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Kontaktaufnahme von NVA-Soldaten zu Westberliner Polizisten

6. Januar 1966
Einzelinformation Nr. 13/66 über Kontaktaufnahmen von NVA-Angehörigen der 1. Kompanie, GR 35, 1. Grenzbrigade zu Angehörigen der Westberliner Polizei

Durch die Tätigkeit des MfS wurde bekannt, dass die NVA-Angehörigen Postenführer Soldat [Name 1] und Posten Soldat [Name 2], beide Angehörige der 1. Kompanie, GR 35, am 31.12.1965 gegen Mitternacht im Bereich »Haus der Ministerien«1 Kontakt zu Westberliner Polizeiangehörigen aufgenommen hatten.

Die beiden Posten waren über die Grenzsicherungsanlagen (GSA) hinweg von einem Westpolizisten begrüßt worden, wobei Soldat [Name 2] den Gruß erwidert und durch Gesten angedeutet hatte, dass er etwas zum Rauchen haben möchte. In dem anschließenden Wortwechsel versuchte der Westpolizist die Posten zur Fahnenflucht zu verleiten, indem er ihnen zurief: »Ihr seid doch sicher noch nicht verheiratet, da fällt es einem doch leicht, nach Westberlin zu gehen. Da könnt ihr erst einmal in wirklicher Freiheit leben. Wenn die Mauer nicht wäre, dann wären wir heute nicht hier und könnten zu Hause ruhig feiern.«

Als [Name 2] danach direkt nach Zigaretten fragte, erwiderte der Westpolizist, dass er keine bei sich habe, er wolle aber welche holen. Nach ca. 20 Minuten kam er mit einem zweiten Polizeiangehörigen zurück. Dieser warf eine Schachtel Zigaretten über die Sicherungsanlagen mit dem Bemerken: »Lasst sie euch schmecken!«

Nach ca. einer Stunde erschienen die gleichen Westpolizisten nochmals und warfen eine weitere Schachtel Zigaretten über die GSA. Dabei riefen sie den Posten zu: »Versteckt sie gut!« Anschließend entfernten sich die Westberliner Polizeiangehörigen, während sich [Name 1] und [Name 2] die Zigaretten teilten.

Durch die sofort eingeleiteten Untersuchungen wurde festgestellt, dass auch Unteroffizier [Name 3, Vorname] und Gefreiter [Name 4, Vorname], gleichfalls 1. Kompanie, GR 35, 1. Grenzbrigade, in mehreren Fällen Kontakt zu Westberliner Polizeiangehörigen aufgenommen hatten mit dem Ziel, Westzigaretten zu erbetteln. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass weitere elf Angehörige der gleichen Einheit an Kontaktaufnahmen, am Lesen von über die Grenzsicherungsanlagen geworfenen Westzeitschriften bzw. am Verbrauch von aus Kontaktaufnahmen stammenden Zigaretten beteiligt waren und weitere neun NVA-Angehörige Kenntnis davon hatten, ohne dass sie Meldung darüber erstatteten.

Schwerpunkte der Kontaktaufnahme waren die Postenbereiche Clara-Zetkin-Straße,2 S-Bahnhof Potsdamer Platz und Niederkirchnerstraße. Gegen die Postenführer [Name 3], [Name 2] und [Name 1] wurden durch den MStA Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Vorschriften des Grenzdienstes eingeleitet. Die anderen weniger beteiligten NVA-Angehörigen werden disziplinarisch zur Rechenschaft gezogen.

Der 4. Zug der 1. Kompanie, GR 35, wurde am 3.1.1966 aus dem Grenzdienst herausgelöst. Weiter wurden Maßnahmen zum Einsatz unzulässiger Postenpaare und zur Durchführung von gedeckten Kontrollen in diesem Grenzbereich eingeleitet.

In Zusammenarbeit mit dem MStA und der Politabteilung des GR 35 werden die Vorkommnisse weiter untersucht und im Personalbestand der 1. Kompanie des GR 35 ausgewertet.

  1. Zum nächsten Dokument Suizid des Vizepräsidenten des Erfindungs- und Patentamts

    6. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 15/66 über den Selbstmord des Vizepräsidenten des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen Gerhard Rudolph am 5.1.1966

  2. Zum vorherigen Dokument Oppositionell agierende Schüler in Güstrow

    6. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 11/66 über die Aufklärung einer Gruppierung negativer Jugendlicher an der Kinder- und Jugendsportschule Güstrow, Bezirk Schwerin