Fluchtversuch mit tödlichem Ende im Raum Morsleben
22. August 1966
Einzelinformation Nr. 626/66 über einen verhinderten Grenzdurchbruch im Raum Morsleben, GR Oschersleben, am 18.8.1966 mit tödlichem Ausgang für einen der Grenzverletzter
Am 18.8.1966 gegen 7.30 Uhr versuchten der Möhrer, Hans,1 geboren [Tag, Monat] 1943, wohnhaft Grabow, [Straße, Nr.], Vorrichtungsbauer VEB Hydraulik Nord Neustadt-Glewe; Möhrer, Werner,2 geboren 29.7.1945, wohnhaft Grabow, [Straße, Nr.], Betriebsschlosser Molkerei Neustadt-Glewe und die [Name, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, Milchwirtschaftsassistentin Molkereigenossenschaft Grabow, wohnhaft Neustadt-Glewe, [Straße, Nr.] im Abschnitt der Kompanie Morsleben/3GR Oschersleben, an der Straße Morsleben – Helmstedt, die Staatsgrenze in Richtung Westdeutschland zu durchbrechen.
Durch die eingesetzten Posten wurden die Grenzverletzer angerufen und durch Warnschüsse zum Stehenbleiben aufgefordert. Dieser Aufforderung leisteten Möhrer, Hans und [Name, Vorname] Folge. Bei der Festnahme versuchte jedoch der Möhrer, Hans erneut zu flüchten. Daraufhin gab der Posten gezieltes Feuer auf ihn ab, wodurch er am linken Fuß verletzt und anschließend festgenommen wurde.
Möhrer, Werner reagierte auf die Warnrufe und Warnschüsse der Posten nicht, sondern setzte seine Flucht in Richtung Westdeutschland fort. Da er bereits den ersten Warnzaun überquert hatte, eröffneten die Posten auch auf ihn gezieltes Feuer, wodurch er tödlich getroffen wurde.
Die Annäherung der Grenzverletzer in das Grenzgebiet erfolgte von Grabow, [Kreis] Ludwigslust aus mit zwei Motorrädern über die Autobahn bis Alleringsleben, [Kreis] Haldensleben, wo sie die Kräder4 abstellten und zu Fuß in Richtung Staatsgrenze weitergingen.
Alle Genannten trugen selbstgefertigte Tarnanzüge. Weiter führten sie jeder ein Fernglas und insgesamt 4 000 MDN mit sich.
Von westlicher Seite aus wurde das Vorkommnis nicht festgestellt.
Möhrer, Hans der von 1963 bis 1964 als Postenführer in der Kompanie Morsleben eingesetzt war, verfügte über genaue Kenntnisse von diesem Grenzgebiet. (Während seiner Dienstzeit wurde er als vorbildlicher Grenzsoldat ausgezeichnet.) Anfang August 1966 hatte er mit der Kompanie Morsleben wieder Verbindung aufgenommen, angeblich um ein von ihm neu entwickeltes Signalgerät vorzuführen. Bei einer Zusammenkunft mit einem Vertreter der Kompanie am 10.8.1966 erkundigte sich Möhrer genau über den derzeitigen Stand der Grenzsicherung im Abschnitt Morsleben.
Zu den Motiven des beabsichtigten illegalen Verlassens der DDR geben der Möhrer, Hans und seine Verlobte [Name 2, Vorname] bisher Folgendes an:
Sie beabsichtigten in Grabow, [Kreis] Ludwigslust ein Einfamilienhaus zu bauen. Da sie jedoch keine Baugenehmigung erhielten, wollten sie aus Verärgerung die DDR illegal verlassen. Begünstigt wurde dieser Entschluss durch das Hören von Westsendern, wodurch sie zu der Meinung gekommen seien, in Deutschland bestünde eine akute Kriegsgefahr. Aus diesen Gründen wollten sie über Westdeutschland in ein neutrales Land gehen.
Zur Person:
Der Vater des Möhrer, Hans und Werner ist Invalidenrentner, die Mutter arbeitet im VEB Dauerbackwaren. [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]. Am gesellschaftlichen Leben nimmt die Familie keinen Anteil, sie informieren sich vorwiegend westlich. Beide Jugendlichen sind in Grabow als Rowdys bekannt. Aufgrund ihres rowdyhaften Verhaltens wurden mit ihnen und den Eltern von Vertretern des Rates der Stadt Aussprachen geführt, die jedoch zu keinen positiven Ergebnissen führten. Verbindungen bestehen zum Bruder des Vaters, der 1950 illegal nach Westdeutschland ging.
Die [Name] war in der Molkerei Neustadt-Glewe als Milchwirtschaftsassistentin tätig. Sie arbeitete in der Revisionskommission des FDGB mit. Auf ihrer Arbeitsstelle trat sie überheblich auf und hatte kein gutes Verhältnis zum Kollektiv. In der letzten Zeit zeigte sie keine gute Arbeitsmoral. Sie ist mit dem Möhrer, Hans verlobt, mit beiden Brüdern pflegte sie enge Verbindungen. Nähere Verbindungen zu anderen Personen bestehen nicht. Die Eltern der [Name] besaßen eine Molkerei.
Weitere Untersuchungen werden durch das MfS geführt.