Lage beim Deutschen Fernsehfunk nach dem 11. ZK-Plenum
9. Juni 1966
Einzelinformation Nr. 443/66 über die Lage beim Deutschen Fernsehfunk nach dem 11. Plenum des ZK der SED
Dem MfS liegen Hinweise über die Lage beim Deutschen Fernsehfunk nach dem 11. Plenum des ZK der SED1 vor. Die nachfolgend zusammengefassten Hinweise ermöglichen keine vollständige Einschätzung des gesamten Bereiches Fernsehen, sondern sollen in erste Linie nur auf einige negative Tendenzen und Erscheinungen aufmerksam machen.
Nach dem vorliegenden Material löste das 11. Plenum bei den Mitarbeitern des DFF umfangreiche Diskussionen aus.
Von den progressiven Kräften des DFF wurde die vom 11. Plenum geübte Kritik anerkannt, wobei von ihnen für die kritischen Erscheinungen vor allem folgende Ursachen genannt wurden:
In verschiedenen Bereichen des DFF, vor allem solchen, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung enge Verbindungen zu Schriftstellern, Theater- und Filmschaffenden und Künstlern allen Genres haben, gab es ernste Anzeichen des Wirkens der politisch-ideologischen Diversion2 (besonders im Intendanzbereich Kulturpolitik und Kunst, in den Hauptabteilungen Unterhaltung und Film). Es wurden mitunter Sendungen in Bearbeitung genommen, in denen klar erkennbar skeptizistische und bürgerliche Lebensauffassungen widergespiegelt wurden.
Derartige Erscheinungen wurden begünstigt durch eine ungenügende politisch-ideologische Erziehungsarbeit der Leitung des DFF sowie der BPO und der anderen gesellschaftlichen Organisationen. Eine nicht unwesentliche Rolle spielten in diesem Zusammenhang die von diesen Kreisen besonders zahlreich unterhaltenen Westkontakte.
Die Leitungstätigkeit im DFF war zur Zeit der Kritik durch das 11. Plenum gekennzeichnet durch Hektik und Administrieren, wodurch die Herausbildung eines echten Kollektivs erheblich erschwert wurde. Die Kaderpolitik im DFF wurde häufig durch persönliche Verbindungen bestimmt, sodass die Kaderabteilung oft nur die Rolle eines Einstellungsbüros spielte.
Bei den Mitarbeitern – auch leitenden Mitarbeitern – des DFF zeigte sich nach den ersten am DFF geübten Kritiken eine Atmosphäre der Unruhe und Unsicherheit, die auch mit den ersten unmittelbar nach dem 11. Plenum stattgefundenen Aussprachen und Versammlungen noch nicht vollständig beseitigt werden konnte.
Die Kritik des 11. Plenums wirkte in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich. Eine Reihe leitender Mitarbeiter (z. B. Genosse Lehn,3 Leiter der HA Unterhaltung) verstand die Kritik am DFF zunächst nicht oder lehnte sie als »überspitzt« ab.
Es entstand eine sogenannte Witzewelle, die sich gegen Äußerungen des Plenums richtete, und die später durch verschiedene Maßnahmen der Leitung des DFF noch verstärkt wurde.
Die Maßnahmen der Leitung des DFF zur Überwindung der kritisierten Mängel und Schwächen blieben zunächst nur im administrativen Bereich und bezogen das Kollektiv nicht mit ein. Besonders auf Veranlassung des Genossen Adameck4 begann eine kurzfristige Überprüfung aller für die nächste Zeit vorgesehenen Sendungen auf solche »Stellen«, die als »kritikwürdig« im Sinne des 11. Plenums anzusehen seien. Diese »Überprüfung« durch von der Intendanz eingesetzte leitende Mitarbeiter erfolgte häufig in Verkennung des realen Anliegens des 11. Plenums, so dass mitunter ein völliges Sendedurcheinander entstand und die Qualität der Sendungen ungünstig beeinflusst wurden.
Charakteristisch für diese Zeitspanne sind verschiedene Überspitzungen, eine außerordentlich hohe Anzahl von Schnitten in fertigen Programmen und zahlreiche sehr kurzfristige Programmänderungen. Auf Kosten der Qualität des Programms wurde jede Sendung vermieden, die Anlass zur Kritik hätte geben können.
Eine geordnete Leitungstätigkeit war in dieser Periode, die etwa bis Ende Januar 1966 anhielt, nicht vorhanden, da alle Intendanzmitglieder – auch Genosse Adameck – mit der Sichtung vorgesehener Sendungen und mit der Veränderung derselben beschäftigt waren.
In Einschätzungen aus verschiedenen Bezirken der DDR wurde zu diesem Zeitpunkt hervorgehoben, dass die Qualitätsminderungen des Fernsehprogramms mit dazu beitrugen, dass größere Bevölkerungskreise zum Empfang des westlichen Fernsehprogramms übergingen. Damit wurde erneut objektiv das Wirken der politisch-ideologischen Diversion begünstigt, zumal zu diesem Zeitpunkt der Gegner laufend gegen unsere Kulturpolitik polemisierte.
Die im DFF entstandene Unsicherheit, die durch teilweise einander widersprechende Entscheidungen über einzelne Sendungen noch verstärkt wurde, führte dazu, dass – besonders bei den mittleren Kadern – ein allgemeines »Abwarten« eintrat.
Gleichzeitig nahm auch die Kritik an der Leitungstätigkeit des Genossen Adameck zu, wobei hauptsächlich folgende Probleme angesprochen wurden:
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administratives Vorgehen, Nichtbeachten der Meinungen anderer Mitarbeiter,
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ungenügende Kontinuität in der Leitungstätigkeit, spontane Festlegung der Schwerpunkte und daraus resultierend ständige Änderung der Hauptaufgaben,
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Distanzierung Adamecks von persönlichen Entscheidungen im Falle eines Misslingens der Aufgabe (z. B. bei dem von Ulrich Thein5 zum Teil fertiggestellten Fernsehfilm »Granit«,6 zu dem ihm A. völlige Handlungsfreiheit zugebilligt hatte).
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Beeinflussung durch seine Ehefrau und verschiedene künstlerische Mitarbeiter des DFF, die mit der Familie Adameck private Verbindungen unterhalten.
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(z. B. Aenne Keller,7 Inge Keller,8 Eva-Maria Hagen,9 Ulrich Thein, teilweise auch Manfred Krug,10 Annekathrin Bürger11 und andere)
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Missachtung des Kollektivs der Intendanz, Durchsetzung der eigenen Meinung im Leitungskollektiv, ohne Beachtung vorhandener Einwände.
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Administrative Auswertung des 11. Plenums.
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Ungenügende Erläuterung des tatsächlichen Anliegens der Kritik des 11. Plenums.
(Diese am Genosse Adameck ausgeübte Kritik ist nach Ansicht von Mitarbeitern des DFF auch gegenwärtig zum Teil noch zutreffend.)
Die durch die Intendanz unmittelbar nach dem 11. Plenum praktizierte Leitungstätigkeit setzte sich im Allgemeinen in den verschiedenen untergeordneten Leitungsbereichen fort. Zunächst wurde auch keine grundlegende Änderung durch die Genossen erreicht, die nach dem 11. Plenum auf Veranlassung des ZK der SED in verschiedenen Leitungsbereichen des DFF eingesetzt wurden.
In der Hauptabteilung Unterhaltung ist die Leitungstätigkeit auch gegenwärtig noch zu wenig auf die Durchsetzung unserer Kulturpolitik orientiert, obwohl sich insbesondere nach der Parteiaktivtagung beim DFF im Januar 196612 und nach dem Einsatz des Genossen Meißgeier13 (ehemaliger Chefredakteur der »Wochenpost«) als stellvertretender Hauptabteilungsleiter Ansätze einer positiven Entwicklung abzeichneten.
Die Bildung eines Leitungskollektivs in der Hauptabteilung Unterhaltung wird jedoch zurzeit noch dadurch erschwert, dass parteilose »Experten« (z. B. Quermann,14 Strietzel,15 Beissert,16 Kersten)17 einen maßgeblichen Einfluss ausüben, dem die Genossen kein entsprechendes Gegengewicht entgegensetzen.
Im Intendanzbereich Kunst und Kulturpolitik ist die nach dem 11. Plenum benannte Leitung (Genosse Nahke,18 stellvertretender Intendant, Genosse Herlt,19 Stellvertretender des Genossen Nahke, Genossin Rülicke,20 wissenschaftliche Mitarbeiterin, Genosse Fehlig,21 künstlerischer Leiter) nach den vorliegenden Hinweisen noch nicht genügend wirksam geworden. Sie bildet keine Einheit, und zum Teil werden widersprechende Entscheidungen in Programmfragen getroffen, wobei die einzelnen Leiter ihre persönliche Meinung häufig ändern.
Der neue stellvertretende Intendant, Genosse Nahke fand zunächst bei den Mitarbeitern seines Bereichs durch viele neue Ideen und Pläne Zustimmung, die jedoch bald abklang. Mehrfach wird Genosse Nahke jetzt so eingeschätzt, dass es unter seiner Leitung nicht gelingen wird, in diesem Bereich ein festes Kollektiv zu schaffen.
Unter den Mitarbeitern des DFF ist die Version verbreitet, Genosse Nahke sei ausschließlich aufgrund eines von ihm an das ZK gerichteten Berichts über politisch-ideologische Fehler in der Fernsehspielproduktion des DFF in seine jetzige Funktion eingesetzt worden. Diese Version konnte sich hauptsächlich durch mehrfach von Nahke geäußerte Behauptungen, er habe »weitreichende Verbindungen«, auch zum ZK, entwickeln. Angeblich sei sein Einsatz ohne genaue Prüfung seiner vorherigen Arbeitsweise erfolgt.
Obwohl in offiziellen Einschätzungen über die vorherige Tätigkeit des Genossen Nahke (u. a. als Abteilungsleiter im Deutschen Schriftstellerverband, als Chefredakteur der »Jungen Kunst« und Chefredakteur des »Forums«) kaum Kritik an ihm geübt wurde, gab es doch von den Mitarbeitern dieser Institutionen wiederholt und überstimmend Kritik in folgenden Richtungen:
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mangelndes Organisationsvermögen, daraus resultierende Planlosigkeit und sporadisches Handeln,
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Selbstüberschätzung und Missachtung des Kollektivs, Unterschätzung der Fähigkeiten anderer Mitarbeiter,
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Ausnutzung von Verbindungen für seine Interessen, daraus resultierende Bevorzugung bzw. Benachteiligung bestimmter Mitarbeiter,
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Lavieren zwischen verschiedenen Meinungen zu einem Problem,
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Prahlen mit seinen angeblich engen Verbindungen zu Mitarbeitern des Ministeriums für Kultur und des ZK.
Die Eigenschaften des Genossen Nahke, die sich auch in den gegenwärtigen Kritiken an ihm im DFF widerspiegeln, wirken sich hemmend auf die gesamte Leitungstätigkeit des Bereichs Kunst und Kulturpolitik aus. Damit stellt der Bereich Kunst und Kulturpolitik nach wie vor einen Schwerpunkt in der weiteren politisch-ideologischen Entwicklung dar.
Die derzeitige Situation im gesamten Intendanzbereich Kunst und Kulturpolitik ist dadurch gekennzeichnet, dass der besonders nach der Parteiaktivtagung im Januar 1966 vorhandene Elan wieder nachgelassen hat, wobei von den Mitarbeitern besonders die ungenügende Anleitung, schwankende Entscheidungen des Leitungskollektiv, unreale Planung und administrative Arbeit als Ursachen angeführt werden. Es fehlen offene, kameradschaftliche Auseinandersetzungen, die zu einer progressiven Atmosphäre beitragen könnten.
Leitungssitzungen werden im Intendanzbereich des Genossen Nahke unregelmäßig und ohne vorher festgelegte Tagesordnung durchgeführt. Die Leitungsmitglieder haben dadurch keine Möglichkeit der Vorbereitung, sodass auch ihre Stellungnahmen im Allgemeinen unkonkret sind.
Eine konkrete Beschlussfassung im Ergebnis der Leitungssitzungen bzw. Absprachen erfolgt meist nicht. Kritiken seiner Mitarbeiter, die Vorbereitung und Durchführung seiner Leitungssitzungen bzw. Absprachen betreffend, lehnte Genosse Nahke z. B. mit der Begründung ab, dass vorher festgelegte Tagesordnungen Bürokratie seien und die jeweils Beteiligten »schon merken würden, was dann besprochen werde«.
Die Leitung des Intendanzbereiches Kunst und Kulturpolitik hat es bis jetzt auch noch nicht verstanden, die vorhandenen progressiven Kräfte als kollektive Kraft auszunutzen. Genosse Nahke hält häufig Verbindungen zu Kräften, die teilweise indifferent auftraten – z. B. zu den Schriftstellern Heiner Müller22 (»Der Bau«)23 und Werner Bräunig24 (»Rummelplatz«)25 – und die er für den DFF zu gewinnen beabsichtigt.
Die Kritik an der Leitungstätigkeit des Genossen Nahke hält auch gegenwärtig noch an, sie hat sich auch seitens der Intendanz des DFF teilweise noch verstärkt.
Nach vorliegenden Hinweisen mussten auch durch die Intendanz des DFF mit dem Genossen Nahke in letzter Zeit mehrmals Aussprachen geführt werden, wobei hauptsächlich Kritik in folgender Richtung geübt wurde:
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Ignorierung bisheriger Kritiken,
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Nichterfüllung bestimmter Aufträge,
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Nachlässigkeit in der Terminerfüllung,
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Missachtung gegebener Weisungen,
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mangelnde Kontinuität zwischen Plan, Produktion und vorhandenen Kapazitäten,
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planlose Programmgestaltung,
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Unterschätzung seiner Mitarbeiter bzw. des Kollektivs,
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Unsachlichkeit in der Diskussion und Weitschweifigkeit in seinen Ausführungen, ohne dabei zu Resultaten zu gelangen.
Teilnehmer an den Auseinandersetzungen mit Genosse Nahke schätzen ein, dass diese Aussprachen aufgrund seiner uneinsichtigen und unqualifizierten Stellungnahmen erfolglos geführt wurden, sodass im Ergebnis dessen keine Änderungen in seinen Arbeitsmethoden erfolgten.
So hat z. B. Genosse Nahke den von der Intendanz gestellten Termin zur Erarbeitung einer Planvorgabe für das 2. Halbjahr 1966 nicht eingehalten. Nach Überschreitung des Termins äußerte er, die Erarbeitung eines Planes sei »Quatsch« und legte eine völlig unbrauchbare Ausarbeitung vor.
Bei der Kontrolle eines anderen Termins gab er an, diesen erfüllt und mit 60 Autoren persönliche Aussprachen geführt zu haben, was sich jedoch als Unwahrheit herausstellte. Als er deswegen Stellung nehmen sollte, gab er zu seiner Rechtfertigung an, diese Sache als »Blödsinn« empfunden zu haben.
In diesem Zusammenhang wird eingeschätzt, dass bei einer Reihe von Autoren des DFF Unzufriedenheit über die Verhaltensweise der leitenden Mitarbeiter des DFF bei der Zusammenarbeit, insbesondere bei der Ablehnung von Arbeiten der Autoren, besteht. Durch die neue Leitung des DFF, hauptsächlich des Verantwortungsbereiches Kunst und Kulturpolitik, sei eine solche Praxis eingeführt worden, den Autoren die Ablehnung ihrer Stücke nicht zu begründen. Anfragen der Autoren hinsichtlich der Ursachen der Ablehnung, darunter auch schriftliche Anfragen mit dem Zusatz, das Stück dann entsprechend überarbeiten zu wollen, würden ausweichend oder gar nicht beantwortet (z. B. die Autoren Gottfried Grohmann,26 Edith27 und Walter Gorrish28 sowie Horst Enders).29
In einigen anderen Fällen – z. B. beim Stück »Warschauer Konzert«30 von Horst Enders – wurde von der HA Dramatische Kunst (Intendanzbereich Kunst und Kulturpolitik) eine Änderung verlangt mit der Begründung, die Arbeit nutze in der jetzigen Fassung nichts. Als der Autor die zeitaufwendige Umarbeitung fertiggestellt hatte, teilte die Leitung der HA mit, es interessiere doch die erste Fassung, da sie die richtige gewesen sei.
Diese Arbeitspraxis hat bei einer Reihe Autoren eine solche Einstellung bewirkt, im DFF würden keine kollektiven Beratungen erfolgen, es würde kein klares Arbeitsprogramm vorliegen und auch bei leitenden Mitarbeitern des DFF würde ungenügende politische Klarheit herrschen.
Wiederholt wird von Mitarbeitern des DFF eingeschätzt, Genosse Nahke habe sich für eine kurzfristige Fertigstellung des inzwischen gesendeten Fernsehspiels »Seine besten Freunde«31 deshalb so engagiert, um sich für seine weitere Entwicklung beim DFF einen guten »Start« und das notwendige Prestige zu verschaffen. Ungeachtet der Einwände des Autors Wogatzki32 habe er das Stück fertigstellen lassen, obwohl es auch von leitenden Mitarbeitern des DFF als unausgereift eingeschätzt wurde. Durch die kurzfristigen und planlosen Probearbeiten sei es bei den Schauspielern zu Protesten gekommen, so dass Genosse Nahke – um diesen Kritiken aus dem Wege zu gehen – erhöhte Gagenzahlungen zubilligte. In Auswirkung dessen wird von einigen Hauptdarstellern anderen Schauspielern die Mitwirkung an Gegenwartsstücken des DFF empfohlen, da sie ein »sehr lukratives Geschäft sei« (z. B. Wolf Kaiser).33
Die gegenwärtigen Vorstellungen der Intendanz des DFF, den Bereich Kunst und Kulturpolitik in drei Sektoren aufzuteilen, wobei Genosse Nahke entlastet werde, aber die Führungsfunktion über diese drei Sektoren erhalte, würden nach Meinung einer Reihe mittlerer leitender Kader des DFF keine Änderung der Situation bringen. Außerdem bewege sich diese Vorstellung entgegen der Anfang 1966 festgelegten Perspektive, den Bereich Kunst/Kulturpolitik einheitlicher zu gestalten, wobei auch die HA Film und die HA Unterhaltung mit eingegliedert werden sollten.
Im Allgemeinen ist die gegenwärtige Situation im Bereich Kunst und Kulturpolitik weiter durch folgende hemmende Faktoren gekennzeichnet:
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Stoffe für Fernsehspiele und -filme liegen zwar in der doppelten Anzahl vor als produziert werden können, überwiegend eignen sie sich jedoch vom Inhalt und von der Qualität her nicht für eine weitere Bearbeitung.
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Aussprachen mit Autoren zur eventuellen Überarbeitung vorgelegter Manuskripte bzw. zwecks Anregung, bestimmte Stoffe neu zu gestalten, finden nicht statt.
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Erarbeitete Pläne werden nicht oder ungenügend anerkannt, sodass der gesamte Arbeitsstil zeitweise als konzeptionslos und unkontinuierlich bezeichnet werden muss.
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Die mittleren Leiter (Abteilungsleiter, Produktionsleiter usw.) sind nach wie vor in der Verantwortlichkeit stark eingeschränkt. Bemühungen des Genossen Herlt (Stellvertreter des Genossen Nahke), diese Situation zu verändern, scheiterten bisher.
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Insgesamt haben die Auseinandersetzungen und die Bestrebungen, durch Kritik eine Veränderung herbeizuführen, nachgelassen, »da diese Bemühungen doch ergebnislos blieben«.
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Einige mittlere Leitungskader (u. a. Genossin Rülicke/wissenschaftliche Mitarbeiterin, Wenzel Renner,34 Heinz Zaeske35 und Nadolny/36alles Abteilungsleiter) halten sich deshalb zurück, da sie bei einer Anhäufung von Kritiken um ihre Funktionen bangen.
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In den Parteiversammlungen herrscht nach den vorliegenden Hinweisen ungenügende Offenheit. Kritik und Selbstkritik werden nur in seltenen Fällen geübt, wobei die Hauptfragen nicht getroffen bzw. angesprochen werden.
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Die Koordinierung der Arbeit aller Abteilungen des Bereichs ist völlig unzureichend, sodass verschiedene Abteilungen zum gleichen Zeitpunkt teilweise mit hohem finanziellem Aufwand gleiche Themen behandeln.
Aus dem Bereich Kunst und Kulturpolitik wurde in letzter Zeit wiederholt von einigen Mitarbeitern das Gerücht verbreitet, im Zentralkomitee der SED bestünden hinsichtlich der Kulturpolitik zwei verschiedene »Linien«, die »starre Linie« der Genossen Honecker,37 Axen,38 Fröhlich39 und Abusch40 und die »wenig strenge« des Genossen Norden,41 wobei sich die letztere aber doch durchsetzen würde. Darüber hinaus gab es Gerüchteverbreitungen über angebliche Differenzen in der Sowjetunion. Zum Beispiel gab die Mitarbeiterin in der HA Dramatische Kunst, Kahler,42 eine Äußerung der Schauspielerin Laszar43 wider, wonach bei »Mosfilm«44 ebenfalls »zwei Fraktionen bestünden, die sich auf Parteiebene bekämpfen«.
In der HA Politik zeichnet sich in den letzten Wochen allgemein eine Verbesserung der Leistungstätigkeit ab, was auch im vorliegenden Programm der HA seinen Niederschlag findet. Das Leitungskollektiv der HA, die Genossen Klein,45 Grote46 und Kröning,47 ist, um die reale Lösung der politischen Hauptaufgaben in ihrem Bereich bemüht und findet bei den Mitarbeitern überwiegend eine gute Resonanz.
Trotz dieser positiven Entwicklung werden von Mitarbeitern der HA Politik eine Reihe noch vorhandener Hemmnisse angeführt, die eine weiteren Verbesserung der Arbeit im Wege stehen.
So werde die Festigung des Kollektivs erschwert, weil sich leitende Mitarbeiter der HA – darunter Genosse Grote – nach Meinung mehrerer Mitarbeiter überheblich verhalten und Ansichten anderer Mitarbeiter bzw. des Kollektivs ignorieren.
In letzter Zeit treten vermehrt Diskussionen in Erscheinung, wonach die Situation in der HA einerseits durch eine »Freundschaftspolitik« und andererseits durch »Abhängigkeitsverhältnis« der Mitarbeiter von den Leitern gekennzeichnet sei. Deshalb herrsche in der HA nahezu eine kritiklose Atmosphäre. Mitarbeiter, die an den leitenden Genossen Kritik üben, erhielten von ihnen angeblich »unbequeme« Aufträge, die von vornherein Möglichkeiten einer »Gegenkritik« einschließen würden. Außerdem seien alle Mitarbeiter in finanzieller Hinsicht durch das eingeführte »Benotungssystem«48 von den leitenden Kadern der HA »abhängig«. Das Benotungssystem sei nicht wie vorgesehen zu einem ökonomischen Hebel zur Steigerung der Leistungen geworden, sondern zu einem »persönlichen Hebel« des Leiters, mit dessen Hilfe er »Kaderpolitik« betreibe.
»Hauptgünstlinge« der Leiter der HA seien u. a. die Mitarbeiter [Name 1], Mügler,49 Burkert,50 Friedländer51 und [Name 2].
Ähnliche Verhaltensweisen wären auch von den übrigen Leitern der HA Politik bekannt.
Die nahezu kritiklose Atmosphäre fände z. B. auch darin ihren Niederschlag, dass kein Mitarbeiter der HA in Gegenwart der Leiter Diskussionen über deren Dienstreisen in das Ausland führe, obwohl z. B. allgemein bekannt wäre, dass diese Auslandsreisen trotz großem finanziellen Aufwand für den DFF häufig wenig ergiebig gewesen seien.
Die Leitung der HA habe sich deshalb auch kritiklos zu der Havannareise des Mitarbeiters Friedländer verhalten, obwohl Friedländer seine Reise auf Kosten des DFF ohne erkennbare Ergebnisse noch verlängerte.
Die seit Jahren kritisierte Tatsache, dass die Aktuelle Kamera52 des DFF qualitätsmäßig nicht den Anforderungen entspricht, hat gegenwärtig in der Arbeit der HA Politik noch keinen Niederschlag gefunden. Häufig wird von den Verantwortlichen geäußert, im DFF gebe es andere Schwerpunkte; »von außen« sei an den Beiträgen der Aktuellen Kamera bisher die wenigste Kritik erfolgt.
Die Kritik der Intendanz, die mangelhafte DDR-Berichterstattung betreffend, wird mehrfach mit dem Argument abgewehrt, es sei nicht anders möglich. Die Mitarbeiter des DFF würden »unter den schlechtesten Bedingungen« arbeiten, seien unzulänglich technisch ausgerüstet, würden unzureichend entlohnt und »überfordert«. Diese »These« wird auch teilweise von mittleren leitenden Kadern vertreten – z. B. vom Genossen Schnitzler53 –, was sich offensichtlich hemmend auf die Nutzung der noch vorhandenen inneren Reserven und die Beseitigung verschiedentlich auftretender Leerlaufzeiten auswirkt.
Bei einer Reihe von Mitarbeitern erfolgt keine ausreichende Kontrolle über die Durchführung der übertragenen Aufgaben. So arbeitet z. B. der Genosse Böttner54 seit zwei Jahren an der Vorbereitung einer Sonderreihe zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Obwohl er große finanzielle Unterstützung erhielt, ist bisher nicht sendefähiges fertiggestellt. Es ist auch keine ernsthafte Prüfung seiner Arbeit erfolgt. Böttner vertritt die »Theorie«: »Mach dich beim DFF möglichst ›rar‹; mache zwei oder drei ›nationalpreisverdächtige‹ große Sendungen, dann bekommst du einen großen Namen.«
Von den leitenden Genossen der HA Politik – insbesondere Klein, Kröning und Grote – wird das Prinzip vertreten, im DFF müsste die Publizistik das Primat haben, wobei diese These von ihnen auch in der zentralen Parteileitung des DFF vertreten wurde. Sie argumentieren, die leitenden Journalisten der HA Politik müssten durch ihre politische Tätigkeit auch die anderen Bereiche unterstützen. Das 11. Plenum hätte gezeigt, dass insbesondere in den anderen künstlerischen HA politische Fehler zugelassen worden wären, während an ihrem Bereich nur andeutungsweise Kritik geübt worden sei.
Von den Mitarbeitern des DFF wird die Ansicht geäußert, die Leiter der HA Politik beabsichtigten sich durch die Verwirklichung ihrer These vom Primat der Publizistik im DFF Zutritt zum Gremium der Intendanz zu verschaffen bzw. ihren Einfluss in anderen Bereichen des DFF zu vergrößern. Die Verärgerung der Leiter der HA Politik darüber, nicht an den Intendanzsitzungen teilnehmen zu können – was vor Jahren durch direkte Beeinflussung des Intendanten Adameck möglich war – sei erheblich, zumal sie von der Intendanz darauf hingewiesen worden seien, dass sie in der täglichen Argumentation – auch ohne Intendanzmitglieder zu sein – in politisch-ideologischer Hinsicht positiv auf die übrigen Bereiche des DFF einwirken könnten.
Aus dieser Entwicklung ergaben sich zwischen den leitenden Funktionären der HA Politik und der anderen Bereiche Spannungen, die zwar äußerlich überwunden scheinen, aber noch vorhanden sind.
Die APO-Leitung der HA Politik, der die noch bestehenden Mängel und Hemmnisse in der Arbeit der Abteilung zum überwiegenden Teil bekannt sind, verhält sich nach Ansicht einer Reihe von Genossen oftmals unkritisch.
Aus den vorliegenden Hinweisen ist erkennbar, dass sich jedoch trotz der im Bericht genannten Mängel und Schwächen in der Leitungstätigkeit des DFF, besonders nach der Parteiaktivtagung Mitte Januar 1966, Verbesserungen in der Leitungs- und Erziehungstätigkeit abzeichnen.
Begrüßt wird allgemein der Einsatz des 1. Stellvertreters des Intendanten (Genosse Kleinert),55 da sich viele Mitarbeiter hierdurch eine Verbesserung der Leitungstätigkeit versprechen. In geringem Umfang wird das Gerücht verbreitet, Genosse Kleinert würde nach entsprechender Einarbeitungszeit den Genossen Adameck ablösen.
Durch die Verbesserung der Leitungstätigkeit wurde das Sendeprogramm des DFF hinsichtlich der Sendetermine stabilisiert, und Überspitzungen wurden weitgehendst überwunden. Dazu trugen besonders die Hinweise des ZK bei. Vorherige massive Kritik der Bevölkerung und entsprechende Einwände besonders des Genossen Schnitzler, der Chefredakteure Grote und Kröning sowie des Parteisekretärs Pohl56 hatten zu einer Veränderung nicht ausgereicht.
Infolge der sich jetzt durchsetzenden Sachlichkeit in der Leitungstätigkeit der Intendanz eine Vielzahl der unmittelbar nach dem 11. Plenum abgelehnten Sendungen erneut überprüft und wieder in den Spielplan aufgenommen (z. B. wurden in der HA Film von ursprünglich ca. 40 abgelehnten Filmen ca. 35 wieder in den Spielplan aufgenommen. Von den verbleibenden Filmen können weitere, nach teilweise geringfügigen Änderungen, ebenfalls gesendet werden).
Diese Korrektur bestimmter Überspitzungen führte aber andererseits bei einer Anzahl von Mitarbeitern des DFF zu Diskussionen, es beruhige sich alles wieder, man habe mit seiner eigenen Meinung doch nicht »falsch« gelegen, die »Politik des Abwartens« zahle sich aus, nach einer bestimmten Zeit verlaufe alles wie vordem, usw. Besondere Diskussionen rief auch die Wiederaufnahme der Stücke »Geschäft mit der Orgel« und »Media in Vita«57 hervor, da diese vordem von Intendanzmitgliedern – besonders vom Genossen Nahke – als politisch falsch gestrichen worden waren.
Es ist einzuschätzen, dass die gesamte Leitungstätigkeit im DFF im Allgemeinen planmäßiger geworden ist, wobei sie aber durch nicht bis zu Ende geklärte Grundsatzfragen (z. B. der Strukturveränderungen), durch subjektivistisches Verhalten einiger Leitungskader und verdeckte Spannungen zwischen einer Reihe von leitenden Mitarbeitern überschattet wird.