Fluchtversuch mit tödlichem Ende in der Nähe von Meiningen
13. Oktober 1966
Einzelinformation Nr. 763/66 über den versuchten illegalen Grenzübertritt mit tödlichem Ausgang am 11.10.1966 im Grenzbereich Meiningen, Bezirk Suhl
Am 11.10.1966, gegen 17.45 Uhr, wurde im Bereich der 13. Grenzkompanie Veilsdorf, Grenzregiment 9, Meiningen, [Bezirk] Suhl, durch die dort eingesetzten zwei Grenzposten der NVA/Grenze unter Anwendung der Schusswaffe der Fischer, Walter,1 geboren 23.8.1938, wohnhaft in Harras, [Kreis] Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, LPG-Bauer in Harras, Familienstand geschieden, am illegalen Verlassen der DDR gehindert.
Bei der Festnahme wurde Fischer durch drei Treffer in die Brust – darunter durch einen Herzschuss – verletzt, wodurch der sofortige Tod eintrat.
Die durch das MfS eingeleiteten Ermittlungen hatten bisher folgendes Ergebnis:
Der auf dem Beobachtungsturm Straße Harras/Grattstadt eingesetzte Doppelposten der NVA/Grenze beobachtete am 11.10.1966 gegen 17.40 Uhr, wie sich eine unbekannte männliche Person an der Waldspitze Ahlstadter Weg2 in Richtung Staatsgrenze bewegte. Die Person befand sich zu diesem Zeitpunkt ca. 800 m vom Grenzposten entfernt unmittelbar vor den Sicherungsanlagen. Nachdem der Doppelposten zum Zwecke der Festnahme des Grenzverletzers den Beobachtungsturm verlassen hatte und wieder ins Blickfeld bekam, hatte er bereits den ersten Drahtzaun überklettert und überquerte das Minenfeld. (Breite des Minenfeldes ca. 20 bis 30 m). In dem sich die beiden Posten laufend dem Grenzverletzer näherten, riefen sie ihm laut an und gaben aus MPi und LMG Warnschüsse ab. Der Grenzverletzer drehte sich daraufhin nur kurz um und setzte seinen Weg in Richtung Westdeutschland fort. Dabei überkletterte er auch den zweiten Sicherungszaun.
Da die Entfernung vom zweiten Sicherungszaun bis zur Staatsgrenze nur noch ca. 60 m beträgt und sich keine weiteren PTA dahinter befinden, gaben beide Grenzposten zu diesem Zeitpunkt aus ca. 200 m Entfernung gezieltes Feuer. Der Fischer brach ca. 10 m vor der Staatsgrenze zusammen, wobei beim Eintreffen der Posten nur noch der Tod festgestellt werden konnte. Die NVA-Posten haben insgesamt 31 Schuss aus dem LMG und 20 Schuss aus der MPi abgegeben. Die Bergung des Grenzverletzers durch einen Grenztrupp war um 18.50 Uhr abgeschlossen.
Während des Vorkommisses konnte keine Bewegung auf westlichem Gebiet festgestellt werden. Lediglich gegen 19.25 Uhr fuhren gegenüber der Vorkommnisstelle zwei USA-Jeep mit mehreren Mann Besatzung auf, die aber, offensichtlich weil sie keine Feststellungen treffen konnten, nach kurzer Zeit wieder in das Hinterland zurückfuhren.
Zur Person des Grenzverletzers Fischer, Walter wurde bekannt, dass er als LPG-Bauer eine mangelhafte Arbeitsmoral zeigte. In seiner Wohngemeinde besitzt er einen schlechten Leumund, da er ständig in größerem Maße dem Alkohol zusprach. Fischer war deshalb laufend in Geldschwierigkeiten. Mit seiner Mutter, bei der er wohnte, hatte er im Zusammenhang mit seinem Lebenswandel häufig Streitigkeiten. F. ist aus der 5. Klasse entlassen; er ist parteilos und hat sich in politischer Hinsicht nicht betätigt.
Fischer befand sich zum Zeitpunkt des versuchten Grenzdurchbruchs in stark angetrunkenem Zustand. Er hielt sich bereits seit den Vormittagsstunden des 11.10.[1966] in der Gaststätte in Harras auf und hatte dort gegen 16.00 Uhr eine Auseinandersetzung mit seiner Mutter, von der er Geld forderte und die ihm deswegen Vorwürfe machte. Fischer verließ nach dieser Auseinandersetzung die Gaststätte Harras und begab sich kurze Zeit darauf in Richtung Staatsgrenze.