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Getrennte Generalsynode der EKD (2)

18. März 1966
Einzelinformation Nr. 219/66 über die Generalsynode der Evangelischen Kirche in Deutschland

In Ergänzung unserer Einzelinformation Nr. 215/66 wurde dem MfS über den Verlauf der Teilsynode Potsdam-Babelsberg Folgendes bekannt:1

In der letzten Sitzung der Arbeitstagung der Teilsynode am 16.3.1966 wurden die Ergebnisse der Diskussion der während der Tagung gebildeten Ausschüsse zusammengefasst.

Der Synodale Wätzel,2 der für den Ausschuss zur Behandlung der »Handreichung für Wehrpflichtige« sprach, betonte u. a., die Seelsorge an den Wehrpflichtigen sei Pflicht der Kirche und der Pfarrer, wobei die »Handreichung« einen Beitrag dazu leisten würde.3 Die »Handreichung« würde als ein positiver Beitrag zum »Friedensdienst« der Kirche gewertet.

Für den Ausschuss zur Behandlung der »Denkschrift für Vertriebene«4 sprach der Synodale Superintendent Steinlein.5 Er erklärte, dass die Gesamttendenz der »Denkschrift« von den Synodalen bejaht werde.

Die offizielle Eröffnung der Teilsynode Potsdam-Babelsberg am 16.3.1966 erfolgte durch Präses Figur.6 Figur führte bei der Eröffnung aus, dass die Welt durch den Krieg in Vietnam,7 durch den Konflikt der schwarzen und weißen Rasse in Afrika8 und durch den Hunger in der Welt beunruhigt sei. Er wies weiter auf »tiefe Risse in den beiden großen Machtblöcken« hin, was für das westliche Lager genauso zutreffe wie für den Konflikt Moskau – Peking.9 Im Gegensatz dazu würden sich die Kirchen ständig näherkommen.

In dem vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz in der DDR Krummacher10 vorgetragenen Bericht des Rates der EKD wurde u. a. Folgendes hervorgehoben:

Es wäre notwendig, eine »unaufschiebbare«11 Einheit und Gemeinschaft der EKD herzustellen, wobei diese Einheit aber so zu verstehen sei, dass jede Kirche unter den entsprechenden gesellschaftlichen Verhältnissen eigene Beschlüsse fassen könne. Bei der Behandlung der »zentralen Probleme« der Kirche erklärte Krummacher, die »Raumfrage« in den neuen Industriegebieten sei problematisch.12 In einem diesbezüglichen Gespräch habe sich Staatssekretär Seigewasser13 zwar aufmerksam die »Sorgen« der Kirche vortragen lassen. Es sei aber noch nicht erreicht, dass die Kirche in den neuen Zentren zum Zuge käme. Weitere »ernste Fragen« für die Seelsorge würden sich aus der Fünftagewoche ergeben.14 Die Seelsorger sollten besonders an den arbeitsfreien Sonnabenden ihre Türen offenhalten. Krummacher informierte, dass bei der Kassierung der Kirchensteuern ein Rückgang festzustellen sei. Besonders die jugendlichen Christen seien im Zahlen und Opfern sehr säumig. Bei den kirchlichen landwirtschaftlichen Betrieben sei endlich eine Art Gleichstellung zur sozialistischen Landwirtschaft vorhanden. Dies sei durch lange Verhandlungen zwischen Vizepräses Woelke/Greifswald15 und dem Staatsapparat erreicht worden.16

Im Zusammenhang mit der Wahl Scharfs17 zum Bischof erklärte Krummacher, er könne nicht die Hoffnung aufgeben, dass noch vorhandene Schwierigkeiten, die für den Vorsitzenden der EKD Scharf bestünden, überwunden würden. Im ökumenischen Zeitalter könne man nicht »so eng denken« und die Gemeinschaft der Kirche durch Staatsgrenzen begrenzen. Es wäre für die Kirche auch schwer einzusehen, warum der Begriff »Evangelische Kirche in Deutschland« beanstandet werde, während den Brüdern in den Freikirchen keine Schwierigkeiten bereitet würden. So könnten die Methodistenkirche und die Altkatholische Kirche eine über die Staatsgrenze hinausgehende Gemeinschaft unter einem Bischof in Deutschland praktizieren. Obwohl der Bischof der Methodistenkirche Wunderlich18 seinen Sitz in Frankfurt habe, gehe er bei Staatssekretär Seigewasser ein und aus. Es wäre richtiger, in einer Zeit, wo die gesamtdeutsche Arbeit im Vordergrund stünde, die Tätigkeit der EKD nicht zu behindern, dann könnte auch sie ihren Beitrag zur gesamtdeutschen Verständigung leisten.

Krummacher zitierte weiter aus dem Rechenschaftsbericht19 von Bischof Scharf. Danach werde die »Kammer für öffentliche Verantwortung«20 zum Thema »Friedenssicherung und Kriegsverhütung« eine neue Denkschrift ausarbeiten, in der die Möglichkeit des Friedens und der Wiedervereinigung untersucht werden solle.21 Die EKD habe im Herbst 1965 damit begonnen, die »Phase der Unsicherheit« nach 15 Jahren zu überwinden, wobei an die Synoden von Weißensee (1950) und Elbingerode (1951) angeknüpft werden solle.22

Die Denkschrift der EKD »Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn« bezeichnete Krummacher als einen der »bewegendsten Dienste der Versöhnung«, wobei diese Hand auch von den Katholiken des polnischen Nachbarvolkes aufgegriffen worden sei. Die Evangelische Kirche habe es bewegt, dass polnische katholische Bischöfe angefochten worden seien, weil sie mit der 5. Bitte des Vaterunsers »ernst gemacht« hätten.23

Zu Fragen der Wehrpflicht erklärte Krummacher, die Kirche würde es »innerlich treffen«, dass junge Menschen zu unbändigem Hass gegen den Feind erzogen würden. »Bei aller Würdigung der Tatsache, dass in dieser noch immer von Unfrieden und Kriegsgefahr bedrohten Welt ein Staat nicht ohne eine Armee auskommen kann, steht doch die bewusste Erziehung zum Hass, die sich auch auf junge Christen erstreckt, für die christliche Kirche in einem unausweichlichen Gegensatz zu ihren Geboten«, führte Krummacher aus.

Die Kirche sei auch vor weiteren Fragen der Verantwortung gestellt worden. Dabei nannte Krummacher die »geistige Auseinandersetzung mit dem Menschenbild des Marxismus«24 und neuere Arbeiten der marxistischen Religionssoziologen. Zu diesen Fragen müsse die Arbeit der gesamtkirchlichen Forschungsstellen unter Leitung von Präsident Hildebrandt25 in der Arbeitsgemeinschaft »Kirche und Welt«26 forciert werden.

Zum Abschluss seiner Ausführungen wies Krummacher auf eine »unbekannte Zukunft« hin, in die die Kirche in dieser gefährdeten Welt in Verantwortung und Hoffnung hineinzuschreiten habe.

In einem Bericht von Bischof Noth/Dresden27 zum Thema »Die Evangelische Kirche im ökumenischen Spannungsfeld« wurden innerkirchliche Spannungen in der Ökumene angedeutet. Noth stellte die Frage, inwieweit die Ökumene überhaupt das Recht zur Verantwortung in der Öffentlichkeit habe. Diese Aufgabe verlange eine hohe Sachkenntnis; der Theologe könne nicht wie ein Politiker auftreten.

Bischof Beste/Schwerin28 gab im weiteren Verlauf der Synode Potsdam-Babelsberg die Begründung zum Gesetz über die Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Rates der EKD.29 Darin heißt es, bei dem gegenwärtigen Zustand der Teilung der EKD habe sich die Zahl der Mitglieder als zu gering erwiesen. Bei Verhinderung einzelner Mitglieder könnten Sitzungen sowohl in Westdeutschland als auch in der DDR stark gefährdet sein. Bis zum Zeitpunkt der Neubildung des Rates der EKD 1967 solle der Rat in der zahlenmäßigen Erweiterung bereits bestehen. Man müsse mehr Mut zur Beweglichkeit haben, ohne dass der Grundsatzcharakter verändert werde.

Den Ausführungen von Bischof Beste war eine Beratung im Rechtsausschuss der Synode unter Leitung von Dr. Thiele/Magdeburg30 vorausgegangen. Bereits während der Ausschusssitzungen hatten sich die Landeskirchen Sachsen, Thüringen und Anhalt gegen diese Vorlage ausgesprochen. Die Abstimmung ergab drei Stimmen für die Vorlage, fünf Gegenstimmen und eine Enthaltung von Bischof Fränkel.31

Dem MfS wurde in diesem Zusammenhang bekannt, dass nach Meinung der Leitung der Teilsynode in Potsdam-Babelsberg bei Ablehnung der Gesetzesvorlage eine »unmögliche« und ratlose Situation entstehe. Zunächst bestand Einigkeit, dass bei einer Ablehnung des Gesetzes keine zweite Lesung erfolgen solle. Der ganze Vorgang solle dann nicht mehr erwähnt werden, damit sich die Landeskirchen in der DDR vor den westdeutschen Landeskirchen keine »Blöße« geben.

Präses Rautenberg32 gab einen Bericht über die von der »Kammer für soziale Ordnung« erarbeitete Denkschrift »Die Neuordnung der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland – als gesellschaftliche Aufgabe«.33 Er erläuterte, die Neuordnung der Landwirtschaft in der DDR sei völlig anders als in der Bundesrepublik; der Kirche ginge es aber um das gemeinsame ethische Anliegen des gesamten deutschen Bauerntums. Es müsse daran gedacht werden, eine Denkschrift oder Studie zu erarbeiten, die beinhaltet, ob sich die Umgestaltung der Landwirtschaft der DDR negativ oder positiv auf das kirchliche Leben auswirke.

Diese Ausführungen wurden von Präses Kreyssig/Berlin34 inhaltlich unterstützt. Er erweiterte, dass man bei diesem Thema nicht nur die Landwirtschaft, sondern die »gesamte Struktur« beachten müsse. Der Rat der EKU würde sich bereits damit beschäftigen.

Präses Mager/Dresden35 erläuterte, hinsichtlich der Erarbeitung einer Denkschrift für das Gebiet der Landwirtschaft der DDR habe bereits eine Beratung in Berlin stattgefunden.

Bischof Krummacher erwiderte auf entsprechende weitere Fragen, es würden zwar ständige gemeinsame Beratungen der EKD erfolgen, es müssten jedoch immer wieder aufgrund des unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Aspekts eigene unabhängige Entscheidungen getroffen werden.

Am 17.3.1966 begann die erste öffentliche Sitzung der Teilsynode Potsdam-Babelsberg. Die Öffentlichkeit war jedoch lediglich zum Bericht des Legitimationsausschusses und zu den Grußbotschaften (u. a. Grußbotschaft von Prof. Heinrich Vogel/Westberlin)36 zugelassen.

Die Synode stand am 17.3.1966 in der Hauptsache im Zeichen der 1. Lesung zum Gesetz über die Erhöhung der Zahl der Ratsmitglieder der EKD.

Der Bericht des Rechtsausschusses über die Diskussionen zum Kirchengesetz wurde von Präsident Dr. Thiele/Magdeburg erstattet. Darin wurde hervorgehoben, dass bisher kein einmütiges Votum im Rechtsausschuss erzielt worden sei. Bei der Abstimmung der Gesetzesvorlage stimmten zehn Synodale dafür, elf dagegen und vier enthielten sich der Stimme, sodass das Kirchengesetz auf der Teilsynode in Potsdam-Babelsberg nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhielt. Unter den Gegenstimmen befanden sich hauptsächlich die Vertreter der Landeskirchen Thüringen und Sachsen.

In der anschließenden Diskussion bemühte sich Bischof Krummacher/Greifswald, die Synodalen zu beeinflussen, der Vorlage unter allen Umständen zuzustimmen, da man auch von praktischen Erwägungen ausgehen müsse. Nach den zurzeit gültigen Kirchengesetzen könne der Vorlage zugestimmt werden, da die abgegebenen Stimmen der beiden Teilsynoden zusammengerechnet würden.

Am 18.3.1966 soll eine zweite Lesung zum Gesetz über die Erhöhung der Zahl der Ratsmitglieder durchgeführt werden.

Intern wurde dem MfS bekannt, dass Konsistorialrat Stolpe37 in vertraulichen individuellen Gesprächen folgende Meinung vertrat:

Die Gründe für die Abstimmung gegen das Kirchengesetz bestünden darin, dass besonders von Bischof Fränkel/Görlitz hartnäckig die Meinung vertreten werde, eine Erhöhung der Zahl der Ratsmitglieder in der DDR von drei auf fünf bringe die Gefahr mit sich, es könne hier zu einem separaten Rat der EKD kommen. Dieser fünfköpfige Rat würde nach Ansicht von Fränkel ein ziemlich repräsentatives Präsidium für die Konferenz der Kirchenleitung abgeben, obwohl das Gremium bereits jetzt schon ein von der EKD unabhängiges, allein für die DDR geschaffenes Organ darstelle, mit dem Fränkel nicht einverstanden sei.

Besonders Krummacher und Stolpe ginge es aber darum, durch die Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Rates mehr Vollmachten, Freiheit und Unabhängigkeit für die Landeskirchen der DDR zu gewinnen, was angeblich auch den staatlichen Interessen der DDR entsprechen würde.

Die Landeskirche Thüringen vertrete zum neuen Kirchengesetz die Ansicht, es sei nicht notwendig, einen bereits schon funktionsuntüchtigen Rat noch zu erweitern. Deshalb bestehe seitens der Landeskirche Thüringen an diesem Gesetz kein Interesse.

Als vorgesehene zusätzliche Mitglieder für den Rat aus dem Gebiet der DDR nannte Stolpe Oberkirchenrat Braecklein/Thüringen38 und Generalsuperintendent Schönherr/Berlin-Brandenburg.39 Beide Kandidaten würden nach Ansicht von Stolpe aber kein sonderliches Interesse für die Funktion zeigen; sie wollten sich angeblich nicht gern in eine »bankrotte Angelegenheit« setzen.

Weiter äußerte Konsistorialrat Stolpe in internen Gesprächen mit anderen Synodalen zur Handreichung über die »Seelsorge an Wehrpflichtigen«: er habe selbst dem Gremium zur Ausarbeitung der Handreichung angehört und habe versucht, gewisse »Milderung« in den Formulierungen zu erreichen. Dies sei aber sehr schwierig gewesen, weil Bischof Jänicke40 an seiner ausgesprochen pazifistischen Haltung festgehalten habe. Dagegen seien auch die Vertreter der Landeskirche Sachsen in diesem Arbeitskreis in ihren Formulierungen sehr vorsichtig gewesen. Sie hätten eine Herausstellung der Pazifisten abgelehnt und eine eigene schriftliche Ausarbeitung des Oberkirchenrates von Brück41 eingebracht, in der sie die Aufhebung einiger »schärferer Formulierungen« forderten. Bischof Noth habe sich allerdings später auf der Bischofskonferenz durch Bischof Jänicke wieder umstimmen lassen.

Stolpe führte weiter aus, die Diskussion über die Handreichung zur Seelsorge an Wehrpflichtigen würden unter größter Verschwiegenheit geführt. Es würde hierzu keinerlei Beschlussfassung geben. Das Gespräch mit Paul42 und Waldemar Verner43 und kirchlichen Vertretern über diese Fragen sei in der Öffentlichkeit nicht bekanntgegeben worden, und es sei auch nicht beabsichtigt, der Synode davon Mitteilung zu machen.

Über den bisherigen Verlauf der Teilsynode in Westberlin wurden inzwischen nähere Einzelheiten bekannt. (Auf die Wiedergabe der Vorgänge und »Argumentationen« über die die Westberliner Presse bereits berichtete, wird in dieser Information verzichtet.)44

Bekanntlich war die Teilsynode in Westberlin am Abend des 13.3.1966 mit einer Plenarsitzung, auf der Bischof Scharf seinen Bericht gab, eröffnet worden.

Scharf teilte als erstes mit, dass Bischof Kunst45 sein Amt als Militärbischof niedergelegt habe und sich nur noch den »Seelsorgeobliegenheiten« der Bonner Regierung widmen werde. Der Rat der EKD respektiere die Gründe, die Bischof Kunst für seinen Entschluss genannt habe; die Arbeit als »Bevollmächtigter der EKD am Sitz der Bundesregierung am Parlament« würde seine ganze Kraft erfordern.

Scharf ging dann auf die Frage der Bedeutung des Wehrdienstes und der Wehrdienstverweigerung für die Kirche unter dem Begriff des »Kirchlichen Friedensdienstes« ein. Er erklärte, die Kirche sei verpflichtet, dem Wehrdienst und der Wehrdienstverweigerung gleichermaßen Bedeutung beizumessen.

Wie Scharf weiter ausführte, wurde die »Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD« beauftragt, unter dem Arbeitstitel »Friedenssicherung und Kriegsverhinderung« eine neue Denkschrift auszuarbeiten, deren Untertitel »Dienst der Kirche für Frieden unter den Völkern und für die Wiedervereinigung des deutschen Volkes« lauten soll.46 (Vorsitzender der »Kammer für Öffentliche Verantwortung« ist Prof. Ludwig Raiser.47 Diese »Kammer« hatte bereits 1965 die Denkschrift »Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen Nachbarn« ausgearbeitet.) Für die Denkschrift »Friedenssicherung und Kriegsverhinderung« soll das Material aller bisherigen Synoden zu diesem Problem, besonders der Synode der Evangelischen Kirche der Union, verarbeitet werden. Unter diesen Materialien befindet sich auch ein Vorschlag zur Bildung eines »Unabhängigen Gesamtdeutschen Rates«, der – nach den Ausführungen Scharfs – den Regierungen beider deutscher Staaten bereits unterbreitet worden sei.48 Inwieweit dieser Vorschlag in die Denkschrift aufgenommen würde, sei noch nicht klar.

Bischof Scharf erläuterte weiter, durch den Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Dr. Schiotz/Genf,49 und durch Mitglieder der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten beim Weltkirchenrat in Genf50– die sich zurzeit auch in der DDR zum Besuch mehrerer Kirchen sowie zur Teilnahme an der Teilsynode in Potsdam-Babelsberg aufhalten – sei angeregt worden, bei der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten in Genf (CCIA) ein »Deutsches Nationalkomitee« zu gründen. Die Bildung eines »Deutschen Nationalkomitees« sei bereits auf der Frankfurter Synode im November 1965 beschlossen worden;51 das Komitee werde seit Dezember 1965 gebildet, sei aber bisher noch nicht vollständig besetzt. (Nähere Angaben dazu wurden nicht gemacht.)

Weiter führte Scharf aus, die theologisch-konfessionelle Diskussion zwischen beiden großen Kirchen in Deutschland solle weitergeführt werden, wobei die leitenden Instanzen der beiden Kirchen auch die Funktion des politischen Dienstes der Kirche in die Erörterung mit einbezogen hätten. Nach Ostern solle das erste Treffen zwischen den Vertretern des Rates der EKD und Mitgliedern der Fuldaer Bischofskonferenz in Fulda stattfinden, in dessen Verlauf die Thematik für weitere Besprechungen festgelegt würde.52

In dem Referat von Prof. Dr. Schlink53 zum Thema »Die Evangelische Kirche im ökumenischen Spannungsfeld« wurde in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass zwischen der EKD und der Fuldaer Bischofskonferenz auch Fachkommissionen gegründet werden sollen und dass ein gemeinsamer caritativer Einsatz vorgesehen sei. (Der katholische Weihbischof von Paderborn Nordhues54 nimmt an der Teilsynode in Westberlin teil.)

Im weiteren Verlauf der Teilsynode in Westberlin brachte Dr. Heinemann55 am 14.3.1966 einen Gesetzentwurf ein, wonach der Rat der EKD von zwölf auf 15 Mitglieder erhöht werden soll, um trotz Teilung der EKD den Anforderungen gerecht zu werden. Durch diesen Gesetzentwurf wird der Artikel 30 der Grundordnung der EKD geändert. Die Wahl der zusätzlichen Ratsmitglieder soll auf der nächsten Synode der EKD vorgenommen werden.56

Prof. Theologe Vogel/Westberlin führte aus, die Prager Christliche Friedenskonferenz (PCF)57 sei ein Instrument zur Annäherung der Kirchen, sie sei das Verbindungsglied zur Orthodoxie. Bischof Lilje58 erwiderte darauf, die Europäische Kirchenkonferenz59 sei im Unterschied zur PCF ein Zusammenschluss offizieller Kirchen und deshalb wichtiger als die PCF.

Bischof Scharf erklärte in diesem Zusammenhang, dass er ein Gespräch zwischen dem Rat der EKD und der PCF befürworte; er würde als Vorsitzender der EKD daran festhalten, mit Vertretern der PCF ins Gespräch zu kommen. Er warte jetzt nur noch auf einen Termin aus Prag.

Die Plenarsitzung der Teilsynode der EKD in Berlin-Spandau am 16.3.1966 stand unter dem Thema »Vertreibung und Versöhnung« und behandelte ausschließlich die »Vertriebenen-Denkschrift«. In vier Referaten wurden die theologischen, historischen, völkerrechtlichen und sozialen Fragen der Denkschrift behandelt.

  • (Kirchenpräsident D. Wolfgang Sucker/Hessen:60 »Die Lage der Vertriebenen in Gesellschaft und Kirche«;

  • Theologe Prof. Dr. Dr. Hans-Walter Krumwiede:61 »Theologisch-ethische Fragen zur Vertreibung und Versöhnung«;

  • Prof. Karl Dietrich Erdmann/Kiel:62 »Deutschland und der Osten zur historischen Einschätzung der gegenwärtigen Lage«;

  • Minister a. D. Ludwig Metzger:63 »Völkerrechtliche Fragen zur Vertreibung und Versöhnung.«)

In der anschließenden Diskussion wurde den Ausführungen der Referenten und dem Inhalt der Denkschrift der EKD »Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn« von allen Rednern zugestimmt. (Einzelheiten über die Diskussion zur Denkschrift wurden in westlichen Pressemeldungen erörtert.)64

Der Vorsitzende der »Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD« Prof. Raiser erklärte, u. a., dass mit Rücksicht auf die »Vertriebenen-Verbände« nicht an eine Meinungsumfrage zur Denkschrift gedacht sei. Ein Gespräch mit den »Vertriebenen-Verbänden« auf höchster Ebene sei eingeleitet, habe aber aus »technischen Gründen« bisher nicht stattgefunden. Beide Seiten würden vorher Listen der für das Gespräch benannten Personen austauschen. Weder vor der Abfassung der Denkschrift noch nach ihrer Veröffentlichung habe es Kontakte zur katholischen Kirche gegeben. Nach Abschluss des Konzils sei aber die Aufnahme derartiger Gespräche anlässlich einer Begegnung zwischen dem Rat der EKD und der Fuldaer Bischofskonferenz vorgesehen. (Die am 16.3.1966 vor der Synode Berlin-Spandau gehaltenen vier Referate liegen dem MfS im Wortlaut vor und können bei Bedarf angefordert werden.)65

Wie ferner bekannt wurde, sind im Tagungsraum der Synode in Westberlin (Spandau) gegen die DDR gerichtete Plakate (Mauer mit Stacheldraht und entsprechenden Losungen) angebracht. Die Plakate wurden vom »Arbeitskreis für kirchliche Werbung Westfalen«66 zur Verfügung gestellt.

Diese Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quelle nicht publizistisch ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Verpuffung im Kesselhaus des ZK der SED Berlin

    18. März 1966
    Einzelinformation Nr. 220/66 über eine Verpuffung im Kesselhaus des ZK der SED Berlin, Am Werderschen Markt

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    17. März 1966
    Einzelinformation Nr. 217/66 über Kontaktaufnahme von NVA-Angehörigen der Grenzkompanie Marienborn zu Angehörigen des westzonalen Zollgrenzdienstes