NVA-Angehörige skandieren NS-Parolen in Oelsnitz
31. August 1966
Einzelinformation Nr. 640/66 über Ausschreitungen durch Angehörige der Grenzkompanie Posseck, 10. GR Plauen, am 17.8.1966
Am 17.8.1966 fuhr der 2. Zug der Grenzkompanie Posseck unter Leitung des Stellvertreters für Grenzsicherung Hauptmann Volkmann1 mit Lkw zu einem kollektiven Ausgang nach Oelsnitz/Vogtland. Hauptmann Volkmann benutzte entgegen den Dienstvorschriften mit weiteren drei Unteroffizieren seinen Privat-Pkw.
Nach dem Eintreffen in Oeslnitz suchten sie gegen 19.00 Uhr die HO-Gaststätte »Stadtkaffee« auf. Da durch den Ausfall der Musikbox an diesem Abend kein Tanz stattfand, kam es in der Folgezeit – durch das verantwortungslose Verhalten Hauptmann Volkmanns und der Unteroffiziere begünstigt – zu einem regelrechten Saufgelage. Durch die Ausgänger wurden je Person ca. 15 Glas Bier, Likör, Wein und Sekt getrunken. Die Zeche betrug pro Person zwischen 15,00 und 60,00 MDN.
Gegen 24.00 Uhr wurden die Soldaten zum Besteigen des Fahrzeugs aufgefordert, um in das Objekt zurückzufahren. Aufgrund dessen, dass sich die Ausgänger in stark angetrunkenem Zustand befanden und einzelne sich selbständig zu entfernen versuchten, konnte die Abfahrt erst gegen 0.30 Uhr erfolgen.
Durch Hauptmann Volkmann wurde als Verantwortlicher für den Lkw Gefreiter [Name 1, Vorname], bestimmt, der selbst unter starkem Alkoholeinfluss stand. Für die Ladefläche wurde kein Verantwortlicher befohlen. Hauptmann Volkmann und die Unteroffiziere fuhren im Pkw von Volkmann selbständig zurück. Auf der Ladefläche befanden sich die Soldaten [Name 2], [Name 3], [Name 4], [Name 5], [Name 6], [Name 7], [Name 8], [Name 9], [Name 10] und [Name 11]. Kurz nach der Abfahrt des Fahrzeuges wurden durch die Soldaten Lieder mit unmoralischen Texten abgesungen. In der weiteren Folge wurden dann durch einzelne Soldaten – nach ihren Aussagen angeregt durch Dokumentarfilme wie »der gewöhnliche Faschismus«2 – Hitler und Goebbels3 imitiert und nachgeäfft und dabei u. a. folgende Aussprüche gebraucht:
- –
»Wollt ihr den totalen Krieg?«;
- –
»Lasst die rote Pest nicht über Deutschland kommen«;
- –
»Es lebe Adolf Hitler«.
Diese Ausrufe wurden von den anderen Soldaten tumultartig jeweils mit »Hurra« oder »Sieg-Heil-Rufen« quittiert. Diese Vorgänge dauerten die ganze Fahrt über bis unmittelbar zum Kompanie-Objekt an. Nach Rückkehr zur Dienststelle wurde durch den Soldaten [Name 11] dem diensthabenden Unteroffizier Lange4 in Form eines Hinweises Meldung über dieses Vorkommnis erstattet. Aufgrund des stark angetrunkenen Zustandes der Ausgänger leitete Unteroffizier Lange keine weiteren Maßnahmen ein.
Die Untersuchungen ergaben, dass der unmittelbare Initiator für diese Vorgänge der Soldat [Name 2] war, der sich in stark angetrunkenem Zustand befand. [Name 2] wurde besonders von dem ebenfalls stark betrunkenen Soldaten [Name 6] unterstützt.
Begünstigt wurden diese Ausschreitungen vor allem durch die Handlungsweise des Hauptmanns Volkmann und der mit im Ausgang befindlichen Unteroffiziere, die die Soldaten sich selbst überließen und ihre Aufsichtspflicht gröblichst vernachlässigten. Weiter gibt es in der Kompanie Mängel in der politisch-ideologischen Erziehung und der Einhaltung der militärischen Ordnung.
Direkte feindliche Verbindungen,5 die zu diesen Handlungen geführt haben könnten, wurden durch die Untersuchungen nicht festgestellt. Bei den Initiatoren selbst lag nach den bisherigen Überprüfungsergebnissen auch keinerlei feindliche Zielstellung vor.6
Zur Person der Initiatoren:
Soldat [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, entstammt einer Handwerkerfamilie. Er arbeitete nach Abschluss der achtklassigen Grundschule vorwiegend im elterlichen Betrieb. Vor seiner Einberufung zur NVA war er im Karosseriebaubetrieb Karl-Marx-Stadt tätig. Am 2.11.1965 wurde er zu den Grenztruppen einberufen und im April 1966 in die Grenzkompanie Posseck versetzt. [Name 2] ist Mitglied der FDJ. Für gute Dienstdurchführung wurde er bisher dreimal belobigt. Der Vater ist Mitglied im Gemeinderat. [Name 2] fiel im Wohngebiet wiederholt durch übermäßigen Alkoholgenuss und negative Äußerungen an. Durch die Eltern werden Westverbindungen aufrechterhalten.
Soldat [Name 6, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, verheiratet, ein Kind, stammt aus einer Arbeiterfamilie. Nach Ableistung der Grundschulzeit erlernte er im VEB Steinkohlenwerk Oelsnitz den Beruf eines Hauers. In seinem Beruf zeigte er gute Arbeitsmoral. Am 2.11.1965 wurde er zur NVA/Grenze einberufen und nach Abschluss des Grundlehrganges in der Kompanie Posseck im Grenzdienst eingesetzt. Er leistete bisher einen guten Dienst. [Name 6] gehört dem FDGB und der FDJ an. Der Vater des [Name 6] ist Former, die Mutter als Korbmacherin tätig. Beide genießen einen guten Leumund.
Das Vorkommnis wurde in der Einheit in Verbindung mit dem zuständigen Militärstaatsanwalt ausgewertet. Die Soldaten [Name 2] und [Name 6] wurden mit je zehn Tagen Arrest bestraft.