NVA-Angehörigen kontaktieren Westberliner Beamte und Zivilisten
26. Oktober 1966
Einzelinformation Nr. 703/66 über Kontaktaufnahmen von NVA-Angehörigen des Sicherungskommandos des 33. GR, 1. Brigade der Stadtkommandantur Berlin, und der Grenzkompanie Buttlar, GR Dermbach zu Angehörigen der Westberliner Polizei, des Zolls und Westberliner Zivilpersonen bzw. zu Angehörigen des westzonalen BGS, des Zolls und zu westdeutschen Zivilpersonen
In der Zeit vom Juni bis Oktober 1966 kam es durch Angehörige des zur Sicherung von Abrissarbeiten im Grenzgebiet Berlin, Bernauer Straße eingesetzten Sicherungskommandos des 33. Grenzregiments, 1. Brigade der Stadtkommandantur Berlin, zu zahlreichen Kontaktaufnahmen mit Westberliner Polizeiangehörigen und Zivilpersonen. Das Sicherungskommando bestand aus NVA-Angehörigen verschiedener Kompanien des 33. GR, die zu diesem Zweck zum Stab des GR kommandiert worden waren.
Während seines Einsatzes zur Absicherung der zu Abrissarbeiten in der Bernauer Straße eingesetzten Bauarbeiter nahm der als Postenführer eingesetzte Gefreite [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1943, NVA seit 4.5.1965, mit den ihm als Posten unterstellten NVA-Angehörigen in der Zeit von Juni bis Oktober 1966 in über 30 Fällen Verbindung zu Angehörigen der Westberliner Polizei und zu Westberliner Zivilpersonen auf. Im Verlauf der dabei geführten Gespräche machte [Name 1] Angaben über sein Wehrdienstverhältnis, den bevorstehenden Entlassungstermin sowie Angaben über im Zusammenhang mit dem Einsatz zur Sicherung der Abrissarbeiten stehende Aufgaben. Bei diesen Begegnungen wurden von den Westpersonen Zigaretten und andere Genussmittel entgegengenommen.
Im Juni 1966 nahm [Name 1] Kontakt zu dem Westberliner Bürger [Vorname Name 2], Westberlin, [Straße, Nr.] auf, mit dem er in der Folgezeit außer dem persönlichen Kontakt auch postalische Verbindung unterhielt. Da [Name 1] für 1967 eine Reise nach Bulgarien plante, machte [Name 2] den Vorschlag, sich mit ihm in Bulgarien zu treffen und ihn finanziell zu unterstützen. Weiter nahm [Name 1] im Juli 1966 Verbindung zu der westdeutschen Bürgerin [Vorname Name 3] aus Hannover auf, mit der er sich auch in der Hauptstadt der DDR traf und in der Folgezeit ebenfalls im Briefwechsel stand. Von der [Name 3] erhielt [Name 1] Päckchen mit einem Nylonhemd und Genussmitteln.
Der Soldat [Name 4, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1945, NVA seit 4.11.1965, Posten 7. Kp., 33. GR, nahm in der Zeit von Juni bis Anfang September 1966 in ca. 45 Fällen, zum Teil gemeinsam mit anderen NVA-Angehörigen des Sicherungskommandos, ebenfalls Verbindung zu Angehörigen der Westberliner Polizei und zu Westberliner Zivilpersonen auf. Dabei wurden Gespräche allgemeinen Inhalts geführt und Westzigaretten entgegengenommen.
Der Soldat [Name 5, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1945, NVA seit 3.5.1966, Posten 2. Kp., GR 33, war an ca. zwölf Kontaktaufnahmen beteiligt, die auf Initiative des [Name 1] erfolgten. Wie die anderen NVA-Angehörigen beteiligte sich auch [Name 5] mit an den Gesprächen und an der Entgegennahme von westlichen Genussmitteln.
Der Gefreite [Name 6, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, NVA seit 4.5.1965, Postenführer, nahm in ca. zehn Fällen Kontakt zu Westberliner Zivilpersonen und zu Angehörigen der Westberliner Polizei auf.
Bei einer Kontaktaufnahme im Juli 1966 lernte [Name 6] den bereits genannten Westberliner Bürger [Vorname Name 2] kennen. Nach dem Austausch der Adressen standen beide miteinander im Briefwechsel, wobei [Name 6] an die von [Name 2] erhaltene westdeutsche Adresse Köln, Postfach 28 schrieb. Im August 1966 erhielt [Name 6] von [Name 2] ein Päckchen mit Genussmitteln über die Post zugestellt. In einem seiner letzten Briefe schlug [Name 2] dem [Name 6] für 1967 ein Zusammentreffen in der ČSSR vor.
Der im gleichen Abschnitt als Postenführer eingesetzte Gefreite [Name 7, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, NVA seit 4.5.1965, nahm in ca. 50 Fällen Kontakt zu Angehörigen der Westberliner Polizei sowie zu Zivilpersonen auf. Mitte Juni 1966 nahm er auch Kontakt zu dem bereits genannten [Name 2] auf, wobei sie sich vorwiegend über die von [Name 2] angeblich unternommenen Urlaubsreisen unterhielten, [Name 2] bot [Name 7] auch wiederholt Geschenke an, woraufhin sich [Name 7] eine Zündkerze für sein Motorrad mitbringen ließ. Mitte Juli 1966 traten beide nach dem Austausch der Adressen in Briefverkehr. Unmittelbar danach erhielt auch [Name 7] von [Name 2] ein Päckchen mit Genussmitteln an seine Heimatanschrift gesandt. Sowohl in den Unterhaltungen als auch schriftlich trug [Name 2] dem [Name 7] das Anliegen vor, seinen Urlaub bei den Eltern des [Name 2] in Ribnitz-Damgarten verleben zu wollen. Weiter versuchte er [Name 7] für eine Zusammenkunft in der ČSSR zu gewinnen, wofür er ihm finanzielle Unterstützung in Aussicht stellte.
Bei diesen Zusammenkünften wurden von den Westberliner Polizeiangehörigen oder Zivilpersonen neben einer großen Anzahl einzelner Zigaretten u. a. über 15 Schachteln Zigaretten, eine Flasche Weinbrand, ein Brathähnchen und Zeitschriften entgegengenommen. Westberliner Territorium wurde in keinem Fall betreten.
Begünstigt wurden die Kontaktaufnahmen vor allem durch die ungenügende Kontrolle durch die verantwortlichen Offiziere des Regimentsstabes. Die mit der Leitung des Sicherungskommandos beauftragten Dienstvorgesetzten wurden häufig gewechselt, wobei die Leiter des Kommandos nur zeitweilig im Kommando anwesend waren und teilweise selbst Kontaktaufnahmen der eingesetzten Bauarbeiter zu Westberliner Verwandten zuließen bzw. sich in Einzelfällen selbst an Verbindungsaufnahmen beteiligten. Die im Kommando eingesetzten NVA-Angehörigen nahmen aufgrund ihrer Kommandierung seit mehreren Monaten an keiner Politschulung teil. Sie wurden nur ungenügend in ihre Sicherungsaufgaben eingewiesen und während ihres Einsatzes kaum kontrolliert.
Die vorgenannten NVA-Angehörigen wurden durch das MfS festgenommen. Weitere Untersuchungen, vor allem auch über die an Kontaktaufnahmen beteiligten Westpersonen, werden noch geführt.1
Durch die Tätigkeit des MfS wurde weiter bekannt, dass insgesamt zehn Angehörige des 1. Zuges der Grenzkompanie Buttlar wiederholt Verbindung mit westdeutschen Zöllnern, BGS-Angehörigen und Zivilpersonen aufgenommen haben. Die Kontaktaufnahmen erstreckten sich auf den Zeitraum von Oktober 1965 bis Juni 1966 und gingen ausschließlich von den NVA-Angehörigen aus.
Initiator war der Gefreite [Name 8, Vorname], NVA seit 3.5.1965, der an allen Verbindungsaufnahmen mit beteiligt war. Ziel der Kontakte war es, in den Besitz von Westzigaretten und anderen Genussmitteln zu kommen. Insgesamt wurden Flaschenbier, zwei Tafeln Schokolade, zwei Schachteln Zigaretten sowie einzelne Zigaretten entgegengenommen. Bei diesen Zusammenkünften wurden nach übereinstimmenden Feststellungen nur Gespräche allgemeiner Art geführt; zur Preisgabe von Dienstgeheimnissen ist es nach den Untersuchungsergebnissen nicht gekommen. Westdeutsches Territorium wurde ebenfalls nicht betreten.
Die Vorkommnisse wurden in der Kompanie durch Vernachlässigung der Kontroll- und Aufsichtspflicht durch die Vorgesetzten sowie durch eine ungenügende politisch-ideologische Erziehung des Personalbestandes begünstigt.
Nach Abschluss der Untersuchungen wurden die Kontaktaufnahmen in der Kompanie ausgewertet und die Beteiligten disziplinarisch bestraft. Der Initiator der Verbindungsaufnahme, Gefreiter [Name 8], wurde mit zehn Tagen Arrest bestraft, außerdem wurde er zum Stab des Grenzregiments versetzt. Die Mitbeteiligten Soldaten [Name 9] und [Name 10] erhielten fünf Tage Arrest und wurden ebenfalls aus der Linie zum Grenzregiment abgezogen. Der Soldat [Name 11] und der Gefreite [Name 12] erhielten drei Tage Arrest, verblieben aber in der Grenzkompanie.