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Probleme bei der Einführung von Blitzschutzanlagen

22. Oktober 1966
Einzelinformation Nr. 788/66 über einige mit dem vorbeugenden Brandschutz zusammenhängende Probleme des Blitzschutzes in der DDR

In den Untersuchungen des MfS zur Ermittlung der Ursachen von Bränden und zur Entlarvung von Brandstiftern, die in feindlicher Absicht handelten, wurde festgestellt, dass auch ein beträchtlicher Teil der Brände durch Blitzschlag ausgelöst wurde und zu großen Schäden führte. In diesem Zusammenhang stieß das MfS bei seinen Untersuchungen auf eine Reihe Probleme des Blitzschutzes in der DDR, auf die nachfolgend aufmerksam gemacht werden soll.

Im Zeitraum von 1961 bis einschließlich I/1966 waren insgesamt 685 durch Blitzschlag ausgelöste Brände mit einem Sachschaden von 14,3 Mio. MDN zu verzeichnen. (Diese Angaben sind jedoch noch keineswegs vollständig, da nur die wichtigsten Bereiche – Industrie, Bauwesen, Handel und Landwirtschaft – erfasst wurden.)

Eine Aufschlüsselung dieser Brände ergibt:

Jahr

Industrie/Bau/Handel

[Summe Sachschaden]

Landwirtschaft

[Summe Sachschaden]

1961

84

2 247 170 MDN

1962

7

236 260 MDN

69

1 580 050 MDN

1963

23

534 000 MDN

200

3 267 745 MDN

1964

9

87 800 MDN

139

2 970 085 MDN

1965

12

497 250 MDN

80

1 559 225 MDN

I/1966

7

51 500 MDN

55

1 331 100 MDN

In den Bereichen Industrie, Bau und Handel wurden vorwiegend kleinere Betriebe und Anlagen der Energiewirtschaft, z. B. Trafostationen, durch Blitzschläge getroffen und beschädigt. In der Landwirtschaft dagegen wurden von Blitzschlägen größere Wertobjekte wie Scheunen, Lagergebäude, Viehställe und kombinierte Wohn-, Lager- und Stallgebäude betroffen.

Die Bezirke Neubrandenburg, Dresden, Cottbus und Karl-Marx-Stadt weisen die höchste Anzahl von Blitzschlagschäden aus.

Bei der Untersuchung des gesamten Schadensgeschehens durch Blitzschlag wurden als Ursachen bzw. als begünstigende Umstände festgestellt:

  • 1.

    Die Objekte waren überhaupt nicht durch Blitzschutzanlagen gesichert.

  • 2.

    Bei einer Reihe von Objekten waren die Blitzschutzanlagen defekt; die periodisch vorgeschriebenen Überwachungszeiträume für Blitzschutzanlagen wurden nicht eingehalten.

  • 3.

    Blitzschutzanlagen waren teilweise unsachgemäß installiert worden.

Da in diesem Zusammenhang prinzipielle Unklarheiten und subjektive Auslegungsmöglichkeiten bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen über die Errichtungspflicht für Blitzschutzanlangen »Arbeitsschutzbestimmung (ASAO) 955«1

  • Errichtung und Überwachung von Blitzschutzanlangen – (erlassen 1955) in Verbindung mit der »TGL 200 – 0616«2

  • Blitzschutz für Bauten und nichtelektrotechnische Anlagen – (verbindlich ab 1.1.1966)

festgestellt wurden und es auf diesem Gebiet scheinbar die größten Schwierigkeiten im vorbeugenden Brand-Blitzschutz gibt, soll zu diesem Problem umfassender informiert werden.

Die ASAO 955 § 5 besagt eindeutig, dass folgende Objekte durch Blitzschutzanlagen zu schützen sind:

  • a)

    Sprengstoffbetriebe und andere Betriebe, die der Herstellung, Verarbeitung und Lagerung leicht entzündlicher Stoffe dienen;

  • b)

    Theater, Lichtspieltheater und große Warenhäuser;

  • c)

    hohe, die Umgebung überragende Gebäude oder Gebäudeteile, wie z. B. Türme und Schornsteine;

  • d)

    Speicherräume, Silos und Wirtschaftsgebäude der Maschinenausleihstation, der volkseigenen Güter und landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften.3

Zusammen mit dem § 2 der ASAO 955 »Über die Pflicht der Errichtung von Blitzschutzanlagen an sonstigen bestehenden oder neu zu errichteten Objekten entscheidet die zuständige Dienststelle der HVDVP, Hauptabteilung Feuerwehr, im Einvernehmen mit der zuständigen Arbeitsschutzinspektion« beinhalten diese Festlegungen nach Auffassung des MfS zu große subjektive Auslegungsmöglichkeiten. So erfolgte unter Bezugnahme auf diesen Absatz des § 2 eine nach Auffassung des MfS weitere Einschränkung der Errichtungspflicht für Blitzschutzanlagen durch eine Verfügung des Ministeriums für Bauwesen – Richtlinie über den Bau von Rinderoffen- und Schweineställen vom März 1960 –, in der es u. a. heißt:

»Rinderoffen- und Schweineställe sowie die dazugehörigen gleichartigen baulichen Anlagen ohne technische Einrichtungen, die den zeitweiligen oder dauernden Aufenthalt von Bedienungspersonal erforderlich machen, gelten nicht als Wirtschaftsgebäude oder Speicherräume im Sinne der ASAO 955 (§ 2) und der Deutschen Bauordnung (§ 290).4 Blitzschutzanlagen sind an solchen Gebäuden nur dann vorzusehen, wenn diese am besonders exponierter Stelle errichtet werden oder die Gefahr eines Blitzschlages erfahrungsgemäß gegeben oder anzusehen ist.«5

Wie die Einschätzung der erfassten Schadensfälle ausweist, widersprechen diese Festlegungen der ASAO 955 und bilden eine wesentliche Grundlage für die subjektiv bedingten Auslegungsmöglichkeiten bei der Errichtungspflicht von Blitzschutzanlagen an Gebäuden und Lagerstätten speziell in der Landwirtschaft. Beispiele für ähnliche subjektive Auslegungen, die auf eine leichtfertige Behandlung des Problems, auf die Umgehung gesetzlicher Bestimmungen und auf die Ignorierung der Meinung von Fachleuten auf dem Gebiet des Blitzschutzes hinweisen, lieferte das Ministerium für Bauwesen, speziell die Staatliche Bauaufsicht, in folgendem Fall:

Die Staatliche Bauaufsicht Dresden erließ am 13.4.1960 eine Verfügung zur weitergehenden Einsparung von Blitzschutzanlagen bei Neubauten der Stadt Dresden. Eine ähnliche Orientierung erfolgte 1963 durch dasselbe Organ für den gesamten Bezirk Dresden.6

Namenhafte Fachleute (z. B. Prof. Schröder/7Dresden) haben deshalb seit Beginn der Unterschätzung bzw. der erkannten Einschränkung der allgemeinen Bestimmungen des Blitzschutzes durch verschiedene staatliche Organe verlangt, den zwingenden und notwendigen Schutz für die bereits aufgeführten gesellschaftlichen Gebäude und für Wohngebäude gesetzlich nochmals zu fixieren. Für Wohngebäude wurde diese Forderung wegen der Vergrößerung einer Blitzschlaggefahr durch die in den letzten Jahren zahlreich errichteten UKW- und Fernsehantennen erhoben.

Wie sich in den Untersuchungen als weiterer Mangel herausstellte, wurden in vielen Fällen die im den §§ 4 und 6 der ASAO 955 angeordneten Bedingungen für die Errichtung und laufende Überwachung von Blitzschutzanlagen nicht eingehalten. Diese Feststellung trifft insbesondere für den vom Blitzschlag am meisten gefährdeten Wirtschaftszweig Landwirtschaft zu.

Im Zusammenhang mit den bisher angeführten Mängeln wird darauf hingewiesen, dass seit mehreren Jahren unter Federführung der am Entwurf einer Arbeits- und Brandschutzordnung 955/1 (ABAO) als Ersatz der ASAO 955 gearbeitet wird.8 Der bisher vorliegende Entwurf enthält nach Meinung des MfS jedoch weiterhin Ungenauigkeiten. So werden in dem Entwurf z. B. keine wesentlichen Veränderungen hinsichtlich der Pflicht zur Errichtung von Blitzschutzanlagen vorgenommen. Ferner werden in diesem Entwurf weitere detaillierte Angaben über zu schützende Gebäude gemacht, jedoch die Pflicht zur Errichtung von Blitzschutzanlagen für landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude wird nicht exakt und für zu schützende Wohngebäude überhaupt nicht definiert. Eine weitere Streitfrage bei der endgültigen Fassung besteht zwischen der und der HA Feuerwehr des MdI in der Frage der Verantwortlichkeit beider Organe für Anordnungen zur Errichtung von Blitzschutzanlagen und die Überwachungspflicht.

Die für einen umfassenden Blitzschutz zuständigen staatlichen Organe

  • MdI, HA Feuerwehr und nachgeordnete Dienststellen

  • , Zentralinspektion und nachgeordnete Organe

  • KdT, Fachverband Elektrotechnik und zuständige Unter- und Arbeitsausschüsse

  • sowie

  • der Landwirtschaftsrat der DDR und

  • Deutsche Versicherungsanstalt

haben in der Vergangenheit offensichtlich dem vorbeugenden Blitzschutz zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl aus der Schadensstatistik ersichtlich ist, dass seit 1961 keine rückläufige Tendenz in dem durch Blitzschlag ausgelösten Brandgeschehen eingetreten ist (Unterschiede in den einzelnen Jahren sind aus der unterschiedlichen Gewitterhäufigkeit und -Intensität abzuleiten.)

Zahlreiche Objekte mit relativ großem Wertumfang sind noch immer nicht mit Blitzschutzanlagen ausgerüstet, wobei offensichtlich die Tendenz unterschätzt wird, dass in der Landwirtschaft eine immer größere Konzentration materieller Werte erfolgte (Viehkombinate, größere Lagerobjekte).

Beispielsweise wurden Anfang 1965 im Bezirk Neubrandenburg Erhebungen durchgeführt, die zum Ergebnis hatten, dass in den am stärksten blitzgefährdeten 151 Gemeinden Blitzschutzanlagen im Wert von 2,2 Mio. MDN auf Altbauten errichtet werden müssten. Diese Versäumnisse sind nicht nur auf Verschulden von Betriebsleitern und Eigentümern blitzgefährdeter Objekte zurückzuführen, auch können nicht immer mangelnde Baukapazitäten als Gründe anerkannt werden. Wie die Untersuchungsergebnisse nachweisen, liegen auch gleichermaßen Versäumnisse der Feuerwehr als Aufsichtsorgan und mangelnde Orientierung des Landwirtschaftsrates der DDR und seiner Organe vor. (Die Kirche im Bezirk Magdeburg hat z. B. die regelmäßige Überwachung der Blitzschutzanlagen in ihren Objekten durch private Sachverständige organisiert.)

Weiterhin wurden bei einer Reihe von installierten Blitzschutzanlagen Mängel festgestellt (Alterserscheinungen durch Korrosion, Beschädigungen usw.), wodurch diese Anlagen unwirksam wurden und als Gefahrenquelle anzusehen sind.

Im Herbst 1964 wurden z. B. im Bezirk Neubrandenburg bei 333 Betrieben Mängel an 410 Blitzschutzanlagen festgestellt, was die ungenügenden Überwachungsmaßnahmen charakterisiert. (Dieses Problem trifft aber nicht nur für den Bezirk Neubrandenburg zu.)

Die ordnungsgemäße Überwachungstätigkeit scheiterte in der Vergangenheit an offensichtlichem Kadermangel seitens der KdT (speziell in der Landwirtschaft).

Aus den vorhandenen Unterlagen ist weiter ersichtlich, die HA Feuerwehr war immer wieder bestrebt, der die Verantwortung zur Erteilung von Auflagen und Prüfung von Blitzschutzanlagen zu übertragen. Die lehnte solche Vorstellungen stets mit dem Hinweis auf die Kadersituation im eigenen Apparat ab.

Im Fachunterausschuss »Blitzschutzanlagen« der KdT beschäftigte man sich in der Vergangenheit mit Grundsatzfragen und technischen Details im Blitzschutz (Erarbeitung der TGL 200 – 0616). Seine Bemühungen um eine Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen für den Blitzschutz blieben aber relativ wirkungslos und wurden auch – unter Hinweis auf die im Entwurfstadium befindliche ABAO 955/1 – vom MdI und der kaum unterstützt.

In diesem Fachunterausschuss wurde aber auch die Problematik des vorbeugenden Blitzschutzes durch Auffassungen beeinträchtigt, die den sogenannten leichten Blitzschutz ablehnen. Die HA Feuerwehr hatte 1961 eine Studie über die Zweckmäßigkeit der Einführung des »leichten Blitzschutzes« für die Landwirtschaft der DDR erarbeitet. In anderen sozialistischen Staaten ist diese Form des Blitzschutzes bereits erfolgreich praktiziert worden.

In der Stellungnahme zu diesem Problem wurde vom Fachunterausschuss, speziell auf den Einfluss des Vorsitzenden Dipl.-Ing. Großpetzsch9 hin, ablehnend reagiert, da »die theoretischen Grundlangen nicht bewiesen wären«. Diese Stellungnahme wird offensichtlich von einer gewissen Voreingenommenheit gegenüber den technischen Leistungen in anderen sozialistischen Ländern beeinflusst. Aufgrund dieser Stellungnahme und auch wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Kostenfrage für den Bau von »leichten Blitzschutzanlagen« hat die HA Feuerwehr an diesem Problem nicht mehr weiter gearbeitet.

Die Bemühungen der Deutschen Versicherungsanstalt (DVA) um eine Verbesserung des Blitzschutzes wurden auch von der Staatlichen Plankommission 1963 mit dem Bemerken zurückgewiesen, dass die durch Blitzschläge verursachten Schäden noch keinen höheren Aufwand rechtfertigen würden. Zum damaligen Zeitpunkt wurde mit einer Schadensumme von ca. 6 Mio. MDN argumentiert. (Auch Mitarbeiter der HA Feuerwehr sollen mit ähnlichem Standpunkt aufgetreten sein).

Erst im 1. Halbjahr 1965 wurde eine Arbeitsgruppe der HA Feuerwehr tätig, die umfassende Untersuchungen zum Problem des allgemeinen Blitzschutzes führte. Die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen für den allgemeinen Brand- und Blitzschutz, die in dem Abschlussbericht dargelegt wurden und auf die später noch näher eingegangen wird, hatten jedoch keine Auswirkungen auf die Praxis, auf wesentliche Veränderungen im allgemeinen Blitzschutz, obwohl alle zuständigen staatlichen Organe und sonstige Interessenten über das Ergebnis informiert worden waren.

Gegenwärtig wird die Situation im Blitzschutz durch eine Reihe von Schwierigkeiten in der Materialfrage und in den vorhandenen Bau-, Montage- und Reparaturkapazitäten charakterisiert. Da diese Schwierigkeiten jedoch nicht nur durch eine Reihe von objektiven Umständen bedingt sind, sondern teilweise auch subjektiver Art sind, vertritt das MfS die Auffassung, dass der dringend gebotene Schutz einer großen Anzahl wertvoller Objekte vor Blitzschlagschäden, insbesondere in der Landwirtschaft, zur Überwindung der nachfolgend genannten Probleme Anlass geben sollte:

1. Materialfragen

Für Blitzschutzanlagen wird vor allem feuerverzinkter Rundstahl bzw. Stahldraht von 10 bis 16 mm Durchmesser benötigt. Nur in Einzelfällen wird Kupferdraht verarbeitet. Feuerverzinkter Rundstahl bzw. Stahldraht sind aus eigenem Aufkommen in genügender Menge vorhanden. Die eigentlichen Schwierigkeiten bestehen im Kapazitätsengpässen für die Verzinkung o. g. Materialien.

Trotz dieses Engpasses wurde die Großverzinkerei Leipzig geschlossen. Ein Protest des Fachunterausschusses »Blitzschutzanlagen« beim ehemaligen VWR wegen der Schließung der Großverzinkerei Leipzig und anderen Verzinkereien im Bezirk Erfurt (auf Anordnung der VVB TAKRAF)10 blieb wirkungslos. Zurzeit muss beispielsweise Material für Blitzschutzanlagen zum Verzinken in den Bezirk Rostock geschickt werden. Auch in anderen Bezirken, wie z. B. Cottbus und Neubrandenburg, fehlen Verzinkungskapazitäten.

Aus diesen Faktoren kann geschlussfolgert werden, dass nicht Materialmangel, sondern die fehlenden Verzinkungskapazitäten zu den Schwierigkeiten beim Bau von Blitzschutzanlagen beitragen.

2. Fertigungs-, Montage und Reparaturkapazitäten

Blitzschutzanlagen werden vornehmlich in örtlich geleiteten Betrieben gefertigt und montiert, jedoch meist nur als »Nebenproduktion«. Im Bezirk Leipzig z. B. sind 45 Betriebe tätig, die durchaus in der Lage wären, den Bedarf an Blitzschutzanlagen des Bezirkes abzudecken. Diese Betriebe sind aber meistens auf andere Produktionsrichtungen, z. B. Reparatur von landwirtschaftlichen Maschinen usw. spezialisiert. Sie haben vielfach auch kein Interesse am Blitzschutzanlagenbau, da die Spezialproduktionen und -dienstleistungen materielle Vorteile bieten. Da die Betriebe noch zusätzlichen finanziellen Belastungen ausgesetzt sind, wenn sie ihre Materialien zum Verzinken z. B. von Leipzig nach Rostock versenden müssen, wurde das materielle Interesse an Blitzschutzanlagenbau geschmälert.

Die Auswirkungen bestehen nun darin, dass z. B. im Bezirk Leipzig etwa zwei Drittel aller einschlägigen Betriebe Aufträge für Blitzschutzanlagen mit der pauschalen Begründung »Material- und Arbeitskräfteschwierigkeiten« ablehnen. Im Kreis Torgau, [Bezirk] Leipzig haben sechs von sieben Betrieben den Blitzschutzanlagenbau wegen angeblicher Materialschwierigkeiten eingestellt.

Als echtes Problem stellten sich dagegen Engpässe auf dem Gebiet der Montage- und Reparaturkapazitäten heraus. Die Anzahl der fachlich qualifizierten Kräfte ist zu gering. Teilweise werden selbst die Fachkräfte für andere Arbeiten eingesetzt, die weniger gefährlich, körperlich nicht so anstrengend und unter Umständen auch weniger den Witterungseinflüssen ausgesetzt sind.

Die Montage- und Reparaturkapazitäten decken in den meisten Bezirken nicht den effektiven Bedarf. Im Bezirk Neubrandenburg wurde ermittelt, dass nur 50 % des Bedarfs vorhanden sind (1,1 Mio. MDN Montage- und Reparaturkapazität = 2,2 Mio. MDN Bedarf.) Durch die Nutzung zweckentfremdeter Montage- und Reparaturkapazitäten, bei Einsatz der qualifizierten Fachkräfte ausschließlich für den Blitzschutzanlagenbau, bei Lösung der Materialsituation und einer Verbesserung der materiellen Anreize, könnte das Kapazitätsproblem für den Blitzschutzanlagenbau teilweise durchaus gelöst werden.

Auch ein Vorschlag der HA Feuerwehr – Bildung von speziellen Brigaden bei den Kreisbetrieben für Landtechnik – könnte mit zur Lösung des Problems beitragen.

3. Kostenfragen

Als hemmender Faktor für die Einführung eines konsequenten Blitzschutzes in der Landwirtschaft werden oft die relativ hohen Kosten genannt. Vielfach wurde jedoch bei konkreten Befragungen festgestellt, dass Betriebsleiter und leitende Wirtschaftsfunktionäre keine realen Vorstellungen über das Verhältnis von Aufwand und Nutzeffekt für Blitzschutzanlagen haben. Unberücksichtigt bleibt bei den Überlegungen der Wirtschaftsfunktionäre, dass eine verzinkte Blitzschutzanlage in der Landwirtschaft in der Regel 35–50 Jahre Lebensdauer hat (nach Angaben des Fachausschusses »Blitzschutzanlagen«).

Nach Angaben der HA Feuerwehr betragen die durchschnittlichen Kosten für die Errichtung einer Blitzschutzanlage je nach Bauweise und Größe des landwirtschaftlichen Objektes 1 200 – 2 500 MDN (in der Regel nicht mehr als 3 % des zu schützenden Wertes). Durch Eigenleistungen der Betriebe (Schachtarbeiten zur Verlegung der Erdung) könnten diese Kosten noch gesenkt werden.

Von der Kostenseite her erscheint der Vorschlag der HA Feuerwehr real, alle gefährdeten Objekte mit einem Wert von über 30 000 MDN (einschließlich Inhalt) generell und andere Gebäude dann zu schützen, wenn der Wert der Blitzschutzanlage 3 % des Objektwertes (einschließlich Inhalt) nicht übersteigt.

4. Überwachung von Blitzschutzanlagen

Die Überwachung der Blitzschutzanlagen ist trotz einschlägiger Bestimmungen (§§ 2, 5, 6 und 8 ASAO 955) nicht gewährleistet. Es fehlt vor allem an der genügenden Anzahl von Fachleuten, vor allem in den Organen der . In der Landwirtschaft ist die Überwachung völlig dem Selbstlauf überlassen. Es besteht die Notwendigkeit, auf diesem Gebiet durch Ausbildung von Fachkräften zweckmäßigerweise bei den Kreisbetrieben für Landtechnik baldmöglichst eine Lösung herbeizuführen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die unbefriedigende Situation im allgemeinen Blitzschutz und deren zum Schaden führenden Auswirkungen durch

  • Mängel in der eindeutigen Definition zu schützender Objekte in der Volkswirtschaft gegen Blitzschlag;

  • die allgemeine Unterschätzung des Blitzschutzes;

  • Mängel in der Materialwirtschaft, in den Montage- und Fertigungskapazitäten im Blitzschutzanlagenbau;

  • Kompetenzschwierigkeiten bei der Ausarbeitung der ABAO 955/1

maßgeblich hervorgerufen bzw. begünstigt wird.

Zur Veränderung dieser Situation wäre es nach unserer Auffassung notwendig, zunächst folgende Maßnahmen durchzuführen, die bereits im Jahre 1965 von der HA Feuerwehr des MdI als allgemeine Schlussfolgerungen gezogen wurden:

  • 1.

    Im I. Quartal 1967 (der konkrete Termin ist vom Zeitpunkt der Entschlussfassung abhängig) müssten die und die HA Feuerwehr des MdI sowie der Fachunterausschuss »Blitzschutzanlagen« der KdT die ABAO 955/1 fertigstellen. Dabei käme es speziell auf die in der Analyse der HA Feuerwehr enthaltene Richtlinie (Entwurf) zur Beurteilung der Notwendigkeit von Blitzschutzanlagen an. Die Verantwortung für die Überwachung von Blitzschutzanlagen müsste in diesem Zusammenhang neu geregelt werden, u. a. auch dadurch, dass alle gefährdeten Objekte zwei Jahre nach Inkrafttreten der ABAO 955/1 geschützt sein müssten. Für Neubauten sollte bereits im Stadium der Projektierung eine Entscheidung über den Blitzschutz getroffen werden. Für die Beurteilung der Notwendigkeit von Blitzschutzanlagen sollte die HA Feuerwehr verantwortlich gemacht werden.

  • 2.

    Die HA sollte beauftragt werden, bis Ende des 1. Quartals 1967 den Bedarf an Blitzschutzanlagen für landwirtschaftliche Objekte, untergliedert nach Bezirken und Kreisen, zu ermitteln.

  • 3.

    Das Ministerium für Materialwirtschaft sollte aufgrund des ermittelten Bedarfs dann beauflagt werden, schnellstens die entsprechenden Materialien bereitzustellen.

  • 4.

    Das Ministerium für bezirksgeleitete Industrie sollte die Herstellungs-, Montage- und Reparaturkapazitäten bis 2. Quartal 1967 sichern.

  • 5.

    Der Landwirtschaftsrat der DDR müsste die Einbeziehung der Kreisbetriebe für Landtechnik in den Blitzschutzanlagenbau für landwirtschaftliche Objekte ebenfalls bis zum 2. Quartal regeln.

  • 6.

    Es wäre zweckmäßig, in den Zeiträumen März–Mai 1967 und Oktober–Dezember 1967 Kampagnen zur Errichtung von Blitzschutzanlagen durchzuführen.

  • 7.

    Die DVA müsste insofern Einfluss auf die Errichtungs- bzw. Überwachungspflicht nehmen, indem sie nach Wirksamkeit vorstehender Maßnahmen keine Schadensregulierungen mehr durchführt, wenn der Blitzschutz vorsätzlich oder fahrlässig nicht gewährleistet wurde.

  1. Zum nächsten Dokument Treffen zwischen Günter Jacob und Kurt Scharf in Genf

    22. Oktober 1966
    Einzelinformation Nr. 797/66 über einige Äußerungen leitender evangelischer Geistlicher zur kirchenpolitischen Situation in Deutschland, besonders im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vorsitzenden des Rates der EKiD, Bischof Scharf

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    20. Oktober 1966
    Einzelinformation Nr. 787/66 über die Haltung kirchlicher Kreise zur USA-Aggression in Vietnam