Direkt zum Seiteninhalt springen

Toter bei Rutschung und Baggerhavarie im Tagebau Meuro

26. März 1966
Einzelinformation Nr. 240/66 über eine Rutschung und Baggerhavarie im Tagebau Meuro des BKW »Franz Mehring« Brieske – VVB Braunkohle Cottbus, [Kreis] Senftenberg

Am 23.3.1966, gegen 22.35 Uhr, ereignete sich im Vorschnitt, in der Nähe des Tagebau-Drehpunktes, des Tagebaues Meuro BKW »Franz Mehring« Brieske, [Kreis] Senftenberg eine Rutschung. Etwa 3 000 bis 5 000 m³ Erdmassen bewegten sich auf den im Vorschnitt arbeitenden Schaufelradbagger Sch RS 1 200 zu, überschütteten ihn dann bis zum Drehkranz, hoben das gesamte Oberteil aus und verursachten starke Deformierungen am Ausleger und am Oberteil.

Vier Baggerbesatzungsmitglieder konnten sich in Sicherheit bringen, während der als Springer arbeitende Baggerführer Kühnel, Klaus,1 geboren am 28.5.1942, verheiratet, wohnhaft Senftenberg in seiner Kabine eingeklemmt und verschüttet wurde. Er konnte nach einstündiger Rettungsarbeit mit schweren Quetschungen im Brust-Hals-Bereich nur noch tot geborgen werden.

Fachleute schätzen den Sachschaden am Bagger auf etwa acht bis zehn Mio. MDN. Der Wiederaufbau des Gerätes wird etwa ein Jahr dauern. Durch den Ausfall des Baggers werden im Jahre 1966 ca. sieben Mio. m³ Abraum nicht bewegt werden können. Die Kohleförderung im Tagebau Meuro wird dadurch jedoch nicht gefährdet, da für ca. zwei Jahre der Kohlevorrat freigelegt ist. Für die Förderbrücke im Tagebau Meuro entstand keine Gefahr.

Die eingeleiteten Untersuchungen zur Aufklärung der Schadensursachen, die gemeinsam mit der VP geführt werden, haben folgendes vorläufiges Ergebnis:

Bereits am 21.3.1966 ereignete sich in der gleichen Schicht am Schaufelradbagger Sch RS 1 200, 200 m westlich vom jetzigen Havarieort, eine Rutschung, die jedoch nach den vorliegenden Hinweisen keinen Einfluss auf die folgenschwere Havarie vom 23.3.1966 hatte. Durch diese Rutschung wurde der Schutzkasten vom Bandausleger beschädigt.

Durch den Rapport des Tagebaudispatchers entstanden Meinungsverschiedenheiten in der Betriebsleitung, ob es sich bei diesem Vorkommnis um eine Rutschung oder um eine Nachbrechung (häufiges Vorkommnis im Braunkohlentagebau) handelt. Obwohl Meinungsverschiedenheiten über den Charakter dieser Rutschung bestanden, wurden keine speziellen Maßnahmen zur näheren Prüfung eingeleitet.

Am 23.3.1966 wurde in der Spätschicht für den sonst tätigen Schichtführer und Meister für Tagebaugeräte [Name, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1930 der Kühnel als Baggerführer eingesetzt. [Name] arbeitete an diesem Abend nicht.

Bei Schichtwechsel wurde Kühnel von seinem Vorgänger darüber informiert, dass noch Erdmassen für einen Vollzug in dem Planum vorhanden wären, dann müsse die Umsetzung des Gerätes zum neuen Standort im Tagebau erfolgen. Nach den Feststellungen hatte K. seit Schichtbeginn bereits zwei Vollzüge aus dem Planum vollgebaggert und mit dem dritten Vollzug begonnen, als der Erdrutsch einsetzte.

Aus dem markscheiderischen Aufmaß2 nach dem Erdrutsch ist zu entnehmen, dass an dieser Stelle bereits vor der Havarie ein Überhang vorhanden gewesen sein muss, der den Kumpeln jedoch nicht bekannt war. Laut Betriebsanweisung muss der Anschnittswinkel an der Böschung des Vorschnittes 55° betragen; diese Weisung wurde von Kühnel nicht eingehalten.

Begünstigend hat sich auf den Verlauf der Havarie die Bodenstruktur ausgewirkt. Die bodenmechanischen Untersuchungen durch Experten ergaben, dass sich das Gebirge an der Rutschungsstelle aus mehrschichtig gewachsenem Boden zusammensetzt. Sand, Ton und andere Erdarten wechseln ineinander ab. Rutschfreudig war besonders eine richtungslose Schluffschicht3 von zehn bis 15 cm Mächtigkeit, welche Harnischbildungen4 und Verknetungen erkennen ließ. Die Rutschungsneigung dieser Schicht wurde durch ihre Winkelstellung von 45 bis 60° zur Böschung, d. h. ihre einfallende Lage zum Tagebauvorschnitt, begünstigt.

Von Fachexperten wird die Auffassung vertreten, die aufgeführten Verwerfungen in der Bodenstruktur hätten mit dem üblichen Bohrnetz der Vorfelderkundung nicht festgestellt werden können, sodass keine zusätzlichen Hinweise gegeben bzw. keine zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen eingeleitet werden konnten.

Durch das MfS und die VP werden die Untersuchungen fortgesetzt, um die Schuldfrage der Havarie und die Ursachen sowie begünstigenden Bedingungen eindeutig zu klären.5 Aus diesem Grunde wurde durch die VP ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet.

  1. Zum nächsten Dokument Fahnenflucht zweier NVA-Angehörige in Berlin

    26. März 1966
    Einzelinformation Nr. 241/66 über eine Gruppenfahnenflucht in der 3. Kompanie, Grenzregiment 33, 1. Grenzbrigade am 23.3.1966

  2. Zum vorherigen Dokument Verdacht auf geplante Republikflucht zweier Leistungssportler

    25. März 1966
    Einzelinformation Nr. 238/66 über den Verdacht der Vorbereitung zur Republikflucht durch zwei Leistungssportler