Passierscheinerteilung zu Ostern/Pfingsten (1)
28. März 1966
1. Bericht Nr. 246/66 über den Verlauf des 4. Passierscheinabkommens Ostern/Pfingsten 1966
Für den Besuchszeitraum Ostern/Pfingsten 1966 wurden von Westberliner Bürgern 400 247 Anträge für 1 176 337 Personen und 124 065 Kfz zum Besuch der Hauptstadt der DDR gestellt. (Gleicher Zeitraum 1965: 1 302 539 Personen und 121 476 Kfz).1
Davon für die Besuchsperiode Ostern 1966 Anträge für 586 057 Personen und 62 228 Kfz. (Ostern 1965 Anträge für 659 330 Personen und 61 871 Kfz) für die Besuchsperiode Pfingsten 1966 Anträge für 590 280 Personen und 61 837 Kfz. (Pfingsten 1965 Anträge für 643 209 Personen und 59 603 Kfz).
Zu erwartende Schwerpunkte sind:
Ostern
8.4. mit | 85 219 Personen | und 9 172 Kfz |
|---|---|---|
9.4. mit | 64 513 Personen | und 6 538 Kfz |
10.4. mit | 89 514 Personen | und 7 711 Kfz |
11.4. mit | 65 469 Personen | und 6 112 Kfz |
16.4. mit | 77 277 Personen | und 10 114 Kfz |
17.4. mit | 69 681 Personen | und 8 880 Kfz |
Pfingsten
28.5. mit | 65 538 Personen | und 7 257 Kfz |
|---|---|---|
29.5. mit | 112 675 Personen | und 9 887 Kfz |
30.5. mit | 96 470 Personen | und 9 071 Kfz |
4.6. mit | 88 213 Personen | und 10 799 Kfz |
5.6. mit | 74 329 Personen | und 9 097 Kfz |
Absoluter Schwerpunkt bildet die Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße – Ostern und Pfingsten mit jeweils über 48 % des Einreiseverkehrs mit Passierscheinen.
Die zu erwartende Einreise über die einzelnen GÜST ergibt folgende prozentuale Übersicht:
Ostern | [–] | [–] | Pfingsten | [–] |
|---|---|---|---|---|
[GÜST] | Personen | Kfz | Personen | Kfz |
Bahnhof Friedrichstraße | 48,4 % | – | 48,6 % | – |
Sonnenallee | 15,7 % | 37,0 % | 15,7 % | 37,0 % |
Chausseestraße | 14,5 % | 31,2 % | 14,5 % | 31,2 % |
Invalidenstraße | 11,7 % | 31,8 % | 11,5 % | 31,8 % |
Oberbaumbrücke | 9,7 % | – | 9,7 % | – |
Bei der Genehmigung der Passierscheinanträge wurden sämtliche Wünsche der Antragsteller in Bezug auf die GÜST berücksichtigt. Das Verhältnis der Einreise über die einzelnen GÜST hat sich gegenüber den vorherigen Passierscheinabkommen nicht verändert.
Während der Beantragungsperiode des 4. Passierscheinabkommens (14. bis 26.3.1966) kam es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen oder besonderen Vorkommnissen. Der Grenzübergang sowie der Transport der DDR-Postangestellten2 zu und von den Passierscheinstellen in Westberlin – einschließlich der Kurierfahrten – verliefen ohne Störungen. Lediglich beim Transport der DDR-Postangestellten zur Passierscheinstelle Steglitz am 25.3.1966 kam es zu einem unbeabsichtigten Zusammenstoß des Transportbusses und einem Pkw »Fiat«. Dabei entstand leichter Blechschaden am Bus. Die Fahrt konnte nach fünf Minuten Aufenthalt fortgesetzt und die Passierscheinstelle pünktlich geöffnet werden.
In den Passierscheinstellen wurden im Wesentlichen einwandfreie Arbeitsbedingungen vorgefunden. Festgestellte kleinere Mängel wurden durch die verantwortlichen Westberliner Kräfte sofort beseitigt.
Bei der Öffnung der Passierscheinstellen am 14.3.1966 kam es – in den einzelnen Passierscheinstellen unterschiedlich – zu einem stärkeren Andrang von Antragstellern. Anfängliche Wartezeiten (teilweise bis ca. eine Stunde) konnten aber noch im Verlaufe der Vormittagsstunden beseitigt werden. Auch an den folgenden Tagen war eine kontinuierliche und reibungslose Abfertigung – ohne größere Wartezeiten – gewährleistet. Vom ersten Tag der Beantragungsperiode an, konnten in allen Passierscheinstellen zeitweise mehrere Schalter geschlossen werden. Während der letzten Woche der Passierscheinbeantragung wurde die Anzahl der eingesetzten DDR-Postangestellten – in den einzelnen Passierscheinstellen unterschiedlich – stark reduziert. Während der Öffnungszeiten wurden sämtliche Antragsteller abgefertigt.
Die Arbeit der DDR-Postangestellten in den Passierscheinstellen verlief im Allgemeinen ungestört. Allgemein ist einzuschätzen, dass die Westkräfte ebenfalls auf eine einwandfreie und reibungslose Abfertigung der Antragsteller bedacht waren. Von den Westkräften wurde von Anfang an die Linie verfolgt, die Fragen der Zusammenarbeit mit den DDR-Postangestellten weitgehendst auf Absprachen zwischen den Leitern der Westkräfte und den DDR-Gruppenleitern zu konzentrieren.
Soweit anfangs Mängel in der Abfertigung der Antragsteller festgestellt wurden, waren diese vorwiegend auf Hilfskräfte des Westberliner Senats zurückzuführen. Nach entsprechenden Protesten der DDR-Gruppenleiter wurden durch die Leiter der Westkräfte Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit dieser Kräfte eingeleitet. Bei der Unterstützung der Antragsteller zur Ausfüllung und Kontrolle der Anträge und der Personalunterlagen gab es bei einem Teil der Westkräfte anfänglich Unsicherheiten in der konkreten Kenntnis des Inhalts des Passierscheinprotokolls. Daraus resultierten gewisse Oberflächlichkeiten bei der Abfertigung der Antragsteller. Vorwiegend handelte es sich dabei um Westpostkräfte, die erstmals eingesetzt waren. Nach entsprechenden Hinweisen durch die DDR-Gruppenleiter wurden durch die Leiter der Westkräfte entsprechende Veränderungen herbeigeführt.
Am 18.3.1966 wurde erstmals mit Lenkungsmaßnahmen für bereits stark ausgelastete Besuchstage begonnen. In allen Passierscheinstellen wurden entsprechende Hinweistafeln aufgestellt und die Antragsteller entsprechend beraten. Durch die Westkräfte wurden diese Maßnahmen – wenn auch zunächst mit unterschiedlicher Intensität – ebenfalls unterstützt. Anfangs setzten sich die Westkräfte teilweise ungenügend mit den Antragstellern auseinander oder behaupteten einfach, dass bestimmte Tage für die Antragstellung »gesperrt« seien. In der Folgezeit benutzten sie mehr und mehr die Argumentation der DDR-Angestellten. Ein Teil der Westkräfte richtete sich bei der Durchsetzung dieser Maßnahmen völlig nach den DDR-Angestellten, ohne die Weisungen des Senats dazu abzuwarten. Dadurch wurden die Antragsteller im Wesentlichen auch durch die Westkräfte richtig orientiert und beraten. Der überwiegende Teil der Westberliner Antragsteller brachte den Lenkungsmaßnahmen Verständnis entgegen und wählte entsprechend den Hinweisen andere Besuchstage aus. Es gab aber auch eine relativ große, in den Passierscheinstellen unterschiedliche Anzahl von Antragstellern, die auf den gewünschten Besuchstagen beharrten. Besonders in den letzten Tagen wurde in mehreren Passierscheinstellen beobachtet, dass eine größere Anzahl Antragsteller es ablehnten, eine Änderung ihrer Besuchstage vorzunehmen. In den Passierscheinstellen Wedding, Wilmersdorf und Steglitz blieb die Mehrheit der Antragsteller bei den ursprünglich gewählten Besuchstagen. Die Argumentation der Antragsteller für das Beharren auf bestimmten Besuchstagen glich im Wesentlichen der bei vorhergegangenen Aktionen. Vielfach wurde geäußert, dass es nach den bisherigen Erfahrungen schon klappen würde, da sie bisher immer ihre Passierscheine auch für bereits stark ausgelastete Besuchstage erhalten hätten. Oft wurde auch der gemeinsame Besuch mit Verwandten und Bekannten bzw. die Mitfahrt im Pkw von Bekannten als Begründung angegeben.
Zur Abfertigung von Betriebsräten mit Sammelanträgen bezogen die Westkräfte in den einzelnen Passierscheinstellen eine unterschiedliche Haltung.3 Während in den meisten Passierscheinstellen durch die Westkräfte keine Einsprüche gegen die Abfertigung von Betriebsräten mit Sammelanträgen erhoben wurden, erklärten die Leiter der Westkräfte in einzelnen Passierscheinstellen, diese Handhabung würde gegen die Festlegungen im Protokoll verstoßen. In der Passierscheinstelle Wedding, Gotenburger Straße,4 ließ der Leiter der Westkräfte jeweils die Personalien der Betriebsräte feststellen. Er unternahm jedoch nichts, um eine Abfertigung zu verhindern. Eine direkte Störung der Abfertigung von Betriebsräten durch die Westkräfte wurde aus keiner Passierscheinstelle bekannt.
In der Passierscheinstelle Steglitz schickten die Westkräfte die Antragsteller, welche als Verwandtschaftsgrad Cousin und Cousine angaben, in das Geschäftszimmer der Westkräfte. In der gleichen Passierscheinstelle registrierte der Westpostler [Name] alle Anträge, die nicht den Protokollfestlegungen entsprachen. (Besuchsziel: Cousin, Cousine, Friedhof usw.). [Name] erklärte dazu, dies erfolge zu dem Zweck, bei der Passierscheinausgabe zu überprüfen, ob diese Personen trotzdem Passierscheine erhalten. In diesem Fall würden alle diesbezüglichen Protokollfestlegungen und Kontrollmaßnahmen überflüssig.
Das Verhalten und die Disziplin der eingesetzten Westkräfte war im Wesentlichen gut. Mit dem Rückgang der Arbeitsbelastung zeigte sich bei einigen Westkräften jedoch die Tendenz einer nachlassenden Arbeitsmoral. Zum Beispiel waren in einigen Passierscheinstellen die Leiter der Westkräfte stundenweise in der jeweiligen Passierscheinstelle nicht anwesend. In der Passierscheinstelle Reinickendorf, Thurgauer Straße kam ein Angehöriger der Westpost unter starkem Alkoholeinfluss zur Arbeit. Auswirkungen auf die Abfertigung der Antragsteller waren jedoch nicht zu verzeichnen.
In einzelnen Fällen wurden wieder die üblichen Geschenke – vorwiegend Genussmittel – angeboten, die jedoch korrekt und höflich zurückgewiesen wurden. Wiederholt wurde auch versucht, durch belanglose Gespräche einen engeren Kontakt zu den DDR-Angestellten herzustellen. In allen Fällen wurde darauf nicht bzw. abweisend reagiert.
In allen Passierscheinstellen wurde bereits in den letzten Tagen der Beantragungsperiode mit den Vorbereitungsarbeiten zur Ausgabe der Passierscheine begonnen.
Leitende Mitarbeiter des Westberliner Senats und der Landespostdirektion Westberlin suchten vor allem in den ersten und letzten Tagen der Beantragungsperiode die Passierscheinstellen auf, um sich über den Ablauf der Arbeiten bzw. über den Stand der Vorbereitungen für die Passierscheinausgabe zu informieren.
In den Passierscheinstellen traten besonders am Anfang und in den letzten Tagen der Beantragung Foto-, Film- und Fernsehreporter auf, ohne dass dadurch die Arbeit unserer Postangestellten gestört oder behindert wurde.
Zu irgendwelchen feindlichen Handlungen oder direkten Provokationen innerhalb der Passierscheinstellen kam es bisher nicht.