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Forderungen von Schülerinnen und Schülern in Gablenz

25. Januar 1966
Einzelinformation Nr. 57/66 über einige Vorkommnisse an der Polytechnischen Oberschule Gablenz, [Kreis] Stollberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt

Zur Auswertung der Probleme des 11. Plenums des ZK1 beabsichtigte die Schulleitung der Polytechnischen Oberschule Gablenz am 27.1.1966 ein Forum mit den Schülern der achten, neunten und zehnten Klasse (ca. 100 Schüler) durchzuführen. Mit dem Ziel der Erforschung der die Schüler interessierenden Fragen war von der Schulleitung ein Briefkasten eingerichtet worden, in dem die Schüler ihre Fragen einwerfen sollten. Bei der ersten Öffnung dieses Briefkastens wurden ca. 75 Zettel festgestellt, die – bis auf einen von Schülern der siebten Klasse – anonym abgefasst waren.

Alle Zettel enthielten provokatorische Forderungen bzw. Feststellungen, so u. a.

  • –

    nach Aufhebung des »Verbots« bzw. nach Erweiterung des »Beat«,2

  • –

    zur Verherrlichung und Duldung des Gammlerunwesens,3

  • –

    nach Zulassung von »James-Bond« bzw. »Beatles-Filmen«,

  • –

    nach Zulassung westlicher illustrierter Zeitschriften,

  • –

    nach Abschaffung des russischen Sprachunterrichts als eigentliche »Weltsprache«.4

Aufgrund dieser Situation wurde zunächst das Forum auf den 2.2.1966 verlegt.

Da nach den vorliegenden Hinweisen das Auftreten dieser Vorkommnisse durch die gesamte Situation an dieser Schule (die dort herrschenden Verhältnisse werden als ungeordnet bezeichnet), wesentlich begünstigt wurde, werden gegenwärtig weitere Untersuchungen zur Aufklärung der gesamten Lage geführt.

  1. Zum nächsten Dokument Beteiligung und wirtschaftliche Erträge in LPG im Kreis Lübben

    31. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 73/66 über einige Probleme der Landwirtschaft des Kreises Lübben, [Bezirk] Cottbus
  2. Zum vorherigen Dokument Übersetzung&Verbreitung von Havemanns »Dialektik ohne Dogma«

    25. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 56/66 über weitere Verbreitung des Buches von Havemann »Dialektik ohne Dogma« im kapitalistischen Ausland

  1. Das 11. Plenum des ZK der SED vom 16. bis 18. Dezember 1965 ist wegen der drastischen Kritik an der zeitgenössischen Kunstszene und der anschließenden Rücknahme einer für einige Jahre verhältnismäßig offenen Jugend- und Kulturpolitik auch als »Kahlschlag-Plenum« bekannt und führte dazu, dass zahlreiche Bücher und Filme verboten wurden und Künstlerinnen und Künstler nicht mehr auftreten durften.

  2. Nachdem ein Beschluss des ZK vom 11.10.1965 »Zu einigen Fragen der Jugendarbeit und dem Auftreten von Rowdygruppen« dazu geführt hatte, dass die Leipziger Bezirksverwaltung dortige Beatgruppen verbot, kam es zu Demonstrationen mit zahlreichen Festnahmen von Beatfans. Ein generelles Verbot wurde zwar nicht verhängt, aber die Beatgruppen wurden geheimdienstlich beobachtet und die Musik blieb in der offiziellen Berichterstattung diskreditiert. Vgl. Florath, Bernd: Einleitung 1965. In: Münkel, Daniela (Hg.): Die DDR im Blick der Stasi. Die geheimen Berichte an die SED-Führung 1965. Göttingen 2014, S. 36–42.

  3. Der Begriff »Gammler« wurde, sowohl abwertend als auch in Reaktion darauf als Selbstbezeichnung, in den 1960er-Jahren in Ost- und Westdeutschland für eine jugendkulturelle Szene verwendet, die sich gesellschaftlichen Erwartungshaltungen widersetzte, in dem sie keiner geregelten Arbeit nachging oder den Wehrdienst verweigerte. Als äußere Merkmale wurden ihr von den Medien in Ost und West ein ungepflegtes Erscheinungsbild und eine Affinität zu Rock-, Beat- und Folkmusik zugeschrieben. Vgl. z. B. »Die Amateur-Gammler«. In: ND v. 17.10.1965, S. 12, und »Gammler in Deutschland«. In: Der Spiegel 39/1966 vom 19.9.1966.

  4. Russisch wurde in der DDR ab dem fünften Schuljahr obligatorisch als erste Fremdsprache gelehrt.