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NVA-Angehörige schlagen Berufsschulleiter in Rostock nieder

28. September 1966
Einzelinformation Nr. 726/66 über besondere Vorkommnisse durch NVA-Angehörige während des Ernteeinsatzes im Bezirk Rostock am 25.9.1966

Am 25.9.1966 gegen 1.45 Uhr wurde in Bergen/Rügen der Leiter der Landwirtschaftlichen Berufsschule Bergen, [Name 1], von drei Angehörigen des MSR 29 niedergeschlagen. Die NVA-Angehörigen Gefreiter [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Berlin-Lichtenberg, [Straße, Nr.] NVA seit 3.5.1965, Gefreiter [Name 3, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, wohnhaft Rostock, [Straße, Nr.], NVA seit 3.5.1965 und Soldat [Name 4, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Berlin-Friedrichshain, [Straße, Nr.], NVA seit 3.5.1965, verließen unerlaubt das Objekt und suchten in den Abendstunden des 24.9.1966 die HO-Gaststätte »Mecklenburger Hof« in Bergen auf, wo sie je zehn Glas Bier, drei doppelte Weinbrand und zusammen zwei Falschen Wein tranken.

Gegen 1.00 Uhr verließen sie das Lokal, um sich zur Unterkunft zu begeben. In der [Straße, Nr.] (Wohnung des [Name 1]) lief ihnen die Katze des [Name 1] über den Weg, wobei sie mit dem Stiefel mehrmals nach ihr traten. [Name 1], der mit seinem Sohn vom Bahnhof kam, sah diese Handlungsweise der NVA-Angehörigen und wies sie darauf hin, dass dies Tierquälerei sei. Anschließend entwickelte sich eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Soldat [Name 3] dem [Name 1] fünf Mal mit der Faust in das Gesicht schlug. ([Name 1] war den NVA-Angehörigen nicht bekannt.)

Unmittelbar am Zaun seines Grundstückes brach [Name 1] zusammen, hatte aber nach späteren Feststellungen nur leichte Verletzungen erlitten. Daraufhin flüchteten die NVA-Angehörigen, wobei es dem Sohn des [Name 1] gelang, den Soldaten [Name 4] zu stellen und festzuhalten. Die beiden anderen NVA-Angehörigen konnten kurz danach von der VP festgenommen werden.

Alle drei NVA-Angehörigen sind vorbestraft. [Name 4] erhielt wegen Autodiebstahls eine Gefängnisstrafe von sechs Wochen. [Name 3] wurde wegen unbefugten Benutzens von Kfz mit sechs Monaten Gefängnis bestraft. [Name 2] ist wegen Sachbeschädigung vorbestraft.

Die genannten NVA-Angehörigen wurden dem MStA zur Einleitung von E-Verfahren übergeben. Außerdem wurden [Name 4] mit zehn und [Name 3] mit drei Tagen Arrest bestraft. Gefreiter [Name 2] wurde zum Soldaten degradiert.

Am 24.9.1966 führte die 9. motorisierte Schützenkompanie des MSR 29 in Polchow/Rügen gemeinsam mit 48 Studenten der Universität Greifswald, die dort ebenfalls zum Ernteeinsatz waren, ein gemütliches Beisammensein durch. Dieses Vorhaben wurde vom Leiter des Erntestabes des MSR 29, Major Knack,1 genehmigt und durch den Kompaniechef der 9. Kompanie, Oberleutnant Lorenz,2 vorbereitet. Aufgrund der guten Leistungen im Ernteeinsatz sollte dieses Beisammensein zugleich als Kompaniefest dienen, wozu die Kompanie 500 MDN als Prämie erhielt.

Für die Durchführung dieser Veranstaltung war die Konsumgaststätte Polchow/Rügen vorgesehen, wobei mit dem Leiter dieser Gaststätte entsprechende Absprachen getroffen wurden. Durch den Gaststättenleiter wurde diese Veranstaltung jedoch als öffentlicher Tanzabend popularisiert, ohne die verantwortlichen Offiziere der NVA davon in Kenntnis zu setzen. Aufgrund der Popularisierung der Veranstaltung durch den Gaststättenleiter waren außerdem ca. 60 Zivilpersonen aus dem Ort und der Umgebung im Lokal anwesend. Im Verlauf des Abends kam es aufgrund von gegenseitigen Pöbeleien zu ständigen Reibereien zwischen den Zivilpersonen und den NVA-Angehörigen. Besonders fiel der als Kontrolloffizier eingesetzte Hauptmann Teichert, Günter,3 geboren [Tag, Monat] 1929, NVA seit 1.12.1949,4 Offizier für Technik und Ausrüstung des 3. MSB5 des MSR 29 auf, der im angetrunkenen Zustand wiederholt äußerte: »Ihr seid ja zu faul, um Eure Kartoffeln selbst herauszumachen. Da muss erst die Armee kommen, um Euch zu helfen.« Durch diese und ähnliche Äußerungen sowie durch unsachliche Entgegnungen seitens der Zivilpersonen kam es kurz vor Beendigung der Veranstaltung zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Zivilpersonen und NVA-Angehörigen. Um die Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, gab der mit der Leitung des Abends beauftragte Zugführer Unterleutnant Kutsche6 zwei Warnschüsse ab. Dadurch trat zunächst Ruhe ein. Kurze Zeit später versuchten einige Zivilpersonen Hauptmann Teichert zu umringen und in eine Schlägerei zu verwickeln. Durch mehrere Soldaten wurde Teichert jedoch aus dieser Lage befreit. Da sich die Situation abermals zuspitzte, forderte Hauptmann Teichert den Unterleutnant Kutsche auf, ihm seine Dienstpistole zu geben. Hauptmann Teichert gab daraufhin mit der Dienstpistole des Kutsche vier Warnschüsse ab. Durch energisches Einschreiten des Unterleutnant Kutsche kam es anschließend zu keinen weiteren Vorkommnissen.

Nach der Wiederherstellung der Ordnung brach Unterleutnant Kutsche gegen 1.30 Uhr die Veranstaltung ab. Nachdem die Studenten durch die NVA wieder zu ihren Stützpunkten gebracht worden waren, erfolgte der Rücktransport der NVA-Angehörigen zur Unterkunft im Ferienheim Neuhof.

Hauptmann Teichert, der vom Kommandeur des 3. MSB am 24.9.1966 mit der Kontrolle der 9. MSK beauftragt worden war, kümmerte sich nicht weiter um die Vorkommnisse, [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben].

Das Vorkommnis wurde mit dem Personalbestand ausgewertet. Hauptmann Teichert wurde mit drei Tagen Kasernenarrest bestraft.

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    3. Oktober 1966
    Einzelinformation Nr. 737/66 über den Aufenthalt von Prof. Dr. Charles West, Prof. für Christliche Ethik am Princeton Theological Seminary/USA, in der DDR

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    24. September 1966
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