Geringe Produktivität und Kritik in den LPG im Kreis Kamenz
1. Februar 1966
Einzelinformation Nr. 81/66 über einige Probleme in der Landwirtschaft des Kreises Kamenz, [Bezirk] Dresden
Dem MfS liegen eine Reihe von Hinweisen zur Situation in den LPG und VEG des Kreises Kamenz vor.
Aus den Einschätzungen ist allgemein zu entnehmen, dass die genossenschaftliche Entwicklung im Wesentlichen gut vorangekommen ist, und die VEG die ihnen gestellten Aufgaben zufriedenstellend lösten.
Die positiven Entwicklungstendenzen in der Landwirtschaft des Kreises Kamenz wurden jedoch in der Vergangenheit durch einige hemmende Umstände beeinflusst, auf die im Nachfolgenden näher eingegangen werden soll.
1965 wurde das staatliche Aufkommen in allen Positionen außer Schlachtgeflügel (93,4 %) und Kartoffeln (89,8 %) übererfüllt. In der Milchablieferung gibt es trotz der kreismäßigen Übererfüllung noch LPG (rund 20 %), die Rückstände in der Ablieferung haben (LPG Typ III Cosel, Lehndorf, Mittelbach, Oberlichtenau, Skaska; 23 LPG Typ I, u. a. Ralbitz, Weißig, Biehla).1
Allgemein bleiben in den LPG Typ I die Milchleistungen je Kuh in kg gegenüber den LPG Typ III seit dem Jahr 1964 zurück. Die Entwicklung der Viehbestände ist 1965 unzureichend, weist in der Position Sauenbestand sogar eine rückläufige Tendenz auf. Entsprechend der Zielstellung 1965 wurden die Bestände an Schweinen, Sauen und Schafen nicht erreicht. Die Sauenbestände sind im Zeitraum Mai bis November 1965 um ca. 200 Stück zurückgegangen. 400 Sauenbedeckungen fehlten 1965 zum Plan. An dieser negativen Bilanz sind vor allem die LPG Typ I Weißbach, Wiesa, Höckendorf und Wendischbaselitz beteiligt. In einigen LPG (»Domowina« Crostwitz, »Heideland« Weißig) ist seit etwa drei Jahren ein relativ hoher Rückgang in den Kuhbeständen festzustellen.
Über die staatlichen Aufgaben für die landwirtschaftliche Marktproduktion gab es in der Vergangenheit immer wieder negierende Meinungen unter den Genossenschaftsmitgliedern, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
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Die Planzahlen seien zu hoch und deshalb nicht zu realisieren. Dies treffe auch besonders auf den Plan 1966 zu.2 (z. B. LPG Brauna)
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Bei individueller Wirtschaft könnten höhere Ergebnisse erreicht werden, als durch die genossenschaftliche Produktion. (Argumente ehemaliger Großbauern;3 LPG mit niedrigem Produktionsniveau; LPG Steina)
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Die Nordbezirke sollen erst einmal das Produktionsniveau der hiesigen Landwirtschaft erreichen. (ein relativ stark verbreitetes Argument mit rückläufiger Tendenz)
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Auf dem 11. Plenum wurde von der Steigerung der tierischen Marktproduktion gesprochen;4 trotzdem gebe es jedoch keine Verbesserung in der Versorgung der Bevölkerung.
Die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der LPG im Kreis Kamenz sind positiv einzuschätzen. Alle 33 LPG Typ III arbeiten rentabel; die negativen Ergebnisse der LPG Typ III Piskowitz und Bernbruch konnten 1965 überwunden werden. Von 96 LPG Typ I ist in sieben LPG (Gottschdorf, Mittelbach, Großgrabe,5 Piskowitz, Schwepnitz,6 Zerna – Ortsteil Gränze, Elstra) noch eine schlechte genossenschaftliche Arbeit zu verzeichnen. Ungenügende Leitungstätigkeit der Vorsitzenden und der Genossenschaftsvorstände, Rückstände in der Bewusstseinsentwicklung, der Einfluss ehemaliger Großbauern sowie der Einfluss der politisch-ideologischen Diversion7 (Westrundfunk und Fernsehen) beeinflussen nicht unwesentlich die gesamte Situation in diesen LPG und wirkten sich auf die Produktionsorganisation, die landwirtschaftliche Marktproduktion und die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse aus. In der genannten LPG Typ I Mittelbach versuchen einzelne Mitglieder noch immer, ihre Flächen weiter individuell zu bewirtschaften. Die Genossenschaftsmitglieder der LPG Typ I Gottschdorf versuchen, der genossenschaftlichen Bearbeitung von Futterflächen entgegenzuwirken. In dieser LPG will man die Plankennziffern 1966 nicht anerkennen, weil die LPG Typ III des Ortes angeblich »zu niedrige Kennziffern« bekommen hätte.
Die Entwicklung zwischengenossenschaftlicher Kooperationsbeziehungen ist unterschiedlich und befriedigt im Kreismaßstab noch nicht. Neben einigen positiven Beispielen gab es in der Vergangenheit insbesondere unter der LPG Typ I eine Vielzahl von Bestrebungen gegen die Bildung von Kooperationsgemeinschaften. So lehnten die Mitglieder der LPG Typ I Steina eine Kooperationsgemeinschaft mit der LPG Typ III trotz mehrerer Aussprachen ab. Gleiche Verhältnisse sind in den LPG Typ I Weißbach, Ralbitz, Piskowitz, Rosenthal, Zerna, Großnaundorf, Schmerlitz, Friedersdorf und Schönbach anzutreffen. Ein immer wieder geäußertes Argument gegen die Bildung von Kooperationsgemeinschaften ist, dass dies nur eine Maßnahme des Staates sei, um die LPG in ihrer Selbständigkeit einzuschränken. In der LPG Typ I Ralbitz versuchen großbäuerliche Elemente die Bildung einer Kooperationsgemeinschaft zu hintertreiben.
In den LPG Typ I gibt es Tendenzen, die Entwicklung genossenschaftlicher Viehbestände abzulehnen. Die Diskussionen um den Aufbau genossenschaftlicher Viehbestände beinhalten oftmals Forderungen nach umfangreichen Stallneubauten. Es wird stets zum Ausdruck gebracht, der Staat stelle der Landwirtschaft zu wenig Baukapazität zur Verfügung, obwohl von den LPG eine immer höhere tierische Marktproduktion verlangt würde. Dabei verweist man auf die auf mehrere kleine Stallungen aufgeteilten Viehbestände und auf die Ablehnung von Erweiterungs- bzw. Neubauten als Voraussetzung für die Steigerung der tierischen Marktproduktion.
In der Vergangenheit haben auch die Verschiebung von Bauterminen und die verspätete Fertigstellung von Projekten zu einer gewissen Verärgerung in den LPG geführt.
Die Viehverluste sind gegenüber 1964 im Kreis Kamenz angestiegen. Einen absoluten Schwerpunkt bilden Verendungen von Schweinen im VEG Koitzsch, wo allein über 50 % aller Verendungen von Schweinen im Kreis Kamenz eintraten. Begründet wird dieser Zustand damit, dass die einzustellenden Läufer8 aus einer Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe kämen, unterschiedlich entwickelt seien und die Futterumstellung nicht vertragen würden.
Unter den Genossenschaftsbauern der LPG Typ I im Kreis Kamenz traten in der letzten Zeit stärkere Diskussionen über die neuen Preisregelungen für den Aufkauf von Schlachtschweinen auf. In diesen LPG mit meist individueller Viehhaltung besteht die Meinung, die neue Preisregelung benachteilige die »kleinen Betriebe«. Größere LPG könnten meist mit einem Mal mehrere Tiere abliefern, so dass dann ein Durchschnittsgewicht berechnet werde und auch der Höchstpreis erzielt werden könnte. In kleineren Betrieben bestände nur die Möglichkeit, die Tiere einzeln abzuliefern. Aus der oft komplizierten Situation, dass die Tiere nicht zum geeigneten Zeitpunkt, z. B. wegen Überfüllung der Schlachthöfe, vom VEAB abgeholt werden, ergebe sich, dass die Tiere mit Unter- bzw. Übergewicht abgeliefert werden müssten. Damit könnten sie dann aber nicht mehr Höchstpreise erzielen. (Diskussionen in den LPG Typ I Gelenau, Steina, Hausdorf).
Die Problematik der Arbeitszeitverkürzung und der Einführung eines arbeitsfreien Sonnabends in jeder zweiten Woche in der Landwirtschaft ist besonders nach dem 11. Plenum im Kreis Kamenz diskutiert worden.9 Allgemein ist die Auffassung verbreitet, diese Maßnahmen werden nur für die Industriearbeiter von Nutzen sein. Es wird in Zweifel gestellt, dass diese Maßnahmen in der Landwirtschaft garantiert bzw. eingeführt werden können. Dabei wird besonders stark auf die Gewinnung des jugendlichen Nachwuchses unter den neuen Bedingungen der Arbeitszeitregelung hingewiesen. Andererseits gibt es Meinungen, dass selbst bei einer formalen Lösung die zu bewältigenden Arbeiten durchzuführen sind und daher eine noch größere Anzahl Überstunden geleistet werden müssten (VEG Jesau).