auf Westberliner Gebiet erschienen unmittelbar nach dem Grenzdurchbruch Angehörige der Westberliner Polizei und der britischen Militärpolizei sowie Zivilpersonen, die teilweise fotografierten.

Durch das MfS werden weitere Untersuchungen zur Ermittlung der näheren Ursachen und Zusammenhänge des schweren Grenzdurchbruchs geführt.

  1. Zum nächsten Dokument Flucht mithilfe einer Planierraupe in Staaken (2)

    13. September 1966
    Einzelinformation Nr. 687/66 über den schweren Grenzdurchbruch mittels Planierraupe am 11.9.1966 im Raum Staaken, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam (Ergänzung zur Information Nr. 683/66)

  2. Zum vorherigen Dokument Verhinderte Flucht in Diplomatenauto (1)

    12. September 1966
    Einzelinformation Nr. 681/66 über die verhinderte Schleusung von DDR-Bürgern durch die Westberliner Schleuserorganisation Fuchs unter Beteiligung eines Vertreters des Syrisch-Arabischen Generalkonsulats in der DDR