Tödlicher Unfall im MfS-Wachregiment in Berlin-Adlershof
28. November 1966
Einzelinformation Nr. 918/66 über das besondere Vorkommnis im Wachregiment Berlin des MfS vom 21.11.1966
Am 21.11.1966 gegen 9.00 Uhr kam es auf dem Ausbildungsgelände des Wachregiments Berlin1 des MfS in Berlin-Adlershof (ehemaliges Flugplatzgelände) durch fahrlässige Fahrweise eines SPW-Fahrers zu einem schweren Unfall, bei dem zwei Soldaten getötet wurden und weitere zehn Angehörige des Wachregiments leichte bis mittlere Verletzungen erlitten.
Die sofort eingeleiteten Untersuchungen ergaben Folgendes:
Am 21.11.1966 führte der Ausbildungszug der 6. Kompanie (am 1.10.1966 eingestellte Soldaten) auf dem Ausbildungsgelände des Wachregiments in Berlin-Adlershof (ehemaliges Flugplatzgelände) die planmäßige Ausbildung zum Thema »Feuerkampf vom SPW« durch. Die Leitung der Ausbildung hatte der Zugführer Unterleutnant Richter.2
Da die 6. Kompanie über keine SPW verfügt, wurden zwei SPW Typ 152 W 1 mit Fahrer von der 5. zur 6. Kompanie kommandiert.
Gegen 8.20 Uhr erfolgte die Einweisung in das Lehrthema und das Ziel der ersten Ausbildungsstunde. Dabei befahl der Zugführer während des Auf- und Absitzens vom SPW eine Geschwindigkeit von 5 km/h, er erläuterte die Art und Weise der Durchführung der Übungen und legte die Pause für 9.00 Uhr fest. Durch den Zugführer wurde bei der Einweisung jedoch versäumt, den Geländestreifen festzulegen, in dem die Ausbildung durchgeführt werden sollte.
Von 8.25 Uhr bis 8.55 Uhr führten die Gruppen entsprechend dem Befehl und unter Aufsicht des Zugführers selbständig die Ausbildung durch. Da sich jedoch gegen Ende der Ausbildungsstunde bei den Soldaten Ermüdungserscheinungen zeigten, beendeten die Gruppenführer vorzeitig und eigenmächtig die Ausbildung und führten unabhängig voneinander aus eigenem Entschluss mit den besetzten SPW zweimal eine Fahrt um das ehemalige Flugplatzgelände (insgesamt 3 km) durch. Dabei wollte der Gruppenführer Unterfeldwebel [Name 1] den neueingestellten Soldaten die besondere Fahrtüchtigkeit des SPW demonstrieren. Er gab dem Fahrer, Stabsgefreiter [Name 2], entsprechende Weisung zum Fahren und erklärte sich auf Vorschlag des Fahrers mit der Erhöhung der Geschwindigkeit einverstanden, ohne eine Begrenzung derselben zu befehlen. [Name 2] erhöhte daraufhin die Geschwindigkeit und überfuhr starke Unebenheiten im Gelände teilweise mit 60 km/h. Bei der zweiten Fahrt um das Flugplatzgelände stieß [Name 2] in einer Linkskurve infolge überhöhter Geschwindigkeit gegen einen Betonpfeiler des alten Feldparkzaunes. Ohne die Geschwindigkeit zu vermindern, fuhr er mit 60 km/h über weitere Geländeerhöhungen. Anschließend befuhr er eine asphaltierte Strecke von 300 m, wobei von einigen Soldaten Bedenken geäußert wurden, dass durch eine derartige Fahrweise der SPW umkippen könne. Während diese Bedenken vom Beifahrer entschieden zurückgewiesen wurden, versuchte [Name 2], um den neueingestellten Soldaten die große Wendefähigkeit des SPW zu beweisen, eine scharfe Linkskurve zu fahren. Aufgrund der noch hohen Geschwindigkeit (ca. 50 km/h) wurde der SPW nach rechts weggedrückt, hob sich während der Kurvenfahrt linksseitig und überschlug sich um 360 Grad um die Längsachse. Dabei rollte das Fahrzeug auf der Kühlerhaube ab und kam auf seinen Achsen – fast in Gegenfahrtrichtung – zum Stehen.
Beim Überschlagen des SPW wurden – bis auf drei Insassen – alle im Kampfraum befindlichen Soldaten aus dem SPW geschleudert. Alle Verletzten wurden sofort fachärztlich betreut. Die Angehörigen der tödlich Verunglückten und der Verletzten wurden durch verantwortliche Offiziere des Wachregiments verständigt.
Die festgestellten Ursachen des Unfalls sind allein auf menschliches Versagen zurückzuführen. Sie liegen in der eigenmächtigen Handlungsweise des Gruppenführers Unterfeldwebel [Name 1], der entgegen dem Ausbildungsplan die Fahrt des SPW genehmigte, keinen Einfluss auf die Fahrweise des SPW-Fahrers nahm und damit dessen fahrlässige und leichtfertige Handlungsweise ermöglichte und begünstigte. Weiter wirkten sich die ungenügende Kontrolle und das Nichtfestlegen der konkreten Begrenzung des Ausbildungsraumes durch den verantwortlichen Ausbildungsleiter aus.
In allen Einheiten des Wachregiments wurde das Vorkommnis in sachlichen Informationen bekanntgegeben. Durch den Kommandeur und die Politabteilung des Regiments wurden Maßnahmen zur positiven Einflussnahme auf die Stimmung der neueingestellten Soldaten eingeleitet, um das vorgesehene Ausbildungsprogramm – trotz zeitweiliger Unterbrechung von Ausbildungsthemen, die besonderen Einsatz an Härte erfordern – zu erfüllen.
Gegen die Verantwortlichen wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Gegen den Fahrer des SPW, Stabsgefreiter [Name 2], leitete der Militärstaatsanwalt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung ein E-Verfahren ein.