Mediziner äußert sich negativ auf Fachkongress in Moskau
3. September 1966
Einzelinformation Nr. 650/66 über das Verhalten des Leiters des Instituts für experimentelle Epidemiologie und Lysotypie, Wernigerode, Dr. med. habil. Helmut Rische anlässlich des IX. Internationalen Kongresses für Mikrobiologie in Moskau
Vom 24.7. bis 30.7.1966 fand in Moskau der IX. Internationale Kongress für Mikrobiologie statt. Die DDR war auf diesem Kongress mit einer repräsentativen offiziellen Delegation des Ministeriums für Gesundheitswesen sowie mit einer größeren Anzahl Privatreisender vertreten.
Die organisatorischen Maßnahmen in Vorbereitung des Kongressbesuches der Teilnehmer aus der DDR wurden im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für die gesamte Hygiene – Gesellschaft für Seuchenschutz – von Dr. med. habil. Helmut Rische,1 Leiter des Instituts für experimentelle Epidemiologie und Lysotopie Wernigerode, geleitet.
Obwohl Dr. Rische zu den profiliertesten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Hygiene und Mikrobiologie in der DDR gehört, war er nicht bereit, der offiziellen Delegation der DDR zu diesem Kongress anzugehören. Offiziell erklärte er, dass er sich endlich einmal dem Kongress voll widmen und nicht mit organisatorischen Arbeiten belastet werden möchte. In internen Gesprächen brachte er dagegen zum Ausdruck, dass er nicht daran denkt, als Mitglied der offiziellen Delegation »unter roten Fahnen« zu fahren. Er möchte sich nicht mit dem offiziellen Auftreten der Delegation der DDR identifizieren. Darüber hinaus sei er als Privatreisender völlig unabhängig und könne tun und lassen, was er will.
Dr. Rische reiste bereits einige Tage vor der Eröffnung des Kongresses nach Moskau, um sich mit westdeutschen Kongressteilnehmern über »interne« Fragen zu beraten. Während des Kongresses wohnte er zunächst mit Dr. [Name] (gleichfalls Wernigerode) und später allein mit der westdeutschen Delegation zusammen.
Die engen Verbindungen Dr. Risches zur westdeutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie kommen auch in einem offiziellen Schreiben dieser Gesellschaft zum Ausdruck. Er wird darin als Beauftragter der westdeutschen Gesellschaft für »Mitteldeutschland« bezeichnet.
Die westdeutsche Gesellschaft versandte vor dem Kongress Einladungsschreiben für ein »zwangloses Treffen deutscher Teilnehmer« in Moskau an Kongressteilnehmer aus der DDR. In diesen Schreiben wurde auch auf einen Empfang des westdeutschen Botschafters in der UdSSR hingewiesen. Es besteht die begründete Annahme, das Dr. Rische der westdeutschen Gesellschaft die Namen der DDR-Teilnehmer übermittelt hat. An dem genannten Treffen, welches am 25.7.1966 im Restaurant des Hotels »Junest« stattfand, nahm u. a. auch Dr. Rische mit Ehefrau teil.
Bezeichnend für die Haltung Dr. Risches ist weiter, dass er eine ihm angetragene Funktion in einem internationalen Komitee nicht annehmen wollte, weil er nach seiner Meinung als »Ostdeutscher« nicht für ganz Deutschland sprechen könne.
Aufgrund dieser Tatsachen sollte geprüft werden, ob die weitere Tätigkeit Dr. Risches als Sekretär der Deutschen Gesellschaft für die gesamte Hygiene – Gesellschaft für Seuchenschutz – noch gerechtfertigt ist.