Schadensgeschehen im Druckgaswerk Schwarze Pumpe
30. April 1966
Einzelinformation Nr. 303/66 über das Schadensgeschehen im Druckgaswerk des Kombinates Schwarze Pumpe
Das MfS informierte in der Vergangenheit wiederholt über einzelne Brände und Havarien mit großen Sachschäden im Druckgaswerk des Kombinates Schwarze Pumpe.
Da seit der Inbetriebnahme des 1. Generators im April 1964 im Druckgaswerk insgesamt jedoch eine Vielzahl von Bränden und Havarien auftraten, bei denen beträchtliche Sachschäden, Produktionsstörungen und -ausfälle entstanden, erachtet es das MfS für erforderlich, zu einigen Problemen der Sicherheit im DGW des KSP1 Stellung zu nehmen.
In Zusammenarbeit von VP und MfS wurden 13 größere Vorkommnisse, bei denen ein Sachschaden von rund 6,5 Mio. MDN eingetreten, ein Arbeiter getötet worden war und zwölf andere Arbeiter teilweise schwere Verletzungen erlitten hatten, innerhalb der letzten beiden Jahre auf Schadensursachen untersucht. Es handelt sich dabei um folgende, als schwerwiegende Brände und Havarien zu wertende Vorkommnisse:
(Über die genaue Anzahl der Brände, Havarien und Störungen gibt es keinen konkreten Überblick in der Leitung des KSP. Einer Teilstatistik der Feuerwehr ist zu entnehmen, dass allein im Zeitraum August 1965 bis Januar 1966 insgesamt 70 kleinere Brände im DGW entstanden waren. In dieser Statistik sind die Störungen an der Hydraulik ohne Brandfolge nicht mit ausgewiesen. Hydraulikstörungen ohne Brandfolge sind zahlenmäßig sehr umfangreich und haben den Ausfall von Aggregaten und ganzen Anlagenteilen zur Folge.)2
- 1.
Am 1.6.1964 ereignete sich eine Explosion mit Brandfolge an der Rectisolanlage3 (Schaden 150 000 MDN – ein Toter, drei Schwerverletzte).
Als Ursache wurden technische Mängel ermittelt. Bei der Umstellung des Kompressors von Sauerstoff auf Stickstoff zur Bespannung der Kreisläufe in der Rectisolanlage ließ sich ein Rohrleitungsstück von ca. 5 m Länge nicht vom Sauerstoff befreien. Dadurch kam es beim Zusammentreffen von Sauerstoff und Rohgas zu einer explosionsartigen Verbrennung. - 2.
Am 4.7.1964 brach ein Brand am Generator 8 aus, bei dem Leitungsstraßen, Armaturen und Teile der Hydraulik vollkommen zerstört wurden. (Schaden 1,2 Mio. MDN)
Bei der Vorbereitung einer Ascheschleusung wurde festgestellt, dass sich der untere Aschekegel nicht bewegte. Der Anfahr-Ingenieur [Name 1] öffnete daraufhin fahrlässig das Stocherloch (ohne Freimeldung) am unter Druck stehenden Generator 8, so dass sich dieser entspannen konnte. Die ausströmenden Gase gerieten in Brand. - 3.
Am 6.8.1964 entstand eine Verpuffung an der Aschenschleuse des Generator 5, wobei nur geringer Sachschaden (5 000 MDN) eintrat, jedoch drei Arbeiter verletzt wurden.
Wegen technischer Mängel an Schiebern (undicht) gelangte über den Rücklauf ein Kondensat (Wasser, Dampf, Öl und Teer) in die Ascheschleuse. Durch den Zutritt von reinem Sauerstoff wurde eine Sauerstoff-Ölreaktion mit explosivem Charakter ausgelöst. Der Sauerstoff gelangte vom Generator über die Hohlwelle in die Ascheschleuse und verband sich mit dem Kondensat. - 4.
Am 12.1.1965 ereignete sich am Generator 10 ein Brand mit nachfolgender Explosion im Reglerraum der zentralen Messwarte (Sachschaden 800 000 MDN).4
Der Brand wurde durch Fahrlässigkeit des Reparaturschlossers [Name 2]5 ausgelöst, da er eine unter Druck stehende Hydraulik-Ölleitung reparierte. Aus der geöffneten Überströmleitung trat Hydrauliköl aus, welches sich an den heißen Teilen des Generators entzündete.
Infolge der Funktionsuntüchtigkeit der Sicherheitstechnik (Versagen der elektromagnetischen Schnellschlussventile und der Rückschlagklappen) wurde Rohgas aus dem unter Druck stehenden Generator 10 in die Vergasungsmittelgemischleitung gedrückt, welches beim Zusammentreffen mit Sauerstoff explodierte. - 5.
Am 25.1.1965 brach ein Brand am Turbo-Verdichter der Sauerstoffanlage während der Erprobung aus (Schaden 400 000 MDN).6 Auch hier wurden technische Mängel ermittelt, da infolge ungenügender Filterung der angesaugten atmosphärischen Luft organische Fremdkörper in den Verdichter gelangten und durch die Reaktion mit Sauerstoff den Brand auslösten.
- 6.
Am 1.2.1965 entstand ein Kabelbrand im Trennergebäude der Sauerstoffanlage (Schaden 60 000 MDN).
Flüssiger Sauerstoff zerstörte die Isolation des Kabels, wodurch ein Kurzschluss ausgelöst wurde. Die Verlegung der Kabeltrassen erfolgte ohne Berücksichtigung der Arbeitsvorgänge und des möglichen Austretens von flüssigem Sauerstoff. - 7.
Der am 15.3.1965 am Generator 6 ausgebrochene Brand war die Folge der Funktionsuntüchtigkeit der BMSR-Technik und des Verschleißes von Rohrmaterial (von 6 mm Wandstärke auf 3,5 mm Wandstärke) – (Schaden 10 000 MDN).
- 8.
Am 13.3.1965 zerknallte die Entspannungsleitung des Generators 6 mit nachfolgendem Brand (Schaden 300 000 MDN). Durch falsche Schalthandlungen des Entaschungsmaschinisten [Name 3] konnte sich der Generator über den oberen Aschekegel in die Aschekammer entspannen, da das Eck- und Schrägsitzventil geöffnet war. Durch den Hitze- und Druckanstieg wurde ein 90-Grad-Krümmer zerstört, sodass das offene Feuer die elektrischen Anlagen in Brand setzen konnte.
- 9.
Wegen fahrlässig durchgeführter Schweißarbeiten entstand am 24.6.1965 ein Rüstungsbrand in der Rectisolanlage – (Schaden 10 000 MDN).
- 10.
Am 10.8.1965 fiel ein Kreiselluftverdichter (Schaden 100 000 MDN) aus, weil infolge einer Unterbrechung der Ölzufuhr ein Lagerschaden auftrat.
- 11.
Die Explosion im Antriebsdruckgehäuse des Generators 18 (Schaden 200 000 MDN) am 25.12.1965 wurde ausgelöst, weil der Generator zu Reparaturzwecken unter Druck abgestellt worden war, obwohl die Ascheschleuse nicht funktionstüchtig war. Aus diesem Grunde konnte die notwendige Spülung des Antriebsdruckgehäuses durch die Ascheschleuse mit Korrekturdampf nicht durchgeführt werden.
Bei einer solchen Situation wäre das Abfahren des Generators notwendig gewesen, was jedoch zur Vermeidung von Produktionsausfall unterlassen wurde. - 12.
Die Verpuffung am Generator 3 mit nachfolgendem Großbrand im Generatorenhaus am 15.2.1966 verursachte einen Sachschaden von 1,6 Mio. MDN. Ein Arbeiter wurde schwer und zwei andere Arbeiter leicht verletzt.7
Die Verpuffung entstand durch Fahrlässigkeit des Reparaturschlossers [Name 4],8 der ohne schriftlichen Auftrag Reparaturen am Stocherloch ausführen wollte. Da der Generator unter Druck stand, wurde der Stocherlochverschluss bei dem Reparaturversuch vom anstehenden Gasdruck herausgeschleudert, und aus dem Stocherloch schoss eine Stichflamme heraus.9 - 13.
Über den Großbrand am Generator 11 am 10.4.1966 (Schaden 1,1 Mio. MDN) berichtete das MfS bereits in der Einzelinformation Nr. 274/66.
Bei der Darlegung der größeren Schadenfälle wurden nur die unmittelbaren Schadensummen genannt, nicht aber der Produktionsausfall an Gas. Hierüber gibt es keine exakten Berechnungen, jedoch nehmen Experten an, dass der Produktionsausfall etwa das Zehnfache des ermittelten Sachschadens beträgt.10
Da auch bei den hauptsächlichen Gasverbrauchern, vor allem in der Metallurgie und der Glasindustrie, Produktionseinschränkungen wegen des fehlenden Gases vorgenommen werden mussten, sind die dadurch entstandenen Gesamtschäden u. a. auch für Exportverpflichtungen, insbesondere für den Industrieanlagenexport, kaum zu übersehen.
Hinzu kommt der durch die Beeinträchtigung des internationalen Ansehens der DDR entstandene politische Schaden.
Durch die diskontinuierliche Fahrweise des DGW im KSP wurden Sondermaßnahmen für die übrigen gaserzeugenden Betriebe notwendig, um diese über den Plan hinaus weiter produzieren zu lassen. Die Gasanlagen mussten über normal beansprucht werden, die planmäßigen Reparaturprogramme wurden ernsthaft gefährdet.
Nach der Einschätzung des MfS gab es in der Vergangenheit neben den technisch bedingten Ursachen einige Faktoren, die wesentlich das gesamte Havariegeschehen im Druckgaswerk Schwarze Pumpe beeinflussten und auf die nachfolgend näher eingegangen wird:11
1. Zu einigen Problemen der Projektierung und des Aufbaus im KSP und des DGW
Auf das gesamte Schadensgeschehen bezogen wirken sich Probleme und Mängel der Projektierung und des Aufbaus des KSP wie folgt aus:
Bei der Entwicklung und dem Bau von Druckgaswerken in dieser Größenordnung handelt es sich um die Nutzbarmachung völlig neuer technischer Erkenntnisse. Die Forschungsarbeiten wurden 1952 unter der Leitung des VEB PKM Leipzig12 begonnen. Grundlage der Forschung und der Projektierung des DGW im KSP waren die Erkenntnisse aus der Betriebsweise der Generatoren von Hirschfelde und Böhlen.
Für die schnelle Konstruktion von leistungsstarken Generatoren wurden von Projektanten [des] PKM Leipzig, in Anlehnung an einen bereits patentierten Lurgi-Generator auf Steinkohlenbasis (DGW Dorsten/WD) ein 3,6-Meter-Generator entwickelt, an deren Arbeiten die Professoren Hofmann,13 Rammler14 und Bilkenroth15 sowie Dr. Rademacher16 und Ober-Ingenieur Walter17 federführend beteiligt waren. Dieser Personenkreis war auch maßgeblich an der Ausarbeitung des Gesamtprojektes beteiligt.
Der Aufbau der Anlagen begann im Jahre 1960. Der Betrieb im DGW wurde am 16.4.1964 aufgenommen. Allgemein wird eingeschätzt, dass dieser langfristige Zeitraum der Forschung und Projektierung nicht genügend genutzt wurde, um produktionsfähige und produktionsstabile Anlagen zu errichten. 1972 sollen 3,8 Milliarden Nm³ erzeugt werden (täglich etwa 5,2 Mio. Nm³). Die bisher installierten Anlagenteile müssten deshalb täglich etwa 2,6 Mio. Nm³ liefern, tatsächlich bringen sie jedoch nur 0,7 bis 0,8 Mio. Nm³.
Von den vorgesehenen Gesamtinvestitionen in Höhe von 700 Mio. MDN sind etwa die Hälfte aufgebraucht, jedoch nur 230 Mio. MDN aktiviert.
Grundsätzlich wird nach Inbetriebnahme des DGW eingeschätzt, dass bei der Forschung, der Projektierung und der Montage zu wenig die Forschungsergebnisse von Böhlen beachtet wurden. Außerdem wurde die Montage wesentlich durch den fehlenden Projektierungsverlauf behindert, machte einen höheren Investmitteleinsatz erforderlich, führte zu Überschreitungen beim Montageablauf usw. Ökonomische Verluste entstanden weiterhin, weil zusätzlich Investmittel für die Schaffung von produktionswichtigen Provisorien gebunden werden mussten.
Es gab besonders in der Etappe des Probebetriebes in Böhlen berechtigte Mahnungen und Einwände von Spezialisten und Praktikern, die vor der Arbeitsweise Prof. Hofmanns warnten. Von ihnen wurde mehr Verantwortungsbewusstsein, Zielstrebigkeit in der Forschung und schnelle Auswertung der Ergebnisse gefordert. Vor allem wurden Warnungen zum Einsatzgut und zu der Realität der angegebenen technischen und ökonomischen Parameter ausgesprochen. Die Hinweise wurden überhört, da offensichtlich der Persönlichkeit Prof. Hofmanns mehr Bedeutung beigemessen wurde als den Hinweisen der Spezialisten und Praktiker.
Als wesentlichster Widerspruch zum Projekt wird die einsetzbare Kohle angesehen.
Den Projektanten war bekannt, dass Böhlen bereits seit 1952 keine Braunkohlenknorpel18 mehr als Vergasungsgut einsetzt, sondern auf Braunkohlenbrikett umstellte, weil die Gasausbeute infolge des hohen Staubanteils zu gering war. Trotzdem wurden im Gesamtprojekt diese Erkenntnisse nicht berücksichtigt und als Vergasungsgut im DGW des KSP Braunkohlenknorpel zugrunde gelegt. Erst während des Probebetriebes 1964 erfolgte eine Umstellung auf Braunkohlenbrikett.
Die Erprobung des Versuchsgenerators in Böhlen und die Versuchsreihe in Hirschfelde erfolgte anschließend mit Kohle aus dem mitteldeutschen Raum den Gruben Welzow, Haidmühle,19 Knappenrode. Es gelangten im Versuchsgenerator nur geringe Mengen Kohle aus dem Tagebau Spreetal zum Einsatz, sodass keine exakten Forschungsergebnisse erwartet werden konnten.
Versuche mit Spreetalkohle, die im KSP eingesetzt wird, wurden nicht gefahren. Die Spreetalkohle wurde erstmalig bei Inbetriebnahme des DGW eingesetzt. diese Tatsache bedeutet nunmehr, dass die im Projekt angegebenen Parameter auf dem Einsatz einer Kohlequalität basierten, die dem KSP nicht zur Verfügung stand.
Die Durchführung der Versuche mit den o. g. Kohlequalitäten ergab, dass der Generator 25 000 Nm³/h erzeugt, während sich nunmehr beim Dauerbetrieb unter Einsatz der Lausitzer Kohle herausstellte, dass der Generator nur etwa 12 000 bis 14 000 Nm³/h erzeugt. Die Folge waren neuerliche Aufwendungen von Investitionsmittel zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit.
Zur Erreichung höherer Parameter wurde der Einsatz von Braunkohlenbrikett notwendig. Da die im KSP erzeugten hochwertigen Brikett nicht im Generator für Vergasungszwecke zum Einsatz gebracht werden konnte (für Kokereien vorgesehen), machte sich der Bau einer Ballastkohlebrikettfabrik notwendig.
Weiterhin wird zurzeit eine Erweiterung der Dampferzeugung notwendig. Dieses Problem entstand, weil PKM Leipzig nicht exakt koordinierte, und so zeitliche Differenzen und Verwischungen der Verantwortlichkeit als Folge eintraten.
Alle diese erwähnten Umstände führten dazu, dass im Projekt [eine] Generatorkopftemperatur von 350°C angegeben wurde, obwohl bereits in Böhlen aufgefallen war, dass bei den Versuchen mit Lausitzer Kohle Temperaturen im Generatorkopf bis ca. 500°C erreicht wurden.
Diese Erkenntnisse wurden für das weitere Projekt nicht ausgewertet, weil die Montagearbeiten im KSP schon zu weit fortgeschritten waren. Eine Veränderung in der Technologie war angeblich nicht mehr möglich.
Von Fachleuten wird erklärt, dass diese unterschiedlichen Kopftemperaturen auf die Exothermie der Schwelung der Kohle zurückzuführen sei. Gegenwärtig beträgt die Kopftemperatur im Durchschnitt 480°C.
Ebenso muss anstelle der im Projekt vorgesehenen 0,8 bis 0,9 kg Kohle/Nm³ Rohgas 1,0 bis 1,1 kg Kohle/Nm³ Rohgas eingesetzt werden. Dieser höhere Einsatz liegt in der minderen Qualität der Spreetaler Kohle begründet. Durch die veränderten Kohlequalitäten (gegenüber der im Projekt vorgesehenen Qualität der Kohle) vergrößert sich die Rohgasmenge – feucht. Weiter werden die Briketts in der Trockenzone thermisch höher als im Projekt vorgesehen beansprucht. Diese Situation fördert den Brikettzerfall und der Staubaustrag mit dem Rohgas wird gesteigert. Solche Erscheinungen wirken sich negativ auf den Generator und die nachgeschalteten Aggregate aus.
Auch die Abmessungen des Vergasungsgutes – Brikett – entsprechen nicht den Anforderungen der Technologie beim Fahren des Generators. Die Kohle rollt schlecht und es kommt zur sogenannten Brückenbildung. Dadurch wird wiederum die Hydraulik um das Fünffache mehr beansprucht als vom Projekt ursprünglich vorgesehen war. Das hat negative Auswirkungen auf die verschleißenden Stellen (Arbeitszylinder) und auch das System der Wasserabscheidung wird dadurch beeinträchtigt, da das Hydrauliköl nicht zur Ruhe kommt. Aus diesem Grunde wird das Wasserabscheidungssystem – der Kammerscheider – unwirksam, Wasser kann in den Hydraulikleitungen kondensieren und bei Frosteinwirkungen gefrieren. Das hat wiederum Störungen, Ausfall und selbsttätiges Arbeiten der Hydraulik zur Folge.
Die Auswertung einiger Havarien hat gezeigt, dass durch das Austreten von Hydrauliköl, welches brennbar ist, Brände entstanden bzw. in ihrem Umfang vergrößert wurden. (Ein nicht brennbares bzw. schwer entflammbares Hydrauliköl gibt es gegenwärtig in der DDR nicht.)20
Aus dem DGW Uzin/ČSSR wurde bekannt, dass dem Hydrauliköl bestimmte Mengen Wasser und Glysantin21 beigemengt werden, um den Flammpunkt der Emulsion zu erhöhen und gleichzeitig winterfest zu machen.
Um bei Störungen im Hydrauliksystem das Abfließen größerer Ölmengen zu verhindern, ist vom Projektanten der Einbau von Rohrbruchventilen vorgesehen. Rohrbruchventile sind durchgesteuerte Schnellschlüsse. Nach dem Projekt müssten diese Sicherungen bei einem Druckabfall kleiner als 45 kp/cm² ansprechen und ein Nachlaufen des Hydrauliköls verhindern. Die im DGW eingebauten Rohrbruchventile sind jedoch funktionsuntüchtig.
Eine Überprüfung der Funktionstüchtigkeit solcher Sicherungen ist im KSP bei laufendem Betrieb nicht möglich. Außerdem ist es bisher nicht gelungen, die Ursachen der Funktionsuntüchtigkeit zu ergründen.
Ein weiteres Problem ist die Unwirksamkeit der BMSR-Technik. Aufgrund der Funktionsuntüchtigkeit der CO2-Messung muss die gesamte Gasgeneratorenanlage blind gefahren werden. Zurzeit werden ständig vor Ort Proben zur Analysierung des CO2-Gehaltes genommen, nach deren Ergebnis die Generatoren dann in der folgenden Stunde gefahren werden.
Die projektierte und installierte CO2-Messung mit elektrischer Fernübertragung zur zentralen Messwarte hat seit ihrem Einbau nicht funktioniert. Als Ursache wird angegeben, dass das Messgerät nicht den rauhen Bedingungen im DGW entspricht (Freiluftanlage – starke Verschmutzung).
Vertreter einiger Industriebetriebe erklären auf Befragen, dass vom Projektanten bei der Bestellung der einzelnen Elemente keine besonderen Forderungen gestellt wurden bzw. nicht auf den betreffenden Einsatzort und die dort herrschenden Bedingungen hingewiesen wurde. Sie erklären weiter, dass sie bei Kenntnis des Einsatzortes, der dort herrschenden Bedingungen und des Verschmutzungsgrades des Mediums die BMSR-Technik materialmäßig anders ausgelegt hätten und damit eine bessere Funktionstüchtigkeit gewährleistet worden wäre.
Bei einigen Bränden wurden einige große Teile der elektrischen Kabeltrassen derart beschädigt, dass neben dem unmittelbar davon betroffenen Aggregat, ganze Generatorengruppen für einen längeren Zeitraum ausfielen. Als Ursache für diesen Zustand ist anzusehen, dass sämtliche Kabel ohne Schutzmantel verlegt worden sind und durch austretenden Sauerstoff bzw. aufgetretene Brände vernichtet wurden.
Obwohl im Projekt eine verkleidete Verlegung sämtlicher Kabel vorgesehen war, wurde als Verbesserungsvorschlag und zur Kosteneinsparung angeregt, von der Verkleidung der Kabel abzusehen und diese offen zu verlegen. Aufgrund dieses Vorschlages wurde das ursprüngliche Projekt verändert und sämtliche Kabel offen verlegt. Eine nachträgliche Verkleidung ist nur bedingt möglich, da die Statik umfangreiche Veränderungen nicht mehr zulässt.
Ein weiteres Problem ist die Druckteerscheidung, die die Produktion des DGW negativ beeinträchtigt. Häufige Schwierigkeiten entstehen bei der Druckteerscheidung, sodass die Teerwasserbehälter infolge des hohen Staubanteils zugefahren werden müssen. Dadurch ist eine Umfahrung der Teergaswasserbehälter erforderlich, was zu einem Zusetzen der Kondensationsstränge führte. Aufgrund vorliegender Erfahrungswerte muss jedoch eingeschätzt werden, dass es sich hierbei offensichtlich um ein auch international noch ungelöstes Problem handelt.
Das Problem der Druckteerscheidung führte bereits im Kombinat Böhlen zu erheblichen Schwierigkeiten. Trotz der in diesem Betrieb gewonnenen Erkenntnisse sah das Projekt im KSP erneut den Bau von Druckabsatzbehältern vor. Das KSP und das PKM Leipzig – Baustelle KSP – unterbreiteten dagegen Vorschläge, die Situation in der Staubdickteerwirtschaft mit dem Bau von zwei Absetzgruben und einer dazugehörigen Kranbahn zwecks Entleerung zu lösen. Diesen Vorschlag lehnten die Projektanten ab.
Die Druckabsatzbehälter wurden trotz der vielen Einwände für die Generatoren 9 bis 12 und 17 bis 20 angefertigt. Das Kombinat stimmte dieser von Dr. Bernstein22 (Ministerium für Grundstoffindustrie) gefällten Entscheidung nur mit Vorbehalt zu.
Nach den vorliegenden Einschätzungen wurden für die Experimente mit den Druckabsatzbehältern mehrere Mio. MDN ausgegeben, ohne nennenswerte Erfolge zu erzielen. Allgemein wird die Meinung vertreten, diese Misserfolge hätten vermieden werden können, wenn vonseiten der Projektanten den Vorschlägen der Praktiker stattgegeben worden wäre.
Ein weiteres im KSP noch völlig ungeklärtes Problem sind laufend auftretende Erscheinungen von Innenzehrungen der Generatorenmäntel. Die Metallzehrungen wurden vor allem in der Aschezone der Generatoren aufgefunden. Im Prinzip handelt es sich um eine Verzunderung des Metalls. Bei einem untersuchten Generator wurde eine Schwächung des Materials von 28 auf 7 mm Wandstärke festgestellt. Die Ursachenforschung ist noch nicht abgeschlossen. Fachleute weisen jedoch auf die Ernsthaftigkeit dieses Problems hin, mit dem die Gaserzeugung gefährdet werden kann.
Innenzehrungen traten in der Vergangenheit an fast alle Generatoren auf, wurden aber auch schon an der im Probebetrieb befindlichen 5. Generatorengruppe festgestellt. Innenzehrungen traten bei den Versuchsreihen in Böhlen und Hirschfelde nicht auf.
Abschließend ist zum Problem der Projektierung und den Fragen des Aufbaus im KSP bzw. DGW festzustellen, dass
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der Projektant – VEB PKM Leipzig – gewonnene Erkenntnisse nicht oder zu spät hat in das Projekt einarbeiten lassen,
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die Versuchsreihen mit anderen Einsatzstoffen gefahren wurden, als im KSP vorhanden sind,
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vor allen verantwortlichen Leitern zu wenig Einfluss auf die Installierung einer funktionstüchtigen BMSR- und Sicherheitstechnik genommen worden ist.
Zurzeit besteht keine Klarheit über den Endausbau des Kombinats Schwarze Pumpe einschließlich des Druckgaswerkes. Durch das Ministerium für Grundstoffindustrie wurde der Auftrag an die VVB Braunkohle Cottbus erteilt, 22 Varianten zur Suche nach der ökonomisch zweckmäßigsten Variante für den Endausbau des KSP auszuarbeiten.
Meinungen von Angehörigen der technischen Intelligenz im KSP gehen dahin, dass man nicht an eine Entscheidung glaubt. Trotzdem bemüht man sich sehr konsequent um die Ausarbeitung der einzelnen Varianten und Studien. Die pessimistische Stimmung unter den Angehörigen der technischen Intelligenz wird besonders dadurch hervorgerufen, dass in der Vergangenheit häufig neue Varianten zu erarbeiten waren, die jedoch nie zu einer endgültigen Klärung führten. Die Auswirkungen dieser Arbeitsweise zeigten sich in ungeklärten Situationen im Vertragswesen, in der Materialbeschaffung usw., die stets zu kostenaufwändigen Provisorien führten.
Die geschilderten laufenden Änderungen am Projekt und während des Aufbaus haben einen Zustand der Instabilität der Generatorenanlagen hervorgerufen, deren Folgen u. a. auch in den vorhergeschilderten Havariefällen zu sehen sind.
2. Die politisch-ideologische Gesamtsituation im Kombinat Schwarze Pumpe, insbesondere im Druckgaswerk
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass der überwiegende Teil der Arbeiter und Angestellten sowie der Angehörigen der technischen Intelligenz bemüht ist, die Probleme des DGW zu lösen. Vor allem muss von den meisten Angehörigen im DGW das intensive Ringen um hohe Produktionsergebnisse genannt werden. Auf der anderen Seite gibt es bei einem Teil der Betriebsangehörigen verschiedene politisch-ideologische Unklarheiten und damit zusammenhängende Erscheinungen besonders auf folgenden Gebieten:
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Unterschätzung der Aggressivität und Gefährlichkeit des westdeutschen Imperialismus im Allgemeinen. Das zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem Briefwechsel SED – SPD.23
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Dazu wurden von Werktätigen aus allen Schichten u. a. Meinungen geäußert wie:
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Die »Mauer« sei zu unrecht gebaut worden, man sollte der Argumentation der SPD Rechnung tragen und den »Schießbefehl«24 an den Grenzen aufheben sowie einen verstärkten Reiseverkehr in beiden Richtungen in Deutschland zulassen.
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Die meisten Jugendlichen haben keine enge Bindung zu den gesellschaftlichen Organisationen und umgekehrt nehmen auch die gesellschaftlichen Organisationen nicht in vollem Umfang an der Erziehung der Jugend teil. (Diese Feststellung trifft besonders auf die Freizeitgestaltung und die kulturelle Betreuung zu.) Unter jugendlichen Bewohnern in den Unterkünften gibt es relativ starke Tendenzen auf das Abhören westlicher Rundfunksender.
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Die Einführung des arbeitsfreien Sonnabends in jeder zweiten Woche löste eine starke Diskussion aus.25 Bei vielen Arbeitern waren Argumente wie:
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Eine Notwendigkeit, um den Vorsprung Westdeutschlands auszugleichen,
- •
keine echte Arbeitsentlastung, da die Arbeitszeit vorgearbeitet werden muss
charakteristisch.
- •
Stark ausgeprägt sind Diskussionen im Bereich des DGW und des Kraftwerkes über drei verschiedene, derzeitig in Kraft befindliche Tarifsysteme. So werden Arbeiter, die unter gleichen Arbeitsbedingungen bzw. an gleichen Arbeitsplätzen arbeiten, nach unterschiedlich Tarifen – Bergbau oder Energiewirtschaft – bezahlt. Die Lohndiskussionen werden durch die Unterschiede der Abrechnungssysteme von Normen zwischen Reparatur- und Produktionsbetrieben noch gefördert.
Die gesamte Lohndiskussion ist im Rahmen der Situation des DGW (laufende Havarien und Störungen) und der Einführung des arbeitsfreien Sonnabends in jeder zweiten Woche noch stärker geworden.
Als spezielles ideologisches Problem im DGW sind Zweifel unter Angehörigen der technischen Intelligenz (z. B. vom VEB PKM Leipzig) bekannt geworden, die meinen, der VEB PKM Leipzig als Spezialbetrieb könne das Niveau und die Leistungsfähigkeit des westdeutschen Lurgi-Konzerns im Anlagenbau kaum erreichen. Auch sind im Zusammenhang mit den genannten Havarien Meinungen aufgetreten, dass DGW in Sasolburg/Südafrika habe auch erst nach acht Jahren die vorgesehenen Parameter im Dauerbetrieb erreicht.26
Neben diesen Diskussionen gibt es eine Reihe ernsthafter Stimmungen und Erscheinungen, die als direkte Auswirkungen der in der Information geschilderten Zustände einzuschätzen sind. Den Untersuchungsergebnissen des MfS nach basieren sie
- 1.
auf dem Havariegeschehen, das mit Beginn der Kälteperiode im Winter 1965/66 bedeutend zunahm und in den Monaten Februar und April 1966 den Höhepunkt erreichte. Bei diesen Havarien wurden Menschen ernsthaft gefährdet.
- 2.
auf den Arbeitsbedingungen im DGW, die von einem Teil der Arbeiter als unzumutbar betrachtet werden. Diese Feststellung wird vor allem auf die unzureichende Sicherheit der eingebauten Armaturen und Sicherheitsvorrichtungen sowie auf die arbeitshygienisch kaum zulässige Funktionsweise der Teergaswasserbehälter bezogen. Die genannten Mängel begünstigen das Havariegeschehen und lassen auch keine sichere Fahrweise des DGW zu. Es wird eingeschätzt, dass die Anlagen der Mess- und Regeltechnik nicht ausreichen, um eine zentrale Steuerung zu gewährleisten. Aus diesem Grunde müssen viele Aggregate von der Hand gefahren werden, wodurch eine erhöhte Gefährdung des Bedienungspersonals eintritt.
Innerhalb des DGW ist die Generatoranlage von diesem Problem besonders stark betroffen. - 3.
auf den Entlohnungsunterschieden, wonach Arbeiter mit gleichen Qualifikationsmerkmalen im KSP, die aber aus verschiedenen Industriezweigen kamen, weiterhin nach den alten Industriezweigtarifen entlohnt werden. Da außerdem die Handwerker des Reparaturwesens eine höhere Normerfüllung abrechnen, ergibt sich eine Differenz in der Lohnhöhe bis zu 45 % (bei gleichen Arbeitsleistungen am gleichen Arbeitsplatz).
- 4.
auf großen Schwächen in der Leitungstätigkeit wie
- •
labile Entscheidungen,
- •
ungenügende Auseinandersetzungen wegen schlechter Arbeitsleistungen,
- •
mangelnde Bindung zu den Produktionsarbeitern,
- •
unzureichende Beachtung der Hinweise aus den Reihen der Produktionsarbeiter,
- •
ständige Ablösung bestimmter Kader im DGW.
- •
So führten nicht zuletzt diese Faktoren zu Lohnforderungen und Forderungen nach endgültiger Klärung der Tarifprobleme. Im einzelnen laufen diese Forderungen darauf hinaus
- –
eine Gefahrenzulage zu schaffen,
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einen höheren Versicherungssatz zu gewähren,
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zusätzlich Urlaub zu geben,
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eine minimale Sicherheit für die Gesundheit zu schaffen.
Das Entstehen dieser Forderungen wurde in der Vergangenheit durch Mängel in der Leitungstätigkeit begünstigt. Über einen längeren Zeitraum wurde mit durchsichtigen Argumenten seitens der verantwortlichen Leiter versucht, der Klärung von Tarifproblemen und des ungenügenden technischen Zustandes der Anlagen aus dem Wege zu gehen.
Die Auswirkungen des geschilderten Zustandes sind auch auf Montagearbeiter usw. der Fremdfirmen beträchtlich. Monteure vom VEB Starkstromanlagenbau Cottbus haben beispielsweise die Forderung erhoben, bei Durchführung von Reparaturarbeiten die Gasanlage abzustellen und einen höheren finanziellen Ausgleich für den Einsatz der persönlichen Gesundheit zu zahlen. Eine solche ablehnende Haltung ist auch unter den Arbeitern der Firma Holzbau Sebnitz und des VEB Gasversorgung Berlin festzustellen.
Die Probleme der technischen Sicherheit und der teilweise unzumutbaren Arbeitsverhältnisse sind mit als Ursache für die relativ hohe Fluktuation unter der Belegschaft der Generatorenanlage des DGW anzusehen. Obwohl zurzeit durch schwerpunktmäßige Bereitstellung von Wohnungen dieser Fluktuation entgegengewirkt werden soll, hat sich in der Entwicklung gezeigt, dass eine Reihe von Arbeitern nur solange im DGW gearbeitet hat, bis sie im Besitz einer Wohnung waren. Danach bewarben sie sich um eine andere Arbeitsstelle.
In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass durch den unzureichenden wissenschaftlich-technischen Vorlauf in Forschung und Projektierung und den nicht erreichten Automatisierungsgrad die Anzahl der Arbeitskräfte erhöht werden musste. Da die Zeit zur Ausbildung einer qualifizierten Stammbelegschaft nicht ausreichte, mussten Arbeitskräfte im DGW eingesetzt werden, die aus verschiedenen Berufsgruppen kommen. Deshalb ist gegenwärtig keine Gewähr für eine exakte Fahrweise der Anlage gegeben.
Es trifft auch zu, dass die ungelösten technischen Grundsatzfragen die technische Sicherheit mindern und die Mindestanforderungen des Arbeitsschutzes unterschreiten. Diese Situation und die laufend aufgetretenen Havarien haben bei einem Teil der Belegschaft ein Gefühl der Unsicherheit entstehen lassen.
Dies hat auch wiederum Auswirkungen auf die Qualifizierung der Stammbelegschaft des DGW. Zurzeit ist eine Reihe von Arbeitskräften nicht daran interessiert, sich für eine leitende Funktion im DGW zu qualifizieren, weil sie nicht für ständig im DGW arbeiten wollen. Eine Folge dieses Umstandes ist wiederum die ungenügende Garantie einer stabilen Fahrweise der Anlage und somit eine erneute Ausgangsquelle für weitere Havarien. Diese Feststellung ist auch für solche Arbeitskräfte zutreffend, die mit Unsicherheitsgefühlen an die Bedienung der Anlagen herangehen und in deren Handlungsweise dann allein schon wieder die Gefahr für neue Bedienungsfehler liegen kann.
Die erkannten Mängel in der Generatorenanlage usw. führten u. a. auch dazu, dass man mit Hilfe sporadischer Kaderumsetzungen versuchte, die Situation zu beherrschen. Da jedoch prinzipielle Schwächen im Umgang mit den Menschen zu erkennen sind, dies trifft insbesondere auf die Leitungskader zu, muss eingeschätzt werden, dass bei einem Teil der Belegschaft das Verantwortungsbewusstsein untergraben wurde. Diese Situation löste auch solche Meinungen aus, es hätte wenig Zweck in der Generatorenanlage auf Perspektive zu arbeiten. Ein gewisser Zustand der Gleichgültigkeit muss als Folge angesehen werden und wirkt sich im ungenügenden Kampf gegen die erkannten Missstände aus.
Die Art und Weise der Mängelbeseitigung und das zögernde Durchsetzen der verschiedenen Stabilisierungsprogramme war deshalb keineswegs geeignet, die schon vorhandenen Unsicherheiten unter einem Teil der Belegschaft des DGW zu beseitigen. Bereits 1964 wurde bei einer gründlichen Einschätzung festgestellt, dass es notwendig war, ein Programm mit 1 000 Mängelpunkten zu erarbeiten. Viele andere Programme, durch Einsätze der Leitung der Kohleindustrie, der VVB-Leitung, der Kombinatsleitung und unzähliger anderer Kommissionen erarbeitet, blieben grundsätzlich ohne Auswirkungen.
Eine Reihe wissenschaftlicher Betriebe erarbeitete ebenfalls Programme zur Mängelbeseitigung. Jedoch auch sie haben zu keinen nennenswerten Erfolgen geführt, sodass nunmehr unter der Belegschaft die Meinung verbreitet ist: »Hauptsache der Betrieb läuft und in der Schicht gibt es keine besonderen Vorkommnisse«.
Wenn auch trotz dieser Schwierigkeiten eine verantwortungsbewusste Arbeit von der Mehrheit der Belegschaft geleistet wird (hohe Einsatzbereitschaft, insbesondere bei Havarien u. a. Vorkommnissen, hoher Einsatz der persönlichen Gesundheit, um den Schaden so gering als möglich zu halten) stellen die in diesem Abschnitt geschilderten Erscheinungen eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.
3. Probleme des Exports von Druckgasgeneratorenanlagen
Die DDR könnte im Zusammenhang mit einem Exportauftrag für die Lieferung eines DGW und einer Ferngasleitung nach Kosovo/Jugoslawien zunehmend auch auf diesem Gebiet Exportaufgaben lösen. Es liegen auch bereits eine Reihe interessanter Anfragen nach Export dieser Anlagen im KA und SW vor. Um die Exportfähigkeit dieser Anlagen zu sichern erweist es sich jedoch als dringend notwendig, die technische Sicherheit unbedingt zu erhöhen und das technologische Niveau zu verbessern. Trotz der Ausnutzung des DGW im KSP als Versuchsfeld für den Export kompletter Industrieanlagen haben sich die technischen Daten usw. nicht verbessert. Die technischen und technologischen Schwierigkeiten wurden durch die Anlagen- und Einzelaggregatforschung (Konstruktion, Projektierung und Ausführung) nicht überwunden. Die Aufgabenstellung für PKM Leipzig, die im DGW des KSP aufgestellten Anlagen, systematisch weiter zu entwickeln und als Grundlage für den Export weltmarktfähiger Industrieanlagen zu schaffen, wurde nicht erreicht. Deshalb ist eine Gefährdung des Exportvertrages nach Jugoslawien und weiterer Exportangebote eingetreten. Zurzeit besteht im kapitalistischen Ausland und sozialistischen Weltmarkt eine starke Nachfrage nach solchen Anlagen, sodass bei einer eventuellen Exportverpflichtung der DDR bei Einsatz unausgereifter Anlagen eine Minderung des Ansehens der DDR eintreten würde.
Gleichzeitig möchte das MfS darauf aufmerksam machen, dass der patentrechtliche Schutz des »Hochtemperatur-Spülgaskammerverkokers«27 noch nicht vollkommen gesichert sein soll. Damit würde für den DDR-Anlagenexport eine äußerst komplizierte Situation eintreten. Wenn die Generatoren für die Exportaufgaben patentrechtlich nicht geschützt sind, so würden den Konkurrenten, insbesondere dem westdeutschen Konzern Lurgi, alle Möglichkeiten gegeben sein, die Wirksamkeit des DDR-Anlagenexportes erheblich einzuschränken. Die Folgen dieses Versäumnisses könnten sich schon beim Export nach Jugoslawien bemerkbar machen.
4. Einflussnahme der übergeordneten Organe auf die Situation im DGW des KSP
Die Anleitungs- und Kontrolltätigkeit der VVB Braunkohle Cottbus als dem übergeordneten Organ des KSP, entsprach in der Vergangenheit nicht den Anforderungen. Bis Ende 1965 gab es keinen technisch vorgebildeten Mitarbeiter für die Anleitung und Kontrolle. Mängel in der gesamten Leitungstätigkeit des Industriezweiges Kohle haben die Autorität der VVB und ihrer Leitungskräfte stark gemindert. Der VVB-Generaldirektor wurde nur bei größeren Havarien und Vorkommnissen hinzugezogen, damit durch ihn finanzielle Mittel bereitgestellt werden, entsprechend der Situation innerhalb der VVB Arbeitskräfte zur sozialistischen Hilfe umdisponiert oder aber Reparaturkapazitäten anderer Werke für das KSP bereitgestellt wurden.
Auch die persönlichen Verbindungen leitender Funktionäre des KSP zu übergeordneten Organen über die VVB hinaus haben offensichtlich dazu beigetragen, dass die VVB Braunkohle nicht in vollem Umfang ihre Verantwortung wahrnehmen konnte.
Die während der verschiedenen Beratungen und Auseinandersetzungen getroffenen Festlegungen zur Bereinigung und Veränderung im DGW zeugen davon, dass in den übergeordneten Organen durchaus reale Vorstellungen über den Ernst der Situation vorhanden sind. Man glaubte jedoch in der Vergangenheit, die Lage mit vorübergehenden Hilfsmaßnahmen lösen zu können.
Selbst Ingenieure von Generalprojektanten PKM Leipzig – Baustelle KSP – nannten bei einer Aussprache mit dem Minister für Grundstoffindustrie Genosse Siebold28 Gründe für die derzeitige Situation, die darauf schließen lassen, dass es im PKM Leipzig keine genügende Koordinierung zwischen Konstruktion und Bauausführung gibt und ungenügende Verantwortungsfreudigkeit und Entschlusskraft besteht. Diese Ingenieure erklärten weiter, ihre Kraft würde nicht mehr ausreichen, um die genannten Probleme zu lösen. In letzter Zeit mehren sich die Anzeichen, wonach es Bestrebungen unter dem ingenieur-technischen Personal des PKM Leipzig auf der Baustelle KSP gibt, eine geeignete Beschäftigungsmöglichkeit innerhalb des KSP zu finden. Zum Teil liegen schon Kündigungen vor.
Aus den angeführten Tatsachen und Hinweisen, so muss abschließend festgestellt werden, geht eindeutig hervor, dass es sich beim DGW nicht schlechthin um ein technisches Problem handelt, sondern dass es zu einem ideologischen und die gesamte Lebenssphäre der Werktätigen berührenden Problem geworden ist. Besonders die ideologischen Auswirkungen sind derzeitig sehr ernst und können die Situation unter der Belegschaft bei einer weiteren Zuspitzung des Havariegeschehens noch erheblich verschärfen, wenn auch die Parteiorganisation in der Vergangenheit stets durch intensive Anstrengungen verstanden hatte, die wesentlichsten negativen Auswirkungen zu mindern.
Auf Teilprobleme des Druckgaswerkes haben bereits die örtlichen Dienststellen des MfS in fünf Informationen an die Leitung des KSP und die Industriekreisleitung der SED im KSP sowie mit sechs Informationen an die Leitung der VVB Braunkohle Cottbus innerhalb der letzten 1 ½ Jahre hingewiesen.29 Auch das MfS informierte, wie eingangs bereits erwähnt, über die Ursachen verschiedener Brände und Störungen mit größeren Schäden.
Im Zusammenhang mit den genannten Schadensfällen wurden insgesamt vier Ermittlungsverfahren durch die VP eingeleitet. Bei drei EV konnte kein schuldhaftes Verhalten der Beteiligten nachgewiesen werden. Das EV zum Schadensfall vom 15.2.1966 – Verpuffung am Generator 3 mit nachfolgendem Großbrand im Generatorenhaus – befindet sich noch beim zuständigen Staatsanwalt zur Entscheidung.
Aus allen angeführten Tatsachen und Hinweisen ergeben sich nach Auffassung des MfS dringende und sofort zu lösende Maßnahmen. Es wäre zweckmäßig, dass der Ministerrat der DDR zu den geschilderten Zuständen im DGW des KSP Stellung nimmt und eventuell Grundsatzentscheidungen zu den offenen Fragen fällt. (Tarifsystem, Arbeitsschutz usw.) Es wäre auch günstig, wenn im Auftrage des Ministerrates der DDR eine Sonderkommission der Regierung tätig werden würde, die mit allen Vollmachten ausgestattet werden sollte, um u. a. auch die Arbeiten zur Stabilisierung der Fahrweise des DGW zu koordinieren und kontrollieren. Wie die Vergangenheit lehrte, haben bisher tätig gewordene Expertengruppen usw., die von den verschiedenen Leitungsebenen eingesetzt worden waren, offensichtlich nicht die Möglichkeiten erhalten oder genutzt, um eine technische Stabilisierung der Anlagen im DGW zu erzielen, oder andere offene Fragen prinzipiell zu klären.
Als dringend zu klärende technische Probleme sind anzusehen:
- 1.
die Rohrbruchsicherungen der Hydraulik funktionstüchtig zu machen,
- 2.
die Schnellschlussarmaturen unter den Bedingungen des KSP funktionstüchtig zu machen und sie konstruktiv so zu gestalten, dass mit Hilfe dieser Armaturen die Sicherheit der Generatorenanlage gewährleistet wird,
- 3.
Maßnahmen zur Beherrschung der Staubdickteerwirtschaft einzuleiten und das Problem der Teergaswasserbehälter zu klären (dabei wäre auch eine Entscheidung zu fällen, ob konstruktive oder technologische Maßnahmen an den Generatoren erforderlich sind, um den Ausfall von Staub- und Dickteer zu reduzieren),
- 4.
Maßnahmen zur Aufklärung der Ursachen für die Innenmantelzehrungen in den Generatoren.
Auch diese Maßnahmen könnten nach Einschätzung des MfS wesentlich dazu beitragen, die projektierten Parameter zu erreichen und die Störanfälligkeit zu mindern.
In Anbetracht der eingegangenen Exportverpflichtungen von Druckgasanlagen in die SFR Jugoslawien wäre es auch zweckmäßig, nochmals die Projekte vom Standpunkt der Betriebssicherheit und des Arbeitsschutzes zu überprüfen.