Materialengpässe beim Netzausbau der Deutschen Post
2. August 1966
Einzelinformation Nr. 580/66 über einige Hemmnisse bei der sortimentsgerechten und mengenmäßigen Materialversorgung der Deutschen Post
Dem MfS sind Hinweise und Meinungen bekannt geworden, nach denen es in der letzten Zeit zu einem immer größer werdenden Widerspruch zwischen der Aufgabenstellung der Deutschen Post und der notwendigen Erweiterung bzw. Erneuerung im Nachrichtenwesen einerseits und der dazu erforderlichen Bereitstellung der verschiedensten Materialien, insbesondere bei Kabeln, durch die volkseigene Wirtschaft bzw. den volkseigenen Betrieben andererseits gekommen sei.
Bedeutende Vorhaben der Landesnetzerweiterung, Vorhaben für die Landesverteidigung seien dadurch, soweit bisher eingeschätzt werden könne, ernsthaft gefährdet bzw. sei ihre Realisierung ungewiss. Obwohl auf zentraler Ebene die Materialbereitstellung im Wesentlichen bilanziert und koordiniert ist, wäre die Realisierung dieser Materialien durch einige im Nachfolgenden näher erläuterten Hemmnisse nicht gewährleistet.
Seitens der Deutschen Post werden einige Betriebe genannt, die entweder einen Vertragsabschluss überhaupt ablehnen, Vertragsabschlüsse in vorgesehenen Größenordnungen ablehnen oder beträchtliche Lieferrückstände aufweisen.
Zu diesen Betrieben gehören:
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Kabelwerke Köpenick und Oberspree
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Kabelwerke Plauen und Meißen
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Fernmeldewerk Arnstadt
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VVB Beton
Als generelle Gründe für diese Situation werden von den Betrieben genannt:
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Unklarheiten bzw. hohe Auflagen im Exportprogramm (Kabelwerke Köpenick, Oberspree, Plauen, Fernmeldewerk Arnstadt)
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Produktionsumstellungen (Kabelwerk Köpenick)
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Kapazitätsschwierigkeiten (Kabelwerk Meißen)
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unzureichende Möglichkeiten der Einflussnahme der VVB Beton auf die den Räten der Bezirke unterstehenden Betonbetriebe.
Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Probleme:
Das Kabelwerk Köpenick habe zeitweise den Vertragsabschluss mit der Deutschen Post abgelehnt, da »mangelnde Übersicht über die Möglichkeiten der Realisierung der ursprünglichen Planauflage« und »eine unklare Situation hinsichtlich der Exportverpflichtungen in die Sowjetunion« bestanden haben. Durch Einwirkung des Vertragsgerichtes konnte erreicht werden, dass das Kabelwerk Köpenick Materialien im Werte von 15 Mio. MDN im 2. Halbjahr 1966 vertraglich binden musste. Damit seien jedoch nur Vorhaben vertraglich gesichert, die unter Kontrolle des Ministerrates stehen bzw. Maßnahmen für die Landesverteidigung darstellen. Da das Kabelwerk Köpenick jedoch erst im 2. Halbjahr die vertraglich gebundenen Materialien liefert, wird voraussichtlich ein Teil der Vorhaben 1966 nicht mehr kapazitätswirksam. Infolge der fehlenden Produktionskapazitäten im Kabelwerk Köpenick müsse die Deutsche Post 1966 Bauvorhaben in Höhe von rund 15,5 Mio. MDN zurückstellen.
Auch der Einsatz der Plastmantelkabel mit Plastaderisolierung, die im Kabelwerk Köpenick entwickelt wurden und die für die bisher verwendeten Bleikabel zum Einsatz kommen sollten, sei für die Bedürfnisse der Deutschen Post problematisch. Das Institut für Post- und Fernmeldewesen stellte bereits Ende 1964 fest, dass das Plastmantelkabel nur als Röhrenkabel, nicht aber in von Starkstrom beeinflussten Gebieten verwendet werden kann. Weiterhin fehlt diesem Kabel der Induktionsschutz und seine Verwendungsfähigkeit ist wegen größerer Außendurchmesser wesentlich eingeschränkt. Während die Bleikabel mit 1 400 Doppeladern in die Kabelkanäle der Deutschen Post verlegt werden konnten, könne bei Verwendung der Plastmantelkabel nur noch Kabel mit 400 bis 600 Doppeladern eingeführt werden. Außerdem verteuere sich der Aufwand der Deutschen Post um ca. 10 Mio. MDN. Die Umstellung der Produktion im Kabelwerk Köpenick auf Plastmantelkabel ist 1967 vorgesehen. Dadurch würde das ganze Bauvorhaben der Deutschen Post mit hochpaarigen Röhrenkabeln nicht mehr realisierbar.
Im Jahre 1967 benötigt die Deutsche Post Styroflexkabel in Höhe von 10 Mio. MDN. Das Kabelwerk Oberspree habe jedoch nur die Lieferbereitschaft für 6,5 Mio. MDN erklärt. Als Begründung führt das Werk langfristige Handelsverträge an.
Auch bei sonstigen von der Deutschen Post benötigten Kabel und Leitungen werden 1966 Fehlmengen erwartet.
Durch den steigenden Anlagenexport bedingt, erhält die Deutsche Post z. B. nur zu etwa 50 % das dringend benötigte Systemkabel SY (St) Y (Kabelwerk Plauen und Köpenick). Deshalb könnten 1966 zahlreiche Hauptanschlüsse, die Erweiterung von vermittlungstechnischen und die Beschaltung von übertragungstechnischen Einrichtungen nicht plangerecht durchgeführt werden. Auch das Kabelwerk Meißen könne den Bedarf der Deutschen Post an Kabelgarnituren infolge zu geringer Kapazität nicht abdecken (nur zu zwei Drittel).
Auf dem Gebiet der Versorgung mit Vermittlungseinrichtungen, Lieferwerk ist das Fernmeldewerk Arnstadt, bestehe eine noch weitaus schwierigere Situation. Von den im Perspektivplan geforderten Vermittlungseinrichtungen in Höhe von 21,8 Mio. MDN konnte das Werk der Deutschen Post bisher Lieferungen für 3,6 Mio. MDN zusagen. Auch vom Fernmeldeanlagenbau angeforderten Vermittlungseinrichtungen für 10 Mio. MDN sind nicht gesichert. Obwohl eine Koordinierungsvereinbarung zwischen der VVB Nachrichtengeräte und Messtechnik1 mit der Deutschen Post besteht, lehnt das Fernmeldewerk Arnstadt mit der Begründung, darüber nicht informiert worden zu sein, Lieferungen in oben genannter Höhe ab.
Ferner beeinträchtigen Lieferrückstände aus den Jahren 1963, 1964 und 1965 speziell an Motorwähleinrichtungen,2 Vermittlungseinrichtungen, Bereitstellung von Ersatzteilen für Wähler alter und neuer Bauart, Telex-Einrichtungen, Gestellen usw. die Erweiterungs- bzw. Erhaltungsmaßnahmen der Deutschen Post nicht unwesentlich. Außerdem bevorzuge das Werk Liefertermine im 4. Quartal jeden Jahres, die dann zu erheblichen Schwierigkeiten in der Planerfüllung der Deutschen Post führen.
Von der VVB Beton wurde der Deutschen Post mitgeteilt, dass sie wegen mangelnder Befugnisse gegenüber den örtlichen Organen der Staatsmacht nicht in der Lage sei, den Bedarf an Spannbetonmastfüßen, Kabelschächten und Kabelkanalformsteinen zu decken.
Einige Räte der Bezirke, z. B. Potsdam und Magdeburg, ordneten in den ihnen unterstellten Betonwerken Produktionsumstellungen an, die sich nachteilig auf die Versorgung der Deutschen Post mit oben genannten Erzeugnissen auswirken. Im Bezirk Potsdam wurde die Produktion der Spannbetonmastfüße eingestellt, so dass die Deutsche Post diese für Telefonmaste dringend benötigten Mastfüße voraussichtlich nicht mehr erhalten wird. Der Rat des Bezirkes Magdeburg erließ am 15.3.1966 eine Lieferordnung, nach der Lieferung der Betonwerke außerhalb des Bezirkes nur »im Rahmen eines überbezirklichen Bilanzausgleiches« gestattet würden. Die Betonwerke wären in diesem Zusammenhang auch nicht mehr berechtigt, Verträge mit dem Amt für Materialwirtschaft der Deutschen Post Berlin abzuschließen. Da im Bezirk Magdeburg vornehmlich die Kabelschächte und Kabelkanalformsteine produziert werden, werde der Bedarf der Deutschen Post ernsthaft gefährdet. Der Deutschen Post seien ähnliche Weisungen an Betonwerke in anderen Bezirken der DDR bekannt.