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NVA-Soldaten kontaktieren Westberliner Polizisten

19. Januar 1966
Einzelinformation Nr. 39/66 über Kontaktaufnahmen von NVA-Angehörigen der 1. Kompanie, Grenzregiment 34, 2. Grenzbrigade, zu Angehörigen der Westberliner Polizei und Zivilpolizisten

Durch die Tätigkeit des MfS wurde bekannt, dass Angehörige der 1. Kompanie, GR 34, 2. GB, während des Grenzdienstes im Raum Sacrow, [Kreis] Potsdam1 wiederholt Kontakt zu Angehörigen der Westberliner Polizei aufgenommen haben. Die sofort eingeleiteten Untersuchungen ergaben bisher Folgendes:

Seit November 1965 bis 8.1.1966 nahmen elf Angehörige (vier Gefreite, sieben Soldaten) der 1. Kompanie im Kompaniebereich Sacrow – Groß Glienicke, [Kreis] Potsdam während des Grenzdienstes insgesamt in über 30 Fällen Kontakt zu Angehörigen der Westberliner Polizei und in Einzelfällen zu Westberliner Zivilpersonen auf. Initiatoren waren hauptsächlich die Soldaten [Name 1] und [Name 2].

Durch die Genannten wurden in mehreren Fällen Gespräche mit den Westpolizisten geführt, wobei neben persönlichen Belangen u. a. auch über

  • Verdienstmöglichkeiten in der NVA

  • Verpflegung und Betreuung der NVA-Angehörigen

  • Dienstzeit und Freizeitgestaltung

  • Fahnenfluchten

gesprochen wurde. Bei allen Kontaktaufnahmen wurden von den NVA-Angehörigen vor allem Zigaretten und andere Genussmittel erbettelt und angenommen. Bei der Kontaktaufnahme Anfang Januar nahm [Name 2] Zigaretten und eine »Bild-Zeitung« entgegen. Diese Zeitung, die besonders Hetze gegen die Staatsgrenze der DDR enthielt, gab er drei Kompanieangehörigen zum Lesen weiter. Anschließend schickte er die Zeitung an seine Ehefrau nach Hause. Soldat [Name 1] bediente sich zur Aufnahme von Kontakten bei Dunkelheit seiner Taschenlampe, mit der er den Westpolizisten in Richtung Westberlin Blinkzeichen gab.

Im Zusammenhang mit den Untersuchungen wurde bekannt, dass sich Soldat [Name 1] und Gefreiter [Name 3] seit längerer Zeit mit dem Gedanken trugen, fahnenflüchtig zu werden.

Als begünstigende Umstände wirkten vor allem die ungenügend überzeugende politische Erziehungsarbeit, mangelhafte Kontrollen durch die verantwortlichen Offiziere im Kompaniebereich und die oberflächliche Organisation der Postengestaltung im Rahmen der Grenzdienstdurchführung.2

Die 1. Kompanie des GR 34 wurde am 13.1.1966 vorläufig aus dem Grenzdienst herausgelöst. Soldat [Name 2] wurde durch das MfS inhaftiert. Der zuständige MStA wurde vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt und leitete gegen die beteiligten NVA-Angehörigen weitere Maßnahmen ein.

Im Ergebnis der noch andauernden Untersuchungen wird über eventuell erforderliche Versetzungen der NVA-Angehörigen von der Linie entschieden.

Nach Abschluss der Untersuchungen werden durch die Polit-Verwaltung der Stadtkommandantur weitere Maßnahmen zur Auswertung der Kontaktaufnahme eingeleitet.

  1. Zum nächsten Dokument Grenzsoldaten kontaktieren Bayerische Beamten und Zivilisten

    20. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 44/66 über Kontaktaufnahmen durch NVA-Angehörige der Kompanie Probstzella, Grenzbrigade Rudolstadt, zu Angehörigen der Bayerischen Grenzpolizei, Westzöllnern und westdeutschen Zivilpersonen

  2. Zum vorherigen Dokument Schüsse an der Berliner Mauer im Abschnitt Bernauer Straße

    18. Januar 1966
    Einzelinformation Nr. 36/66 über eine Grenzprovokation an der Staatsgrenze zu Westberlin im Abschnitt Bernauer Straße am 15.1.1966