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Gescheiterte Fahnenflucht mit Lkw in Berlin

25. Oktober 1966
Einzelinformation Nr. 805/66 über eine verhinderte Fahnenflucht mittels Lkw an der GÜST Friedrich-/Zimmerstraße am 24.10.1966

Am 24.10.1966 gegen 1.30 Uhr versuchte der Gruppenführer Unteroffizier [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1946 in Aschersleben, wohnhaft: Hangelsberg, [Kreis] Fürstenwalde, [Straße, Nr.], NVA seit 2.11.1965, Berufssoldat, Ausbilder im UAR Drögeheide,1 mit einem entwendeten Lieferwagen vom Typ »Granit« an der GÜST Friedrich-/Zimmerstraße die Staatsgrenze nach Westberlin zu durchbrechen.

Die bisher geführten Untersuchungen ergaben:

[Name 1] erhielt für die Zeit vom 21. bis 24.10.1966 Wochenendurlaub nach seinem Heimatort Hangelsberg, [Kreis] Fürstenwalde. Da er seine Eltern nicht antraf, begab er sich zunächst, nachdem er vorher Zivilkleidung angezogen und mehrere Sicherheitsschlüssel seines Vaters entwendet hatte, zu seinem Freund [Name 2, Vorname] in Buchholz, [Kreis] Fürstenwalde. Anschließend suchte er seine Schwester [Name 3, Vorname] in Hangelsberg auf, wo er sich in der Zeit vom 22. bis zum Abend des 23.10.1966 aufhielt. (Diesen Personen hat er nach seinen bisherigen Aussagen keine Mitteilung über die beabsichtigte Fahnenflucht gemacht.)

Anschließend begab er sich nach Berlin in die Mauerstraße, wo er auf dem Parkplatz den dort abgestellten Lieferwagen des VEB Großbäckerei Berlin, Typ »Granit«, polizeiliches Kennzeichen IF – 25 – 37, mit Hilfe der zu diesem Zweck von seinem Vater entwendeten Sicherheitsschlüssel aufbrach.

[Name 1] fuhr mit diesem Fahrzeug durch die Friedrichstraße in Richtung GÜST. Unmittelbar vor dem ersten Schlagbaum (Posten 7) erhöhte er die Geschwindigkeit. Infolge des Aufpralls auf den Schlagbaum geriet das Fahrzeug ins Schleudern und kam auf die linke Fahrbahnseite ab.

Unmittelbar nach Durchbrechen des Schlagbaumes gab der auf Höhe der Ausreise-Baracke befindliche Passkontrolleur einen gezielten Schuss auf das ihm entwendete Fahrzeug ab. [Name 1] suchte daraufhin unter dem Lenkrad Deckung und verlor dadurch die Gewalt über das Fahrzeug.

Die Alarmauslösung erfolgte unmittelbar nach Durchbrechen des Schlagbaumes, so dass sich alle Sicherungskräfte auf den im Alarmfall vorgesehenen Posten befanden.

[Name 1] leistete bei der anschließenden Festnahme keinen Widerstand.

Zur Person:

[Name 1] entstammt einer Angestelltenfamilie. Sein Vater ist Instrukteur beim VEB Kinderbuch-Verlag. Im Elternhaus wurde er nach eigenen Aussagen streng erzogen, er erhielt oftmals Schläge und andere Strafen. Er besuchte die Grundschule bis zur 8. Klasse. 1962 nahm er im VEB Heinersdorf die Lehre als Agrotechniker auf, beendete sie jedoch aufgrund von Unlust und undisziplinarischem Verhalten ohne Facharbeiterabschluss.

Am 2.11.1965 wurde er Angehöriger der NVA, wo er sich als Berufssoldat auf zehn Jahre verpflichtete. Seit August 1966 zeigte er jedoch starke Unlust in der Dienstdurchführung. Nach seinen Angaben fühlte er sich aufgrund von wiederholten Disziplinarstrafen wegen Befehlsverweigerung und Ausgangsüberschreitung (insgesamt vier Disziplinarstrafen) benachteiligt. Seit diesem Zeitpunkt will er sich auch mit Selbstmord- bzw. Fahnenfluchtabsichten getragen haben. Durch die Androhung einer erneuten Arreststrafe von zehn Tagen wegen Ausgangsüberschreitung, will er den Entschluss zur Fahnenflucht mittels Kfz gefasst haben.

Weitere Untersuchungen über die näheren Ursachen und Motive sowie die weiteren Zusammenhänge der verhinderten Fahnenflucht werden durch das MfS geführt.

  1. Zum nächsten Dokument NVA-Angehörigen kontaktieren Westberliner Beamte und Zivilisten

    26. Oktober 1966
    Einzelinformation Nr. 703/66 über Kontaktaufnahmen von NVA-Angehörigen des Sicherungskommandos des 33. GR, 1. Brigade der Stadtkommandantur Berlin, und der Grenzkompanie Buttlar, GR Dermbach zu Angehörigen der Westberliner Polizei, des Zolls und Westberliner Zivilpersonen bzw. zu Angehörigen des westzonalen BGS, des Zolls und zu westdeutschen Zivilpersonen

  2. Zum vorherigen Dokument Einreise von US-Bürgern mit neuen Personalausweisen (2)

    22. Oktober 1966
    Einzelinformation Nr. 798/66 über die Ein- und Ausreise von US-Diplomaten