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Großbrand im Druckgaswerk Schwarze Pumpe bei Spremberg

24. Februar 1966
Einzelinformation Nr. 133/66 über die Aufklärung eines Großbrandes im Druckgaswerk des Kombinates Schwarze Pumpe am 15.2.1966

Am 15.2.1966 gegen 11.50 Uhr kam es am Generator 3 der Generatorengruppe 1 des Druckgaswerkes im Kombinat Schwarze Pumpe (KSP) zu einem Großbrand. Durch den Brand wurden die gesamten elektrischen Anlagen – Leitungstrassen und Schalteinrichtungen – der 1. und 2. Generatoren-Vierergruppe total und der 3. Vierergruppe teilweise vernichtet.

Der materielle Schaden wird nach vorläufigen Schätzungen mit 1,6 Mio. MDN angegeben.

Die Inbetriebnahme der Generatorengruppe 2 soll am 30.4.1966 erfolgen. Die Generatorengruppe 1 soll auf Weisung des Genossen Minister Siebold1 nicht repariert werden, sondern sofort einer Rekonstruktion unterzogen werden (teilweiser Neubau vorgesehen).

Bei dem Brand wurde der Reparaturschlosser [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1935 in Weißenfels, verheiratet, drei Kinder, Mitglied der SED seit 1955, 1952–1955 Angehöriger der KVP, seit 1960 als Dreher im KSP, seit Anfang 1966 Reparaturschlosser im Druckgaswerk, schwer verletzt und die beiden Reparaturschlosser [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1940, Schlosser im Druckgaswerk, drei Jahre NVA, als Unteroffizier in Ehren entlassen und [Name 3, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1941 in Spremberg, drei Jahre NVA Grenze, als Unteroffizier in Ehren entlassen, leicht verletzt.

Die gemeinsam mit der VP geführten Untersuchungen zur Aufklärung der Schadensursache haben folgendes Ergebnis:

Der Brand wurde durch das Herausschleudern des vorderen Stocherlochverschlusses am unteren Ascheschleusenzwischenstück des Generators 3 ausgelöst. Dazu konnte es kommen, weil der Reparaturschlosser [Name 1] ohne schriftlichen Auftrag eine eigenmächtige Reparatur an dem unter Betriebsdruck stehenden Stocherlochverschluss des Ascheschleusungszwischenstückes auszuführen begann.

In diesem Zusammenhange wurden die nachstehenden Einzelheiten ermittelt:

Am 27.1.1966 wurde durch die Leitung des Druckgewerkes gemeinsam mit dem Reparaturstützpunkt VI/M der Reparaturplan für den Generator 3 ausgearbeitet. Wie aus den Reparaturbüchern zu entnehmen ist, wurde am 4.2.1966 vom Meisterbereich Ackermann2 der Flansch vom unteren Ascheschleusenzwischenstück gelöst und am 9.2.1966 von der Schicht Hartmann3 wieder anmontiert. Durch die Schicht Ackermann wurden sämtliche Reparaturarbeiten an den Stocherlochverschlüssen der Generatoren durchgeführt.

Am 11.2.1966 wurde der Generator 3 von den Mitarbeitern des Reparaturstützpunktes VI/M begangen, um die durchgeführten Arbeiten gemäß Reparaturplan zu kontrollieren. Die Kontrolle erstreckte sich jedoch nur auf die Funktionstüchtigkeit der Kegel und anderer Ventile. Eine Kontrolle der Flansche und Stocherlochverschlüsse auf Dichtigkeit ist bei einer derartigen Begehung nicht eingeschlossen, sondern muss jeweils bei Anfahren von Generatoren vom zuständigen Schichtmeister bzw. Schichtleiter ausgeübt werden.

Am 13.2.1966 gegen 19.50 Uhr wurde nach abgeschlossener Reparatur der Generator 3 erstmalig wieder gezündet. Am 14.2.1966 mussten nochmals Reparaturarbeiten am Generator 3 durchgeführt werden, weil der untere Aschekegel vom Ascheschleusenzwischenstück nicht abdichtete.

Nach Abschluss dieser Arbeiten wurde Generator 3 am 15.2.1966 ab 6.00 Uhr voll in Betrieb genommen und an das Netz angeschlossen. Bei der Inbetriebnahme wurde festgestellt, dass der obere Flansch des unteren Ascheschleusenzwischenstückes Dampf abblies.

Der Schichtleiter gab daraufhin an die oben genannten Reparaturschlosser [Name 1], [Name 3] und [Name 2] den schriftlichen Auftrag, den abblasenden Flansch durch Nachschlagen der Schrauben abzudichten. [Name 1] wurde mit der Leitung dieser Reparatur beauftragt.

Während dieser Reparatur stellten die Reparaturschlosser außerdem noch das Abblasen von Dampf aus dem unmittelbar darunter befindlichen Stocherloch fest. [Name 1] schickte deshalb nach Beendigung der erstgenannten Reparatur [Name 2] und [Name 3] vom Ascheschleusenzwischenstück weg mit dem Bemerken, auch den Stocherlochverschluss abdichten zu wollen. Dem [Name 1] war aus eigener Erfahrung bekannt, dass das eventuelle Herausfliegen eines Stocherlochverschlusses aus seiner Halterung eine große Gefahr darstellen kann, Trotzdem begann er, ohne einen schriftlichen Auftrag für eine Reparatur am Stocherlochverschluss zu haben, die »vermutete« Dichtung auszuwechseln, indem er zunächst die Halterung des Verschlusses löste.

Das Auswechseln des Stocherlochverschlusses darf jedoch nur bei drucklosem Generator erfolgen. [Name 1] war aber durch den schriftlichen Auftrag davon unterrichtet, dass der Generator 3 unter Druck stand. In dem Augenblick, als [Name 1] mit einem Schlüssel und unter Anwendung eines 5kg-Vorschlaghammers den Bajonett-Verschluss des Stocherloches löste, sprang der Verschluss sofort heraus und ein Gemisch von Dampf, Gas und glühender Asche schlug in Form einer ca. 30 bis 40 m hohen Stichflamme – unterstützt von dem im Generator anstehenden Druck von 26 atü4 – aus der Stocherlochöffnung.

Durch den geschilderten Vorgang bedingt, wurde auch der Generator 4 teilweise drucklos, da er im Ringsystem mit Generator 3 verbunden ist. Der Inhalte des Generators 4 entwich teilweise über Generator 3, was zusätzlich zu dem großen Schadensumfang beitrug.

Aus den vorliegenden Untersuchungen geht eindeutig hervor, dass [Name 1] als Reparaturschlosser durch den für ihn zuständigen Meister Hartmann in seine Arbeit eingewiesen, auf die Gefahren im Druckgaswerk hingewiesen und mit den einschlägigen Betriebsvorschriften vertraut gemacht wurde.

Aufgrund der vorliegenden Tatumstände wurde gegen [Name 1] ein Ermittlungsverfahren durch die VP eingeleitet.

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    24. Februar 1966
    Einzelinformation Nr. 147/66 über einige Probleme im Zusammenhang mit der Synode der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg in der Zeit vom 13. bis 17.2.1966 und die Wahl des neuen Bischofs von Berlin-Brandenburg Präses Scharf

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