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Konferenz der Evangelischen Bischöfe in der DDR

24. September 1966
Einzelinformation Nr. 722/66 über die Konferenz der Evangelischen Bischöfe in der DDR am 22.9.1966 in Berlin

Wie in unserer Information Nr. 712/66 berichtet wurde, fand am 22.9.1966 in Berlin, im »Haus der Kirche«, Berlin-Weißensee, Parkstraße, die Konferenz der Bischöfe der Evangelischen Landeskirchen in der DDR unter Leitung von Bischof Krummacher/Greifswald1 statt.

Im Mittelpunkt dieser Tagung stand ein Bericht von Bischof Krummacher über die Lage der Evangelischen Kirche in der DDR. Sinngemäß führte er darin aus:

Gegenwärtig gebe es Schwierigkeiten mit der Betreuung der Bausoldaten.2 Seit der letzten »Eingabe« der Bischöfe zur Stellung der Evangelischen Kirche zu Wehr- und Wehrersatzdienstfragen an den Staatssekretär für Kirchenfragen Seigewasser3 sei noch keine Antwort eingegangen.4 Es hätten sich auch keine »Auswirkungen« dieses Schreibens gezeigt. Allerdings müsse eine genaue »Instruktion« an alle staatlichen Organe bis zur unteren Ebene ergangen sein, da dort eine gute Kenntnis der Haltung der Kirche zu Wehrdienstfragen festzustellen sei.

Krummacher führte weiter aus, es wäre in Übereinstimmung mit dem Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland veranlasst worden, dass sich die Kirchen in Westdeutschland ebenfalls mit einer Ausarbeitung zur Wehrdienstverweigerungsfragen in Westdeutschland beschäftigen werden. Anlass dazu sei der »Vorwurf« staatlicher Stellen der DDR an die Kirchen der DDR, dass eine solche »Handreichung« nur im Gebiet der DDR vorhanden sei.

Bischof Krummacher ging dann auf die Entziehung der Lizenz für das Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Gebiet der DDR ein.5 Hierbei erwähnte er, dass er bereits mehrere Gespräche mit dem Leiter der Pressestelle beim Ministerrat Blecha6 geführt habe. Er hoffe, dass eine neue Lizenz für ein ähnliches Amtsblatt der Evangelischen Kirchen in der DDR herausgegeben werden könne. Ein Amtsblatt für die Evangelischen in der DDR wäre besonders deshalb notwendig, da nicht alle Landeskirchen über ein eigenes Informationsblatt verfügten; z. B. habe die Evangelische Landeskirche von Berlin-Brandenburg bis heute noch keine Genehmigung für die Herausgabe eines solchen Blattes erhalten.

Anschließend brachte Krummacher sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die Regierung der DDR das Stattfinden der Weltkonferenz der Lutherischen Kirchen im Jahre 1969 in Weimar untersagt hat.7 Nach seiner Einschätzung sei das auf größere internationale politische Bewegungen, die gegenwärtig beobachtet werden könnten, zurückzuführen. Die DDR hätte jedoch seiner Meinung nach durch die Einladung zu einer solchen Weltkonferenz die »Möglichkeit gehabt, ihren Einfluss zu erweitern«. Die ökumenischen Gäste könnten die Haltung der Regierung der DDR in dieser Beziehung nicht verstehen.

Zur Vietnam-Frage erklärte Krummacher, keine christliche Begegnung könne mehr an dem Problem Vietnam vorbeigehen.8 Jedoch müsse man die Vietnamfrage richtig »prüfen«. Man dürfe nicht durch »Einseitigkeit« die eine oder andere Seite stärken. Man müsse in diesem Zusammenhang auch an die Christen in China denken, die gegenwärtig auch Verfolgungen ausgesetzt seien.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen sprach Krummacher über Schul- und Erziehungsfragen im Gebiet der DDR. Er erwähnte dabei, es mehrten sich Fälle, in denen christliche Kinder aus Glaubensgründen benachteiligt würden. Nach dieser »Einleitung« schlug er vor, ein »entsprechendes« Schreiben an den Vorsitzenden des Ministerrates Willi Stoph9 zu verabschieden. (Über die Vorbereitung dieses Schreiben informierten wir in unserer Information 712/66).

Nach einigen Änderungsvorschlägen beinhaltet das Schreiben im wesentlichen Folgendes: In den letzten Jahren könne man Äußerungen von Staatsvertretern entnehmen, dass Bemühungen vorhanden waren, in den Schulen der DDR Kinder christlicher Eltern gleichberechtigt leben und wirken zu lassen. In der letzten Zeit häuften sich aber die Fälle, in denen christliche Kinder ihres Glaubens willen benachteiligt würden. Das bedeute für sie eine seelische Belastung.

  • Das Recht auf Bildung für alle christlichen Kinder werde durch die Forderung nach einem Bekenntnis zur marxistischen Weltanschauung eingeschränkt.

  • Christliche Schüler werden oft, trotz guter Leistungen nicht zur erweiterten Oberschule zugelassen, weil sie sich der atheistischen Erziehung versagen.

  • Die »Erziehung zum Hass« könnten die jungen Christen nicht billigen.

  • Bei der Jugendweihe würde von dem »Grundsatz der Freiwilligkeit« abgegangen.10

  • Die vormilitärische Erziehung bringe die jungen Christen in »Gewissenskonflikte«.11 Die Eltern gerieten dadurch in Konflikte zur staatsbürgerlichen Loyalität und der von ihrem Glauben her bestimmten Verantwortung gegenüber ihren Kindern.

Insgesamt gehe es nicht um die Bereinigung einzelner »Fälle«, da diese bisher auf Kreis- bzw. Bezirksebene bereinigt worden seien, sondern um ein Gespräch und um grundsätzliche Fragen.

Krummacher erläuterte zum Inhalt dieses »Schreibens«, die »Evangelische Kirche Deutschlands« habe dazu entsprechende »Beispiele« erarbeitet, die dem Schreiben beigefügt würden.

Als Verhandlungspartner für ein eventuelles Gespräch mit dem Vorsitzenden des Ministerrates wurden von Krummacher vorgeschlagen:

  • Bischof Krummacher/Greifswald

  • Bischof Fränkel/Görlitz12

  • Kirchenpräsident Johannes/Dresden13

Landesbischof Mitzenheim/Thüringen,14 der sich von der Konferenz für einige Stunden (11.00 bis 14.00 Uhr) ohne Begründung entfernt hatte, (Empfang der Auszeichnung »Stern der Völkerfreundschaft«),15 erklärte nach seiner Rückkehr, er sei mit der Absendung eines solchen Schreibens nicht einverstanden. Er begründete seine Ablehnung damit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit in der DDR sei durch Verfassung und Gesetz geregelt und die »Einzelbeispiele« könnten auf Kreis- bzw. Bezirksebene geklärt werden. Man solle diese Beispiele nicht bewusst hochspielen.

Bischof Fränkel/Görlitz und Oberkirchenrat Hagemeyer/Berlin,16 sprachen sich in der Diskussion für die Annahme des Schreibens aus. Das Schreiben wurde von der Bischofskonferenz mit einer Gegenstimme – Landesbischof Mitzenheim – angenommen. Oberkirchenrat Hafa/Berlin17 wurde mit der Überbringung des Schreibens an den Vorsitzenden des Ministerrates beauftragt.

In der weiteren Diskussion der Bischofskonferenz dankte Oberkirchenrat Hagemeyer Bischof Krummacher dafür, dass dieser sich für die Genehmigung eines Amtsblattes der Landeskirche Berlin-Brandenburg bei den zuständigen staatlichen Stellen eingesetzt habe.

Bischof Fränkel brachte weiter einen »Protest« ein, da seiner Meinung nach der Jugendpfarrer seiner Landeskirche Görlitz von den staatlichen Organen unberechtigt aufgefordert worden sei, Jazz-Veranstaltungen in den Kirchen zu verhindern. Dabei handle es sich um einen Eingriff des Staates in innerkirchliche Angelegenheiten.18

Im weiteren Verlauf der Bischofskonferenz gab Kirchenpräsident Johannes/Dresden einen Bericht über durchgeführte Jazzgottesdienste bzw. dem sogenannten Gottesdienst einmal anders, wie er in Karl-Marx-Stadt durchgeführt wurde. Er erklärte, zu diesem Thema hätten bereits mehrere Gespräche mit staatlichen Vertretern, zuletzt zwischen dem stellvertretenden Staatssekretär für Kirchenfragen Flint,19 dem Hauptabteilungsleiter Weise20 und Landesbischof Noth/Dresden21 stattgefunden. Den Kirchenvertretern sei dabei »vorgeworfen« worden, die Kirchen für ein Asyl der dekadenten Lebensweise zu benutzen. In der Landeskirche Sachsen sei man gegenwärtig »ratlos«, wie man sich zu solchen Gottesdiensten verhalten solle, da selbst im Landeskirchenamt, wie in der gesamten Landeskirche, dazu sehr unterschiedliche Auffassungen vorhanden seien. Er äußerte, man wolle vorerst »abwarten«, wie sich die staatlichen Organe weiterhin zu dieser Frage verhielten.

An der Konferenz nahmen alle evangelischen Bischöfe der DDR teil. Allen Konferenzteilnehmern blieb während der Dauer der Konferenz die Auszeichnung des Landesbischofs Mitzenheim mit dem »Stern der Völkerfreundschaft« unbekannt. Während der Konferenzgespräche erwähnte Bischof Mitzenheim seine staatliche Auszeichnung nicht. Bischof Krummacher erfuhr davon erst nach seiner Rückkehr in Greifswald. Eine Reaktion der Bischöfe in der DDR auf diese Auszeichnung ist gegenwärtig nicht feststellbar.

Diese Information darf im Interesse der Sicherheit der Quelle nicht publizistisch ausgewertet werden.

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