Treffen der EKD in Berlin im Dezember 1965
14. Januar 1966
Einzelinformation Nr. 33/66 über die Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) in der Zeit vom 15. bis 17.12.1965 und Pläne zur Durchführung weiterer Ratssitzungen in der Hauptstadt der DDR
Dem MfS wurde zuverlässig bekannt, dass in der Zeit vom 15. bis 17.12.1965 in der Hauptstadt der DDR mehrere zentrale kirchliche Tagungen stattfanden. Es handelt sich dabei um Tagungen
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des Rates der EKD
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der Kirchenkonferenz der EKD
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des Ostkirchenausschusses der EKD1
Beratungsgegenstand dieser Tagungen sowie interner Beratungen zwischen Kirchenführern waren hauptsächlich die Neuwahl des Bischofs der Landeskirche Berlin-Brandenburg,2 die Denkschrift des Rates der EKD zur Oder-Neiße-Grenze3 sowie Pläne zur Durchführung weiterer Beratungen und Veranstaltungen auf kirchlicher Ebene in der Hauptstadt der DDR.
Von besonderer Bedeutung war die Ratstagung der EKD am 15.12.1965, weil sie offensichtlich mit dazu dienen sollte, den »gesamtdeutschen Charakter« durch die Teilnahme namhafter westdeutscher Kirchenführer und auch durch die Thematik der Beratung zu unterstreichen.
Die Ratstagung vom 15.12.1965 hatte folgende Tagesordnung:
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Bericht über das Zweite Vatikanische Konzil4
Berichterstatter: Prof. Dr. Edmund Schlink,5 Heidelberg
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Bericht über das bisherige Ergebnis der Diskussion zur Denkschrift der EKD zur Oder-Neiße-Grenze
Berichterstatter: OKR Wilkens,6 Hannover
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Vorbereitung der Synode der Landeskirche Berlin-Brandenburg der EKD (15. bis 17.2.1966)7
Auf der Ratstagung der EKD am 17.12.1965 wurde das Problem der Nachfolge von Bischof Dibelius8 behandelt und in diesem Zusammenhang der Entwurf für ein Schreiben der Kirchenleitung der Landeskirche Berlin-Brandenburg an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR ausgearbeitet.
Weiter wurde vereinbart, die nächste Synode der EKD in der Zeit vom 15. bis 17.2.1966 in beiden Teilen Berlins durchzuführen. Wie bereits in der Einzelinformation Nr. 21/66 mitgeteilt wurde, soll sich diese Synode mit der Bischofsnachfolge von Dibelius befassen.
Dem MfS wurde bekannt, dass an dieser Beratung nachfolgende namhafte westdeutsche Kirchenführer teilgenommen haben:
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Keller-Hüschemenger, Max,9 Hannover – Präsident des Lutherischen Kirchenamtes
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Dr. Lilje, Johannes,10 Hannover – Stellvertretender Ratsvorsitzender der EKD, Bischof der Landeskirche Hannover
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Brunotte, Heinz,11 Hannover – Leiter der Kirchenkanzlei der EKD
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Prof. Dr. Niesel, Wilhelm,12 Schöller,13 Rheinland – Mitglied des Rates der EKD
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Prof. Dr. Schlink, Edmund, Heidelberg – Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg
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Dr. Heinemann, Gustav,14 Essen – Rechtsanwalt, Mitglied des Rates der EKD
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Wilm, Ernst,15 Bielefeld – Präses der Landeskirche Rheinland, Mitglied des Rates der EKD
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Smidt, Udo,16 Detmold – Landessuperintendent, Mitglied des Rates der EKD
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Wilkens, Erwin, Hannover – Oberkirchenrat
Bezeichnend ist im Zusammenhang mit der Durchführung der Ratstagung der EKD am 15.12.65 in der Hauptstadt der DDR, dass von dem Teilnehmer Dr. Lilje, stellvertretender Ratsvorsitzender der EKD und Bischof der Landeskirche Hannover, bei der Einreise in die Hauptstadt der DDR zur Abdeckung des tatsächlichen Einreisegrundes angegeben wurde, dass er sich mit Landesbischof Dr. Mitzenheim17 treffen wolle. Überprüfungen ergaben jedoch, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprachen und sich Bischof Mitzenheim an besagten Tagen nicht in Berlin aufhielt.
Aufgrund der Tatsache, dass Ratsmitglieder der EKD aus Westdeutschland ungehindert in die Hauptstadt der DDR einreisen konnten, um an derartigen Tagungen teilzunehmen und durch ihre Anwesenheit den »gesamtdeutschen Charakter« der EKD zu demonstrieren, wurde von Bischof Lilje in einer internen Sitzung mit Bischof Krummacher18 und Bischof Beste19 vorgeschlagen, die Ratssitzungen der EKD in Zukunft in der Hauptstadt der DDR durchzuführen.
Als Termine für die Ratssitzungen der EKD in der DDR wurden folgende Tage festgelegt:
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27. und 28.1.1966
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3. und 4.3.1966
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26. und 27.5.1966
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30.6. und 1.7.1966
Mit der Durchführung der EKD-Synode vom 15. bis 17.2.1966 in Westberlin und in der Hauptstadt der DDR soll – so wurde auf der Ratstagung der EKD am 15.12.1965 festgelegt – ein Präzedenzfall für weitere EKD-Veranstaltungen in Berlin geschaffen werden. Im Rat der EKD wird das Stillschweigen der Organe der DDR zu den bisherigen Veranstaltungen der EKD, die in letzter Zeit in der Hauptstadt stattfanden, als Einverständnis zu derartigen gesamtkirchlichen Veranstaltungen angesehen.
Im Kreis der leitenden Bischöfe wurde ferner vereinbart, in nächster Zeit folgende Beratungen durchzuführen:
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In der Zeit vom 31.1. bis 4.2.1966 soll in Bad Saarow eine Sitzung der Bischöfe der DDR durchgeführt werden. (In diesem Zusammenhang wird auf die in unserer Information Nr. 21/66 berichtete, sehr interne und außerordentliche, Sitzung der Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg verwiesen, die in der Zeit vom 26. bis 28.1.1966 in Bad Saarow stattfinden und auf der prinzipiell über die entstehende Lage bei Ausscheiden von Präses Scharf20 zum Bischof beraten werden soll. Offensichtlich soll die Beratung vom 26. bis 28.1.1966 – vermutlich unter Ausschluss progressiver Kirchenführer der EKD – der Vorbereitung der Sitzung der Bischöfe dienen.)21
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Vom 14. bis 17.3.1966 soll in Potsdam-Hermannswerder die Generalsynode der EKD stattfinden. In der gleichen Zeit wird in Westberlin die Parallel-Synode der EKD durchgeführt, auf der die Wiederwahl von Präses Scharf als Ratsvorsitzender der EKD erfolgen soll.22
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Vom 18. bis 20.4.1966 findet die Generalsynode der VELKD in Berlin statt.
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Vom 8. bis 10.3.1966 wird der Präsident des Lutherischen Weltbundes und Leiter der Vereinigung der Lutherischen Kirche der USA, der Amerikaner Dr. Fredrik A. Schiotz23 die DDR besuchen.
Ferner wurde dem MfS bekannt, dass während der Kirchenkonferenz der EKD, die am 16.12.1965 unter Beteiligung aller evangelischen Bischöfe aus der DDR und der Ratsmitglieder aus Westdeutschland, die auch an der Ratstagung der EKD am 15.12.1965 teilgenommen hatten, stattfand, u. a. über folgende Probleme gesprochen wurde:
Während der Konferenz, die unter der Leitung von Bischof Krummacher stand, hielt Oberkirchenrat Hafa,24 Berlin, ein Referat zum Thema »Die philosophischen Grundlagen der gegenwärtigen Situation in der DDR«. Darin führte er u. a. aus, dass sich unter den Künstlern – unter ihnen Anna Seghers25 und Biermann26 – ein verstärkter »Freiheitsdrang« bemerkbar mache, wobei er diese Entwicklung mit der Situation der Künstler in Westdeutschland verglich. Präsident Hildebrandt27 und Bischof Fränkel28 stimmten den Ausführungen Hafas zu. Oberkirchenrat Pabst,29 Berlin, appellierte an die Anwesenden, der Jugend alle erdenkliche Hilfe zu gewähren.
Im weiteren Verlauf gab der Vorsitzende des Evangelischen Kirchentages, Freiherr von Weizsäcker30 (Bruder des Atomphysikers) einen Überblick über die Entwicklung der Evangelischen Kirchentage und erwähnte u. a., dass die Zeit der »großen Kirchentage« vorbei sei. In Zukunft würden mehr kleinere Veranstaltungen stattfinden. Der nächste Kirchentag solle für 1967 nach Hannover einberufen werden.31 Bischof Krummacher erwähnte in seinen Ausführungen, dass man dem neugebildeten Staatssekretariat für gesamtdeutsche Fragen32 große Aufmerksamkeit widmen müsse.
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