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Tagung der Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche der DDR

15. Dezember 1966
Einzelinformation Nr. 967/66 über die Tagung der Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche der DDR am 1.12.1966

Dem MfS wurde bekannt, dass am 1.12.1966 in der Hauptstadt der DDR eine Tagung der Vertreter der Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus der DDR stattfand, die von Bischof Krummacher/Greifswald1 – Vorsitzender der Bischofskonferenz der Evangelischen Landeskirchen der DDR – geleitet wurde, und an der Vertreter der Kirchen Westdeutschlands teilnahmen.

(Die Kirchenkonferenz der EKD setzt sich aus je einem Vertreter der einzelnen evangelischen Landeskirchen der DDR und Westdeutschlands zusammen. Ihre Aufgabe besteht in der Vorbereitung und Durchführung von Synoden der EKD und der Verwirklichung der vom Rat der EKD beschlossenen Maßnahmen. An den Kirchenkonferenzen nehmen außerdem jeweils die Ratsmitglieder der EKD ohne Stimmrecht teil.)

Der am 1.12.1966 in der Hauptstadt der DDR stattgefundenen Kirchenkonferenz der DDR ging eine Kirchenkonferenz der Westkirchen am 29. und 30.11.1966 in Westberlin voraus. Beide Konferenzen dienten der Vorbereitung und Durchführung der Synode der EKD im April 1967 und der damit verbundenen Neuwahl des Rates der EKD.2

Wichtigster Gegenstand der Beratungen – besonders während der Tagung in der Hauptstadt der DDR – war die Erhöhung der Anzahl der Ratsmitglieder aus der DDR von drei auf fünf leitende Kirchenführer und die Bildung eines »Ostrates der EKD«, der gleichzeitig aus diesen fünf neuen Ratsmitgliedern bestehen soll.3

Neben den Angehörigen der Kirchenkonferenz der DDR nahmen 23 kirchliche Vertreter aus Westdeutschland teil, darunter Präses Wilm/Bielefeld,4 Oberkirchenrat Riedel/München5 und Präses Wagenmann/Mitglied6 des Kirchenrates der evangelischen Landeskirche von Hannover. Die übrigen westlichen Vertreter waren Mitglieder von Institutionen und Organen der EKD. An den Grenzübergangsstellen zur Hauptstadt der DDR wurden entsprechend den Festlegungen zurückgewiesen: Bischof Jacobi/Oldenburg,7 Bischof Eichele/Stuttgart,8 Kirchenpräsident Sucker/Darmstadt,9 Oberkirchenrat Krüger/Außenamt der EKD Frankfurt/Main.10

Bischof Krummacher betonte während der Konferenz mehrfach die Notwendigkeit einer absoluten Geheimhaltung der zur Debatte stehenden Probleme.

Oberkirchenrat Riedel/München gab zu Beginn der Konferenz die Generallinie für die kommende Synode der EKD im April 1967 bekannt.11 Danach stehe im Mittelpunkt der zu bildende sogenannte Rat Ost der EKD für das Gebiet der DDR. Riedel betonte, es sei beabsichtigt, damit ein arbeitsfähiges Gremium für die DDR zu bilden.

Nach inoffiziellen Hinweisen ist es das Ziel dieses neuen Organs der EKD in der DDR, die bisher tätige Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR (»Ostkonferenz«) aufzulösen, da sie »den Anforderungen nicht entsprochen« hätte. Dafür soll der »Rat Ost« zukünftig als Exekutiv-Organ des Rates der EKD wirken, d. h. er kann selbständig keine Beschlüsse fassen.

Bischof Krummacher bezeichnete die Bildung des »Rates Ost« der EKD als »innerkirchliche Neuregelung«, mit der »nach außen hin« eine Einflussnahme der Westkirchen auf die Kirchen in der DDR als ausgeschlossen erscheinen soll. Tatsächlich werden jedoch die evangelischen Landeskirchen der DDR – zwar nicht mehr vertreten durch die Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR, sondern als »Rat Ost« – noch fester als bisher an die in Westdeutschland vorhandenen kirchlichen Gremien gebunden. So erwies sich zur Durchsetzung bestimmter politisch-klerikaler Ziele der westlichen Kirchenpolitiker durch die bisherige Kirchenkonferenz (Ostkonferenz) in der DDR als hemmend, dass nach der Geschäftsordnung bereits der Widerspruch nur einer Landeskirche der DDR einen verbindlichen Beschluss verhindern konnte. (Dadurch konnten bisher z. B. Vertreter der Landeskirche Thüringen DDR-feindliche Absichten teilweise unterbinden oder stören.)

Für den Rat der EKD gilt diese Klausel nicht. Für die Beschlussfassung ist lediglich eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die zu benennenden fünf Vertreter der Kirchen der DDR – als »Rat Ost« – befinden sich demzufolge, auch bei deren einmütiger Ablehnung von Beschlussvorlagen, den zehn Ratsmitgliedern der Westkirchen gegenüber stets in der Minderheit. Damit wären alle Beschlüsse des Rates der EKD auch für die DDR bindend.

Intern äußerte Bischof Krummacher, bei dieser Gelegenheit könnte auch Bischof Mitzenheim12 aus den leitenden Gremien der EKD herausgewählt werden.

Bischof Krummacher plant für den »Rat Ost« der EKD die Nominierung folgender Kandidaten: Bischof Noth/Dresden,13 Bischof Krummacher/Greifswald, einen noch zu benennenden Vertreter der Landeskirche Magdeburg (Kirchenprovinz Sachsen), einen »zuverlässigen« Nichttheologen der Landeskirche Thüringen und Bischof Scharf/Westberlin.14

Hinsichtlich der Kandidatur eines Vertreters der Landeskirche Thüringen gab es außerhalb der Konferenz zwischen Bischof Krummacher, Bischof Jänicke/Magdeburg15 und Oberkirchenrat Riedel/München eine heftige Diskussion, in deren Verlauf OKR Riedel entgegen den Vorstellungen Krummachers für die Kandidatur von OKR Braecklein/Thüringen16 plädierte. Den Westberliner Bischof Scharf schlug Krummacher im internen Kreis vor mit der Begründung, Scharf sei noch immer Bürger der DDR und repräsentiere die Einheit der EKD; bei der Kandidatur Scharfs gehe es nicht um eine Symphatieerklärung schlechthin, sondern es handle sich um eine Grundfrage der Kirchenpolitik der EKD.

Bischof Krummacher betonte während der Tagung der Kirchenkonferenz am 1.12.1966, es bestehe eine Situation der inneren Spannung. Wörtlich führte er aus: »Die Fronten gruppieren sich für und gegen Scharf. Bei uns hier (in Greifswald) für Scharf. Des Weiteren sind für Scharf die Bischöfe Fränkel/Görlitz17 und Noth/Dresden. Gegen Scharf sind die Bischöfe Jänicke/Magdeburg, Kirchenpräsident Müller/Dessau18 und Bischof Beste19 mit Fragezeichen.« Bischof Mitzenheim wolle er ausklammern.

Dem MfS wurde ferner aus internen Materialien bekannt, dass für die Neubesetzung der Funktion des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands nicht wie bisher vorgesehen Bischof Scharf, sondern der Vorsitzende der Vereinigung Evangelisch-Lutherischer Kirchen Deutschlands (VELKD) Landesbischof Lilje/Hannover20 in Vorschlag gebracht werden solle.

Im Verlaufe der Tagung am 1.12.1966 erklärte OKR Riedel/München, bei der Synode der EKD im April 1967 ginge es um deren »Grundbestand«. Aufgrund dessen würden bereits jetzt umfassende Vorbereitungen getroffen. Es sei geplant, einige Zeit vor der Synode in beiden Teilen Deutschlands einem sogenannten Rüsttag21 mit allen Synodalen durchzuführen, während dem sie so beeinflusst werden sollten, dass während der Synode keine Widersprüche auftauchten. Besonderer Wert solle auf die Vorbereitung einer neuen Kandidatenliste für den neuen Rat gelegt werden mit dem Ziel, die Ernennung ohne Gegenstimmen zu erreichen.

Im Ergebnis umfangreicher Diskussionen wurde von den Konferenzteilnehmern am 1.12.1966 ein aus sieben Mitgliedern dieser Kirchenkonferenz bestehendes Gremium gebildet, das sich mit der konkreten Vorbereitung der Synode der EKD befassen soll.

Diesem Gremium sollen Bischof Fränkel/Görlitz, Kirchenpräsident Dr. Johannes/Dresden,22 Senior Harms/Hamburg,23 Gottschick/Württemberg,24 Nordholt/Vertreter der reformierten Kirche Nordwestdeutschlands,25 Wendt/Karlsruhe26 und Präses Dr. Wagenmann/Hannover angehören. Es ist geplant, dass dieses Gremium in beiden Teilen Deutschlands etwa vier bis fünf Wochen vor der Synode nochmals je eine Kirchenkonferenz organisiert. Als vorläufiger, noch nicht feststehender Termin wurde der 20./21.2.1967 genannt. Ebenfalls würde sich die nächste Ratssitzung der EKD am 19./20.1.1967 mit der Vorbereitung der Synode beschäftigen.

Oberkonsistorialrat Dr. Hagemeyer/Präsident des Konsistoriums von Berlin-Brandenburg27 erläuterte vor der Konferenz die Lage in seiner Landeskirche. Er betonte dabei, die Regelung der Bischofsfrage sei vordringlich geworden, da die Kirchenleitung »am Ende und auf dem Nullpunkt« angekommen sei.28

Die Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quelle nicht publizistisch ausgewertet werden.

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