Tödlicher Fluchtversuch am Teltow-Kanal bei Kleinmachnow
19. Dezember 1966
Einzelinformation Nr. 977/66 über einen verhinderten schweren Grenzdurchbruch im Raum Kleinmachnow-Hafen Teltow, [Kreis] Potsdam am 16.12.1966 mit tödlichem Ausgang für einen der Grenzverletzer
Am 16.12.1966 gegen 21.45 Uhr versuchten die Jugendlichen Kube, Karl-Heinz,1 geboren 10.4.1949, wohnhaft gewesen Ruhlsdorf, [Straße, Nr.], Hilfsarbeiter, VEB Industriewerk Ludwigsfelde und [Name, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1948, wohnhaft Stahnsdorf, [Straße, Nr.], Kochlehrling, HOG »Stahnsdorfer Hof«, am Teltow-Kanal, im Raum Kleinmachnow-Hafen Teltow, [Kreis] Potsdam, die Staatsgrenze der DDR in Richtung Westberlin zu durchbrechen.
Gegen 21.45 Uhr bemerkten die Posten auf dem Beobachtungsturm »Werft« zwei Grenzverletzer, die sich kurz vor den pioniertechnischen Anlagen in Richtung Staatsgrenze bewegten. Unmittelbar danach gab der Grenzposten einen Warnfeuerstoß aus der MPi ab. Da die Grenzverletzer sich trotz der Warnfeuerstöße weiter in Richtung Grenze bewegten, eröffneten die Posten gezieltes Feuer. Nachdem auch das Nachbarpostenpaar auf dem Beobachtungsturm unmittelbar am Teltow-Kanal die Grenzverletzer erkannt hatte, eröffnete es ebenfalls gezieltes Feuer. Gleichzeitig verließen beide Posten unter weiterer Feuerführung den Beobachtungsturm, um die Grenzverletzer zu stellen und festzunehmen.
Die Grenzverletzer hatten in der Zwischenzeit einen alten, parallel zur Staatsgrenze verlaufenden Sicherungsgraben erreicht, in dem sie Schutz suchten und sich gedeckt in Richtung Teltow-Kanal begaben. Als sich die Posten ca. 30 m von den Grenzverletzern entfernt befanden, versuchte einer der Grenzverletzer den alten Sicherungsgraben zu verlassen und die pioniertechnischen Anlagen zu überwinden. Durch den Postenführer wurde jedoch sofort mittels LMG auf den sich aus dem Graben bewegenden Grenzverletzer geschossen, so dass dieser noch vor Erreichen der PTA getroffen zusammenbrach. Der andere Grenzverletzer konnte noch im Graben gestellt und festgenommen werden. Insgesamt wurden von den NVA-Grenzposten 40 Schuss abgegeben.
Durch einen zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im Abschnitt weilenden Offizier der Kompanie wurde der Rücktransport des festgenommenen und des durch die Schusseinwirkung tödlich getroffenen Grenzverletzers veranlasst.
Gegen 22.00 Uhr, nachdem die Bergung und der Abtransport der Grenzverletzer bereits erfolgt und die normale Lage wieder hergestellt war, trafen auf Westberliner Gebiet gegenüber des versuchten Durchbruchsortes vier Pkw der Westberliner Polizei bzw. des Westzolls ein, die ca. 40 Westpolizisten und Zöllner an die Grenze brachten. Gegen 22.30 Uhr kehrten die gegnerischen Kräfte in das Westberliner Hinterland zurück, ohne dass es zu irgendwelchen provokatorischen Handlungen kam. Offensichtlich hat der Gegner von den konkreten Handlungen der NVA-Angehörigen und der Ursache der Schusswaffenanwendung keine Kenntnis erhalten.
Der tödlich verletzte Kube wurde in das gerichtsmedizinische Institut Berlin überführt. Außer dem DPA, SVK-Ausweis, Geldbörsen und Fotos von Gammlergruppen führte Kube einen Seitenschneider bei sich. Aus einer mitgeführten Strafverfügung vom 4.11.1966 ist ersichtlich, dass er am 24.10.1966 wegen unberechtigtem Aufenthalt im Grenzgebiet Kleinmachnow gestellt und mit einer Geldstrafe belegt wurde.
Zur Person
Kube hatte eine negative Einstellung zur DDR. Er beschädigte vorsätzlich Maschinen und verstieß ständig gegen die Anordnungen des Betriebes, wofür er durch die Betriebsleitung, Konfliktkommission und durch den Staatsanwalt gerügt wurde. Kube war als Arbeitsbummelant und Gammler bekannt. Er versuchte andere Jugendliche gegen den Eintritt in die FDJ zu beeinflussen und lehnte Spenden für Vietnam ab. Da alle bisherigen Warnungen und Hinweise bisher keinen Erfolg zeigten, war das Referat Jugendhilfe und Heimerziehung angewiesen worden, die Einweisung des Kube in einen Jugendwerkhof2 zu prüfen. Am 1.12.1966 erfolgte durch einen Mitarbeiter des MfS bereits eine Aussprache mit ihm, da bekannt geworden war, dass Kube beabsichtigte, mit seinem Freund die Staatsgrenze der DDR zu durchbrechen. In der Aussprache gab K. diese Absicht zwar zu, äußerte aber, dass beide aus Angst von ihrem Vorhaben Abstand nehmen würden. Die Eltern des Kube [Passage mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben]. Sie haben keine positive Haltung zur DDR.
[Name] nahm am 1.9.1966 in der HOG »Stahnsdorfer Hof« eine Stelle als Kochlehrling an. Bis zu diesem Zeitpunkt besuchte er die 10. Klasse der Schule in Stahnsdorf. Er wird als hilfsbereit, ehrlich und fleißig beurteilt. Zu politischen Problemen und Ereignissen äußerte er sich nicht. [Name] wurde als uneheliches Kind geboren und wuchs bei seiner Mutter auf, die sich jedoch nicht um ihren Sohn kümmerte. Die Mutter war bis 1960 Grenzgängerin und arbeitete in Westberlin als Krankenschwester und als Verkäuferin. Ihre Einstellung zu unserem Staat ist negativ. Der leibliche Vater lebt in Holland.
Weitere Untersuchungen zur Ermittlung der Ursachen und näheren Zusammenhänge werden durch das MfS geführt.