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Verdacht auf geplante Republikflucht zweier Leistungssportler

25. März 1966
Einzelinformation Nr. 238/66 über den Verdacht der Vorbereitung zur Republikflucht durch zwei Leistungssportler

Dem MfS liegen über die Leistungssportler [Name 1, Vorname], Leistungssportler des Deutschen Skiläuferverbandes – Nordische Kombination und [Name 2, Vorname], Deutscher Rallyemeister (ADMV) vertrauliche Hinweise vor, wonach beide Sportler zu einer Bürgerin in Norwegen bzw. in Westdeutschland offensichtlich intime Beziehungen unterhalten und aus dieser Verbindung der dringende Verdacht besteht, dass sie bei entsprechenden Auslandstarts republikflüchtig werden könnten.

Im Wesentlichen wurde Folgendes bekannt:

[Name 1, Vorname] nahm im Februar 1966 als Angehöriger der DDR-Mannschaft an den Weltmeisterschaften im Skisport in Norwegen teil. Während seines Aufenthaltes in Norwegen knüpfte er ein offensichtlich intimes Verhältnis zu Fräulein [Vorname Name 3], [Straße, Nr.], Oslo 3, an. [Name 1] äußerte mehrfach, er habe ein starkes Interesse an diesem Mädchen. Weiterhin erklärte er, er würde sofort bei dem Mädchen bleiben, falls es ihn ernsthaft darum bitten würde. Dementsprechende Gedanken hat er diesem Mädchen auch unterbreitet. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass seine Mutter bei jedem seiner Auslandstarts, insbesondere im kapitalistischen Ausland, befürchte, dass er nicht in die DDR zurückkomme.

[Name 1, Vorname] gehört seit 1960 dem [Name des Sportvereins] an. Obwohl seine Einstellung zur DDR als nicht positiv eingeschätzt wird, ging er während der Ausscheidungen für die Olympischen Winterspiele 19641 auf mehrere Abwerbungsversuche westdeutscher Sportler und anderer westdeutscher Personen nicht ein und meldete diese Vorfälle seinem Trainer. Zu diesem Zeitpunkt hatte [Name 1] eine Freundin in der DDR.

Während seines Aufenthaltes zu den Olympischen Winterspielen 1964 in Innsbruck hielt [Name 1] enge Verbindungen zu dem Trainer der westdeutschen Mannschaft Schiffner2 und zu westdeutschen Sportlern. Bei weiteren Auslandstarts u. a. in Finnland und Norwegen wurden jedoch keine weiteren Unkorrektheiten im Verhalten des [Name 1] bekannt.

Die Verbindung zu [Vorname Name 3] entstand nach bisherigen Feststellungen beim letzten Auslandstart in Norwegen anlässlich der Weltmeisterschaften im Skisport 1966.3

Wie dem MfS bekannt wurde, ist vorgesehen, dass [Name 1] am 30.3.1966 mit einer Sportdelegation des Deutschen Skiläuferverbandes zu Wettkämpfen nach Schweden fahren soll.

Der Vater des [Name 1] – [Name 1, Vorname], geboren 1920 – ist als Bezirkstrainer für Skisport beim Bezirksvorstand des DTSB [Ort] tätig. Er war 1945 in amerikanischer Gefangenschaft und arbeitete bis 1947 für die US-Armee als Skilehrer und Bergführer. In seiner gegenwärtigen Tätigkeit zeigt er eine große Initiative und sehr gute pädagogische Fähigkeiten.

[Name 2, Vorname] lernte im September 1965 die [Name 5, Vorname], wohnhaft in München 2, [Straße, Nr.], kennen, als diese ihre in der DDR wohnenden Eltern besuchte, und nahm zu ihr intime Beziehungen auf. Wie dem MfS vertraulich bekannt wurde, hatte die [Name 4] mit [Name 2] Pläne beraten, wie seine Republikflucht erfolgen könnte.

Im Zusammenhang mit der erwarteten Erringung des Titels »Deutscher Rallye-Meister« 1966 durch [Name 2] soll seine Teilnahme an der Adria-Rallye in Jugoslawien4 durchgesetzt werden. Die [Name 4] beabsichtigt, ihn zu diesem Zeitpunkt mit falschen Pässen und Flugzeugtickets auszurüsten, die es ihm ermöglichen sollen, die DDR über Jugoslawien illegal zu verlassen. ([Name 2] soll inzwischen durch das Präsidium des ADMV und andere maßgebliche Stellen die Zusicherung für einen Start in Jugoslawien erhalten haben. Für den Fall einer späteren Ablehnung der Startgenehmigung in Jugoslawien habe er – so äußerte [Name 2] – einen sofortigen Eintritt in die Partei vorgesehen; danach stünde seiner Meinung nach einem Start nichts mehr im Wege.)

([Name 2] hat ca. im September 1965 einen Antrag zur Aufnahme in die SED gestellt.)

[Name 2] ist beim SC [Name] organisiert. 1965 war er gemeinsam mit [Name 6, Vorname] »Deutscher Rallye-Meister«. Er ist als Schlosser/Elektriker bei der [Name des Betriebs] beschäftigt. Von seinen Arbeitskollegen wird er als arrogant und überheblich geschildert. In seinen Argumentationen ist er sehr für das westliche Ausland eingenommen. Er trägt auch vornehmlich westliche Kleidung.

[Name 2] wird als moralisch unzuverlässig eingeschätzt, er hat eine starke Neigung zu Frauen und zum Alkohol. Im März 1965 wurde er wegen zahlreicher außerehelicher Verhältnisse geschieden.

Die Eltern des [Name 2] unterhalten schriftliche Verbindungen zu ihren Verwandten und Geschwistern in Westdeutschland, von denen sie auch wiederholt Besuche empfangen.

Vom MfS wird gebeten zu überprüfen und zu entscheiden, inwieweit unter Berücksichtigung der vorgenannten Hinweise diesen Personen Auslandstarts untersagt werden sollten.

  1. Zum nächsten Dokument Toter bei Rutschung und Baggerhavarie im Tagebau Meuro

    26. März 1966
    Einzelinformation Nr. 240/66 über eine Rutschung und Baggerhavarie im Tagebau Meuro des BKW »Franz Mehring« Brieske – VVB Braunkohle Cottbus, [Kreis] Senftenberg

  2. Zum vorherigen Dokument Zahlreiche Schadensfälle durch Brände an Dampferzeugeranlagen

    23. März 1966
    Einzelinformation Nr. 236/66 über Brände an Luftvorwärmern von ölbeheizten Dampferzeugern und einige damit zusammenhängende Probleme