Getrennte Generalsynode der EKD (3)
22. März 1966
Einzelinformation Nr. 230/66 über die Generalsynode der Evangelischen Kirche in Deutschland
In Ergänzung unserer Einzelinformation Nr. 215/66 und 219/66 wurden weitere Einzelheiten zum Verlauf der Generalsynode bekannt.
Am 18.3.1966, dem letzten Beratungstag der Synode, wurde in der Teilsynode Potsdam-Babelsberg1 die zweite Lesung des Kirchengesetzes über die Erhöhung der Zahl der Ratsmitglieder durchgeführt.2 Der Vorsitzende des Rechtsausschusses Präsident Thiele3 betonte dabei in seinem Bericht, der Rechtsausschuss habe nochmals festgestellt, dass gegen die Formulierungen keinerlei Bedenken bestünden.
In der nachfolgenden Abstimmung zur zweiten Lesung stimmten 22 Synodale für und sieben Synodale gegen das Kirchengesetz; sieben Synodale enthielten sich der Stimme. Gegen das Gesetz stimmten u. a. Rechtsanwalt Lotz/Eisenach,4 Oberkirchenrat von Brück/Dresden,5 Superintendent Klemm/Meißen,6 Dozent Nuschke/Leipzig,7 Oberkirchenrat Braecklein/Eisenach.8 Unter den Stimmenthaltungen befanden sich die Synodalen Dr. Appel/Moritzburg,9 der Evangelist Schubert-Herberholz/Karl-Marx-Stadt,10 Präsident Dr. Johannes/Dresden,11 Apotheker Plath/Ruhla,12 Superintendent Galley/Mecklenburg,13 Superintendent Zilz/Jena.14
Obwohl damit in der Teilsynode Potsdam-Babelsberg zum zweiten Mal nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde, gilt das Kirchengesetz als angenommen, da auf der Teilsynode Berlin-Spandau bei der Abstimmung die notwendige Stimmenmehrheit erzielt wurde. (Zur Gesamtbewertung werden die Abstimmungsergebnisse beider Teilsynoden zusammengerechnet.)
Dem MfS wurde in diesem Zusammenhang intern bekannt, dass leitende Personen der Evangelischen Kirche der DDR einschätzen, der Rat werde die Inkraftsetzung des Gesetzes hinauszögern, da keine Entscheidung gegen die Landeskirchen der DDR getroffen werden solle.
Nach einem durch Präsident Dr. Johannes/Dresden vorgetragenen Bericht des Haushaltsausschusses wurde die Annahme und Entlastung des Haushaltsrechnungsjahres 1965 und die Belegung des Haushaltsjahres 1966 vorgenommen. Für das Jahr 1966 umfasse der Haushaltsplan (Einnahmen und Ausgaben) 760 000 MDN. Außerdem würden im neuen Rechnungsjahr drei gesamtkirchliche Kollekten für die EKD erhoben.
Missionsdirektor Brennecke/Berlin15 gab im Auftrage des Themenausschusses bekannt, dass eine Vorlage über das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche und eine Vorlage zu ökumenischen Fragen erarbeitet worden sei.
Der Erklärung zum Vatikanischen Konzil,16 die im Wesentlichen die Annäherung beider Konfessionen beinhaltet, wurde auf beiden Teilsynoden zugestimmt. (Ein erstes Gespräch zwischen der EKD und der Fuldaer Bischofskonferenz17 ist für den 16.4.1966 in Fulda vorgesehen.)
Bischof Mitzenheim18 unterbreitete zur Vorlage über Fragen der Ökumene den Vorschlag, das Wort des Ökumenischen Rates zur Vietnamfrage19 in vollem Wortlaut in allen Ländern, auch in Westdeutschland, in den USA und in der Sowjetunion, in der Presse zu veröffentlichen, wobei er von Missionsdirektor Brennecke unterstützt wurde. Vom Berichtsausschuss wurde in diesem Zusammenhang die Erwartung ausgesprochen, dass die kirchliche Presse in der DDR ebenfalls den vollen Wortlaut dieser Erklärung veröffentlicht. (Die Ausarbeitung des Ökumenischen Rates der Kirchen zur Vietnamfrage wird in der Anlage beigefügt.)
Der Teilsynode Potsdam-Babelsberg wurde im weiteren Verlauf der Tagung vom Berichtsausschuss eine kurze Stellungnahme zum Rechenschaftsbericht Bischof Krummachers20 vorgelegt. Darin heißt es: »Wir verstehen die Einheit und Gemeinschaft der EKD als Gabe und Aufgabe, die alle unsere Kirchen in ihrem Dienst verpflichtet. Die vielfältigen Übereinstimmungen in den vorliegenden Berichten haben uns deutlich gemacht, dass – wenn auch unter jeweils verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen – die Bindung an das Evangelium zu übereinstimmenden Entschlüssen führt. Wir wissen uns auch darin einig, dass die Stellungnahmen der EKD in Fragen der öffentlichen Verantwortung als ein Dienst für Frieden und Versöhnung verstanden werden sollen.«
Zur Denkschrift der EKD zur Oder-Neiße-Grenze21 und zum Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen katholischen Bischöfen22 heißt es weiter in der Stellungnahme: »Wir sind sehr erschrocken darüber, dass in Publikationen und auch in staatlichen Verordnungsblättern der Hass immer wieder als pädagogische Aufgabe und als Ziel der Wehrerziehung gefordert wird. Hier entstehen für Christen schwere Gewissenskonflikte, die die Kirche vor ernste seelsorgerische Aufgaben stellt.
Wir befinden uns mit der Verkündung der Versöhnung und dem Nein zum Hass in Übereinstimmung mit den Verlautbarungen des Ökumenischen Rates der Kirchen in weltpolitischen Problemen.
Auch die allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen spricht davon, dass alle Menschen ›einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen‹ sollen.23 Wir begrüßen vor allem die Erklärung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen zum Vietnamproblem.«24
Während in der Teilsynode Berlin-Spandau die »Vertriebenen-Denkschrift« der EKD mit einer Stimmenthaltung ohne Gegenstimmen im vollen Wortlaut angenommen wurde, stimmten die Synodalen der Teilsynode Potsdam-Babelsberg einer eigenen Erklärung zur Denkschrift zu.25 (Wie bereits in den vorhergehenden Einzelinformationen berichtet wurde, waren dieser Erklärung Diskussionen vorausgegangen, in denen u. a. auf die unterschiedliche gesellschaftliche Stellung der »Vertriebenen« bzw. »Umsiedler« in Westdeutschland und in der DDR hingewiesen worden war.)
In dieser Erklärung heißt es u. a.: »Wir sind dankbar, dass unsere evangelische Kirche in nüchterner Offenheit und seelsorgerischer Verantwortung zu einer Lebensfrage unseres Volkes hilfreich gesprochen hat. Die Denkschrift nimmt die Nöte derer, die ihre Heimat verloren haben, ernst und weicht den Fragen nach Recht und Unrecht nicht aus; aber sie stellt alles unter das biblische Zeugnis von der Versöhnung. Dieses Zeugnis hat heilende, friedensstiftende und ordnende Kraft. Die Denkschrift ermutigt die Deutschen und ihre östlichen Nachbarvölker, in der Macht der fünften Bitte des Vaterunsers einander zu begegnen: Vergib uns unsere Schuld wie wir vergeben unseren Schuldigern.«26
In einem von Präses Figur27 gehaltenen Schlusswort zur Synode teilte er mit, dass die Synodalen aus Westdeutschland und Westberlin noch in diesem Jahr eine eigene Arbeitstagung durchführen würden. 1961 habe die letzte gemeinsame Zusammenkunft in Berlin-Spandau stattgefunden. Nach dem 13.8.1961 seien die Betheler Beschlüsse gefasst worden, die zwar immer noch umstritten seien, sich aber als praktisch erwiesen hätten.28 Figur verwies dabei auf die letzten Teilsynoden in Magdeburg und Frankfurt/Main 1965.29 Dort seien gemeinsame Rechtsakte vollzogen worden; mit der jetzigen Synode sei es ähnlich. Figur sprach dann den Personen, die in der Vorbereitung und Durchführung der Synode aktiv mitgewirkt hätten, seinen Dank aus. Dabei nannte er die Namen von Generalsuperintendent Lahr/Potsdam,30 Bischof Noth,31 Bischof Krummacher, Dr. Kühn/Leipzig,32 Präsident Hildebrandt33 und Bischof Jänicke.34
In der Teilsynode der EKD Berlin-Spandau wurde am letzten Beratungstag durch Landesbankdirektor Wachsmann/Oldenburg35 ein Bericht über die Tagung der Teilsynode Potsdam-Babelsberg gegeben. Darin wurde die »Einmütigkeit« zwischen den Teilsynoden Berlin-Spandau und Potsdam-Babelsberg hervorgehoben. Wachsmann führte aus, während der geschlossenen Arbeitstagung der Potsdamer Synode habe angeblich »Übereinstimmung« zum Inhalt der EKD-Denkschrift bestanden. Auch bei der Beurteilung des Zweiten Vatikanischen Konzils habe es volle Zustimmung gegeben. Durch die Anwesenheit des Generalsekretärs des Weltkirchenrates Visser’t Hooft36 und des Präsidenten des Lutherischen Weltbundes Dr. Schiotz37 sei die Gemeinsamkeit der Synode als ein Teil mit der ökumenischen Bewegung unterstrichen worden.
Im weiteren Verlauf der Plenartagung in Westberlin wurden die Entschließungen
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»Vertreibung und Versöhnung« (über die Denkschrift der EKD »Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn«)
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»Entschließung der Synode zum Zweiten Vatikanischen Konzil«
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»Vorlage des Ausschusses zu Fragen der Diakonie«
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»Bericht über Arbeit und Ergebnisse des Ausschusses zu den Tätigkeitsberichten«
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»Entschließung der in Berlin-Spandau versammelten Synode der EKD zu dem Konflikt in Vietnam«
einstimmig angenommen, bis auf die Stimmenthaltung von Dr. Epha/Schleswig-Holstein38 bei der Erklärung »Vertreibung und Versöhnung«.
Im Zusammenhang mit der Erklärung »Vertreibung und Versöhnung« wurden von Prof. D. Dr. von Dietze/39Evangelische Landeskirche Baden vorgeschlagen, das Referat von Kirchenpräsident Prof. Sucker40 über » Die Lage der Vertriebenen in Gesellschaft und Kirche« zu veröffentlichen und den Kirchengemeinden zugängig zu machen.
Prof. Raiser/41Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD betonte, die Synode habe mit ihren Beratungen über die Denkschrift der EKD die Kammer für Öffentliche Verantwortung aufgewertet.42 Er befürchte aber, dass die Öffentlichkeit auch an der jetzt vorgelegten Entschließung der Synode Kritik üben werde.
Prof. Vogel/Westberlin43 führte an, der Entschließungsantrag der Synode »Vertreibung und Versöhnung« sei zwar ein mühsam erarbeitetes Ergebnis, hätte aber doch etwas deutlicher und hilfreicher in den Aussagen sein können.
Ohne Aussprache wurde »Die Entschließung der in Berlin-Spandau vom 13. bis 18. März 1966 versammelten Mitglieder der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Konflikt in Vietnam« angenommen.
Bischof Lilje/Hannover44 hatte zuvor diese Entschließung kurz begründet und darauf hingewiesen, sie trage dem Wunsch vieler Synodaler Rechnung. Die Kirche dürfe zu dem furchtbaren Krieg in Vietnam nicht schweigen. Es wurde weiter darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung der Synode Berlin-Spandau jedoch keine Übernahme der Zwölf-Punkte-Erklärung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen bedeutet. (Die Entschließung wird in der Anlage 2 beigefügt.)
Diese Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quellen nicht publizistisch ausgewertet werden.
Anlage 1 zur Information Nr. 230/66
Vom Zentralausschuss angenommene Erklärung zu Vietnam
Ökumenischer Rat der Kirchen | Zentralausschuss Nr. 42 | Genf, Februar 1966
Als Mitglieder des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, der zurzeit in Genf/Schweiz, tagt, drücken wir unsere tiefe Teilnahme an der Tragödie von Vietnam aus. Diese Teilnahme wurde von vielen Mitgliedskirchen und beigeordneten Räten in der ganzen Welt ausgesprochen. Wir wissen um die Sehnsucht der Menschen nicht nur Südostasiens, sondern in der ganzen Welt nach Frieden. Hierin sind wir ein Teil der gesamten Menschheit. Aber wir glauben, dass wir als Vertreter Christlicher Kirchen einen noch tieferen Grund haben, für den Frieden zu sprechen und zu handeln. Wir glauben, dass wir den Frieden aufgrund des Evangelismus suchen müssen, wie er durch unseren Herrn gebracht und verkündet wurde. Als Vertreter einer weltweiten Gemeinschaft des Glaubens gedenken wir daran, dass wir als Kinder Gottes gesegnet werden, wenn wir als Friedensstifter handeln. Wir beten für den Frieden.
Gemeinsam mit allen Menschen guten Willens gedenken wir: an das Leiden eines Volkes, das bereits allzu lange gelitten hat, an die Verkehrung der menschlichen Möglichkeiten des Aufbaus zur Zerstörung, an die Gefahr der Steigerung eines weltweiten Konflikts, an die Feststellung, dass es keine internationale, vom Recht bestimmte Gemeinschaft oder auch nur eine ausreichende Verständigung darüber gibt. Diese unglücklichen Realitäten tragen zur Verstärkung des christlichen Auftrages bei. Darüber hinaus muss in diesem nuklearen Raumzeitalter das Streben nach Gerechtigkeit das Risiko eines katastrophalen Konfliktes in Rechnung stellen. Wir können jedoch nicht vergessen, dass Frieden die Frucht der Gerechtigkeit ist und im selben Maß dauerhaft oder unerträglich wird, wie er auf Gerechtigkeit und Freiheit gegründet ist. »Die Frucht aber der Gerechtigkeit wird gesät im Frieden denen, die Frieden halten.«45
In dieser Zeit zu schweigen wäre nicht zu verantworten. Wir sprechen auf dem Hintergrund einer Gemeinschaft von Christen, die von Jahr zu Jahr ihren weltweiten Charakter vertieft. Das Ziel unserer Worte ist jedoch nicht, ein Urteil zu fällen über das, was unsere gegenwärtige beschwörende Stellungnahme verursacht hat, denn alle sind in gleicher Weise unausweichlich beteiligt.
Sondern wir wollen mit aller Objektivität die Lage so betrachten wie sie jetzt ist, den Tatsachen aufrichtig ins Auge sehen und alles in unserer Macht Stehende tun, um dazu zu helfen, die Menschheit auf den Weg der Vernunft und der internationalen Weisheit zu bringen.
Die Leiter der Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten haben uns über ihre fortlaufende Tätigkeit, besonders seit der letzten Sitzung des Zentralausschusses in Enugu46 im Januar 1965 unterrichtet. Zahlreiche Nationale Räte haben gesprochen, ihre Ansichten miteinander ausgetauscht und Eingaben an ihre Regierungen gemacht. Wir stellen vor allem die fortlaufende Behandlung des Vietnamproblems durch den Nationalrat der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten von Amerika fest, die eine weitverbreitete Infragestellung der Vernünftigkeit und Richtigkeit der gegenwärtigen Politik der Vereinigten Staaten widerspiegelt und neue und glücklichere Wege sichtbar macht.
Die Konsultation in Bangkok Anfang Dezember 1965 offenbarte einen weiten Bereich der möglichen Haltung von Christen. Delegierte der Ostasiatischen Christlichen Konferenz und des Nationalrates der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten diskutierten miteinander die Punkte, in denen sich ihre Meinung unterschied, und in denen sie auf der Grundlage eines besseren gegenseitigen Verstehens übereinstimmten.47 Im Verlauf der vergangenen zwölf Monate haben die Leiter der KKIA direkt mit bestimmten Regierungen und den Vereinten Nationen Verbindung aufgenommen, um ihnen die Ansicht nationaler Kommissionen, regionaler Vertretungen und der Organe des Ökumenischen Rates der Kirchen vorzutragen.
Sie drängten besonders die Regierungen jenes Bereichs, ihre Dienste zu benutzen, um die beteiligten Parteien in Verhandlungen miteinander zu bringen. Die in den letzten Monaten von Papst Paul VI. herausgegebenen Aufrufe zum Frieden unterscheiden sich nicht wesentlich von denen, die der ÖRK im vergangenen Jahr veröffentlicht hat.48 Mögliche Wege der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Vorgehens vom Vatikan und Ökumenischen Rat sollen erkundet werden.
Das eigentliche Ziel muss sein, die Kämpfe zu beenden. Dies ist der wirkungsvollste Schritt, um Diskussionen und Verhandlungen zu beginnen. Dabei handelt es sich um keine leichte Aufgabe. Wir übersehen nicht die tiefgreifenden Hindernisse, die bisher den Fortschrift der Bewegung vom Schlachtfeld weg und an den Verhandlungstisch verhindert haben. Dies drängt umso mehr, da beide Seiten durch die Fortdauer des Konfliktes vor ernste Probleme gestellt werden – die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten einerseits erwartet eine Steigerung der tiefen rassischen Voreingenommenheiten gegen die Vereinigten Staaten und den Westen, die Vietnamesen andererseits erwartet ein ungeheurer Verlust an Menschen und Material. Der am Ende des Konflikts in Aussicht stehende Sieg rechtfertigt nicht die unumgänglichen Kosten.
Die Leiter der KKIA haben uns ihre Ansicht berichtet, dass die beste Möglichkeit, zu einer Übereinstimmung zu kommen, jetzt in dem Rückbezug auf die Teilnehmer und Ergebnisse der Genfer 14-Mächte-Konferenz49 von 1954 in dieser oder jener Form zu liegen scheint. Diese Möglichkeit wurde schon seit dem März 1965 vertreten, zusammen mit folgenden anderen: Rückbezug auf die Vereinten Nationen, wenn das auch den Nachteil hat, dass die Volksrepublik China hier keinen Sitz hat; Reaktionen auf die Initiativen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, der Gebrauch der ad hoc Repräsentation durch die Großmächte, insbesondere die UdSSR und GB, als ständige Zweite Vorsitzende der Genfer Konferenz. Wir ermutigen sehr zum Handeln in dieser Richtung.
Der Zentralausschuss hält daran fest, dass die Suche nach einer friedlichen Lösung unermüdlich verstärkt wird. Zu gleicher Zeit können wir die menschliche Tragödie in Vietnam nicht übersehen, die sich täglich neu ereignet, so lange die Kämpfe andauern.
Wir stellen die folgenden Zielpunkte heraus, die nach unserer Meinung so schnell wie möglich verwirklicht werden sollten, um beizutragen zu der Schaffung eines besonderen Klimas zur Aufnahme von Verhandlungen:
- 1.
Die Vereinigten Staaten und Südvietnam beenden die Bombardierung des Nordens und Nordvietnam beendet die militärische Infiltration in den Süden.
- 2.
Die Vereinigten Staaten geben sofort ihre Bereitschaft zum Rückzug ihrer Truppen bekannt, die stufenweise in Verbindung mit internationaler Aufsicht stehenden Vorkehrungen zur Erhaltung des Friedens stattfindet und nach dem Urteil einer internationalen Autorität als angemessen betrachtet wird.
- 3.
Alle Parteien erkennen die Notwendigkeit an, dass sowohl der Regierung in Südvietnam als auch der Nationalen Befreiungsfront (Vietcong)50 in einem noch zu bestimmenden Verhältnis zueinander ein Platz in den Verhandlungen zukommt. Vorbereitungen für die Verhandlung zwischen der Regierung von Südvietnam und der Nationalen Befreiungsfront werden in der Hoffnung gefordert, dass sich ein Verhandlungspartner, der ganz Südvietnam vertritt, finden lässt.
- 4.
Nord- und Südvietnam entwickeln eine größere Beweglichkeit in der Initiative für und Reaktion auf Verhandlungsangebote.
- 5.
Alle Parteien geben Zivilisten jeden möglichen Schutz und erleichtern das Los derer, die unter den Kämpfen leiden.
- 6.
Alle Parteien anerkennen die Bedeutung dessen, dass das, was in Vietnam geschieht, Teil einer sozialen Revolution ist.
Sowohl Nord- als auch Südvietnam sollten ohne fremde Intervention in der Lage sein, ihre Zukunft selber zu bestimmen unter angemessener Beachtung des Gebotes, Frieden und Sicherheit in Südostasien zu erhalten. - 7.
Alle Parteien sollten die Sinnlosigkeit militärischer Handlungen zur Lösung der dahinterliegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme Vietnams erkennen. Massive und großzügige Entwicklungsprogramme sind notwendig.
- 8.
Um die gegenwärtige internationale Spannung zu erleichtern, überprüfen und modifizieren die Vereinigten Staaten ihre Politik der »Eindämmung« des Kommunismus und kommunistische Länder überprüfen und modifizieren ihre Politik der »Befreiungskriege«.
- 9.
Jede Anstrengung wird unternommen, um das 700 Millionen Volk der Chinesen, vertreten durch die an der Macht befindliche Regierung, als Volksrepublik China in die weltweite Gemeinschaft der Nationen aufzunehmen, damit es die ihm angemessene Verantwortung übernimmt und die legitime Möglichkeit benutzt, um einen wesentlichen Beitrag für den Frieden und die Sicherheit nicht nur Südostasiens, sondern der ganzen Welt zu leisten.
- 10.
Es wird sofort von beiden Seiten die Übereinstimmung über eine weitere sofortige Feuereinstellung von angemessener Dauer erzielt, um als Zeit der Abkühlung und Erprobung von Verhandlungsmöglichkeiten zu dienen. Eine beachtlich zu vergrößernde Gruppe der Internationalen Kontrollkommission (Indien, Kanada und Polen) sieht darauf, dass das Übereinkommen zur Feuereinstellung eingehalten wird.
Anlage 2 zur Information Nr. 230/66
Entschließung der in Berlin-Spandau vom 13. bis 18. März 1966 versammelten Mitglieder der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Konflikt in Vietnam
Die in Berlin-Spandau versammelten Mitglieder der Synode der EKD haben dankbar von den Bemühungen des Ökumenischen Rates der Kirchen Kenntnis genommen, zur Lösung des Konfliktes um Vietnam beizutragen. Sie begrüßen besonders, dass durch die Erklärung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates vom Februar 1966 die kämpfenden Parteien vom Schlachtfeld weg an den Verhandlungstisch gerufen werden.
Die Mitglieder der Synode bitten die Gemeinden der evangelischen Kirchen, diese Bemühungen um eine Sicherung des Weltfriedens in ihr Gebet einzuschließen.51