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Verlauf der Leipziger Frühjahrsmesse (3)

11. März 1966
Einzelinformation Nr. 184/66 über den Verlauf der Leipziger Frühjahrsmesse 1966 (3. Bericht)

Eine erste Einschätzung der bisherigen Ergebnisse der Handelstätigkeit auf der Leipziger Messe1 zeigt, dass das Tempo der Vertragsabschlüsse in etwa dem Stand des Vorjahres entspricht. Bis zum vierten Messetag wurden Exportverträge in Höhe von 410 Mio. VM und Importverträge in Höhe von 360 Mio. VM abgeschlossen. Rückstände im Vergleich zur Frühjahrsmesse 1965 gibt es insbesondere hinsichtlich der UdSSR, Ungarns, der ČSSR und der Volksrepublik China.

Für das kapitalistische Ausland liegen die Vertragsabschlüsse leicht über dem Messetag des Vorjahres. Kritische Situationen gibt es für Vertragsabschlüsse mit Holland, Dänemark, Finnland und Indien, da in diesen Ländern die Besucherzahl zum Teil erheblich unter der des Vorjahres liegt.

Bis einschließlich 9.3.1966 wurden bisher insgesamt insgesamt 549 Mio. VM nicht ausspezifiziert. 308 Mio. VM entfallen davon auf den Export in die sozialistischen Länder. Den Hauptanteil am unspezifizierten Volumen haben das Ministerium für chemische Industrie mit 125 Mio. VM und die Ministerien der metallverarbeitenden Industrie mit 255 Mio. VM.

In Auswertung der Beschlüsse des 11. Plenums werden auf der Messe2 erste Anträge für Devisenkredite zur Rationalisierung gestellt. Bis zum 10.3.1966 wurden insgesamt 31 Kreditanträge genehmigt, die bei einem Importaufwand von 8 863 TVM zusätzliche Exporte in Höhe von 54 077 TVM gestatten. Etwa die Hälfte der Anträge wurden von halbstaatlichen und Privatbetrieben gestellt. Die vorliegenden Anträge betreffen ausschließlich den kapitalistischen Weltmarkt. Gegenwärtig werden Überlegungen angestellt, um die Antragstellung für Devisenkredite für Importe aus den sozialistischen Ländern zu stimulieren.

Bei der Handelstätigkeit wurden bis zum 9.3.1966 gegenüber den Planpreisen im Handel mit dem kapitalistischen Wirtschaftsgebiet Preisverbesserungen per Saldo in Höhe von 1 252 TVM erzielt. Günstige Möglichkeiten für Preisverbesserungen im Export gibt es besonders auf dem Sektor der metallverarbeitenden Industrie.

Mit einer Reihe von Ländern werden gegenwärtig Kooperationsvereinbarungen beraten. Dabei ist festzustellen, dass langfristige Kooperationsvereinbarungen in erster Linie mit sozialistischen Ländern getroffen werden müssen. Mit Kooperationsverträgen, die während der Messe oder nach der Messe zum Abschluss kommen, ist besonders mit Polen (Büromaschinen und Waggonbau), Rumänien (Zulieferung von Objektiven für den Kameraexport) sowie in der Perspektive mit Ungarn, Bulgarien, der ČSSR und Jugoslawien zu rechnen. Kooperationsvereinbarungen werden auch in Gesprächen mit Westdeutschland (MAN), Belgien (ACEC)3 und Indien (Birla4 und Tata)5 sowie mit einer Reihe anderer Länder, auch über die Zusammenarbeit auf dritten Märkten, behandelt. In verhältnismäßig großem Umfange sind Kooperationsvereinbarungen mit französischen Firmen in Anbahnung begriffen. Hervorzuheben sind dabei Verhandlungen mit der Firma ENSA6 über die Kooperation beim Aufbau einer Düngemittelfabrik in der VAR, ausgehend von der Kooperation bei der Düngemittelfabrik Schwedt.

Vom Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel wird eingeschätzt, dass die Aufgabenstellung der Export-Import-Koordinierung in allen Außenhandelsunternehmen gegenwärtig gut organisiert ist. Für die Import- und Export-Koordinierung sind in der Regel stellvertretende Generaldirektoren verantwortlich. Erste Ergebnisse liegen bei der DSM in Höhe von zwölf Mio. und bei DIA Textil in Höhe von drei Mio. VM vor. Größere Abschlüsse sind vor allem bei dem AHU Nahrung und Genuss zu erwarten. Die Außenhandelsunternehmen setzen sich in den Verhandlungen durch entsprechend hartes Auftreten für eine Forcierung der Import-Export-Koordinierung ein.

Hinsichtlich einiger Wirtschaftsgebiete gibt es folgende Schwerpunkte:

UdSSR

Eine Reihe von Außenhandelsunternehmen hat aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten beim Abschluss von Verträgen mit der UdSSR. Verschiedene VVB sind nicht bereit, sich auf den Bezug sowjetischer Erzeugnisse festzulegen. Bei Transportmitteln (Diesellokomotiven, Pkw Saporoshez, Kettentraktoren DT 75) sowie bei Kühlschränken und Waschmaschinen lehnen die VVB die Abnahme ab, da noch keine technische Prüfung dieser Erzeugnisse erfolgte und die Organisation des Service noch nicht gesichert ist. Der Abschluss von Importverträgen wird durch festgefahrene Preisverhandlungen und Differenzen bezüglich der zu vereinbarenden Qualitäten hinausgezögert.

Untersuchungen der Parteiorganisation des Außenhandels haben ergeben, dass die Vorbereitung des Jahresabkommens 19667 nicht genügend qualifiziert erfolgte. Die zuständigen AHU und VVB sind bei der Vorbereitung des Abkommens nur unbefriedigend konsultiert worden. Keine Probleme gibt es bei den AHU DSM, MIEG, Demusa,8 Union. Bei dem AHU Büromaschinen-Export tauchen Probleme dadurch auf, dass es noch nicht gelungen ist, die Sowjetunion zu veranlassen, moderne hochentwickelte Büromaschinen mit elektronischen Zusatzgeräten anstelle elektromechanischer Maschinen zu beziehen. Schwierigkeiten gibt es auch bei der Sicherung der DDR-Lieferungen von Walzwerkausrüstungen und Drahtziehmaschinen, da die UdSSR die abgestimmten Spezifikationen einseitig verändert hat.

Auf dem Gebiet der Medizintechnik verlagert die Sowjetunion ihre Importe von Röntgenzügen in zunehmendem Maße auf andere sozialistische Länder, die unsere Preise wesentlich unterbieten. Im Import bestehen Schwierigkeiten insbesondere für transistorierte Taschenempfänger, für die das DAMW die Zustimmung zum Import aufgrund unserer Sicherheitsbestimmungen verweigert. Geplante Importe von Butter und Käse aus der Sowjetunion konnten infolge Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Qualität nicht gebunden werden.

Auch auf einer Reihe anderer Gebiete gibt es Schwierigkeiten infolge fehlender Warenbereitstellung durch die DDR (Strümpfe, fotochemisches Material, Obertrikotagen und anderes).

Andere RGW-Länder

Mit der ČSSR gibt es noch erhebliche Differenzen in den Sortimenten bei Vertragsabschlüssen über Kali und feste Brennstoffe.

Mit Rumänien wurde ein Vertrag über den Import von 2 600 Traktoren entsprechend der im Vertrag festgelegten Menge abgeschlossen. Die Vorbereitung von Verträgen über den Export von Abfüllanlagen, Verpackungsmaschinen, Werkzeugmaschinen, Pkw, Fernsehgeräten und anderen Erzeugnissen ist im Gange.

Das AHU Technocommerz beabsichtigt, einen langfristigen Vertrag über 60 Schiffsdieselmotoren im Werte von zwölf Mio. VM bis 1970 abzuschließen. Der polnische Binnenhandel entsandte eine größere Delegation unter Leitung des Stellvertreters des Ministers für Binnenhandel nach Leipzig, um weitere Exportmöglichkeiten der DDR für den polnischen Binnenmarkt zu erschließen.

Für Ungarn wird in den nächsten Tagen ein Exportvertrag für die Jahre 1967/68 über 400 Stück Eiskühlwagen im Werte von 20 Mio. VM abgeschlossen werden.

Für den Export nach Jugoslawien können einige Abkommenskontingente wegen Warenmangel nur ungenügend realisiert werden. Besonders krass ist die Situation beim AHU Heimelectric, das nur 20 % des Abkommens 1966 realisieren kann.

Kapitalistische Länder

Nach Einschätzung des MAI ist in einigen Ländern eine Verbesserung der Qualität des Käuferkreises, vor allem auf dem Sektor Maschinenbauerzeugnisse, festzustellen. Die bisherigen Verhandlungen hatten im Wesentlichen informativen und technischen Inhalt. Durch die bessere Beachtung der Preishinweise der Handelsvertretungen konnten Preisverbesserungen erzielt werden. Kunden bezeichneten die Zusammenarbeit der Industrie mit dem Außenhandel in technischen Fragen als wesentlich verbessert. Aufgrund der verbesserten Zusammenarbeit stehen schwedische Stahlwerke in Kaufverhandlungen für weitere Ausrüstungen ihrer Betriebe aus der DDR-Produktion.

Amerikanische Kunden berichten davon, dass die Regierung der USA auch in Zukunft beabsichtigt, die DDR im Handel anders als die übrigen sozialistischen Länder zu behandeln. Auf der anderen Seite wird eingeschätzt, dass in Kürze mit der Aufhebung der Bestimmung zu rechnen sei, wonach Waren aus der DDR in den USA mit der diskriminierenden Bezeichnung »Made in USSR occupied Zone« zu kennzeichnen sind. Es werden Berichte bekannt, dass das State Department amerikanischen Persönlichkeiten anrät, die Leipziger Messe nicht zu besuchen. So wurde versucht, einen amerikanischen Wissenschaftler, der den VEB Carl Zeiss Jena besuchte, davon abzuhalten und ihn an das Pseudounternehmen in Oberkochen zu verweisen.9

Fernostländer

Während der ersten Messetage konzentrierten sich die Gespräche insbesondere auf den Export der DDR nach Indien, Japan und den Iran. Bedeutende Gespräche wurden vor allem mit maßgeblichen Vertretern der indischen Konzerngruppen Tata und Birla geführt. Dabei ging es vor allem um die Schaffung von Voraussetzungen für Kooperationsbeziehungen. Geschäftsanbahnungen für indische Firmen gibt es auf den Sektoren polygraphische Maschinen, Textilmaschinen, Chemieanlagen (Petrolchemie, Papier und Caprolactam). Birla interessiert sich für eine komplette Produktionslinie für den Fang und die Verarbeitung indischer Krabben und für ein Projekt für die Ernte und den Transport von Bananen.

Mit Japan wurden bisher im Wesentlichen Geschäfte über Erzeugnisse des VEB Carl Zeiss Jena abgeschlossen. Weitere Geschäfte mit japanischen Firmen sind in den nächsten Tagen zu erwarten.

Westdeutschland

Die Geschäftstätigkeit mit Westdeutschland wird in der zweiten Messehälfte durch das Stattfinden des Saldenausgleichs begünstigt, der am 10.3.1966 mit einem Saldo von 531 TVE zugunsten der DDR vollzogen wurde. In einer weiteren Vereinbarung mit der Treuhandstelle für den Interzonenhandel wurden Liefermöglichkeiten für Schweine und Schweinefleisch in Höhe von weiteren 20 Mio. VE eröffnet.

Am 8.3.1966 besuchte das Mitglied des Politbüros Genosse Alfred Neumann10 in Begleitung des Genossen Balkow11 die Stände der westdeutschen Stahl- und Maschinenbaukonzerne. Während dieser Gespräche wurden die Vertreter der Konzerne auf die Notwendigkeit der Erweiterung der Bezüge aus der DDR hingewiesen und mit ihnen Maßnahmen zur Durchführung von Anlagengeschäften außerhalb des offiziellen Abkommens erwogen. Dr. Mommsen12 von Phoenix-Rheinrohr teilte Genossen Neumann mit, dass er während eines zwischenzeitlichen Aufenthalts in Hamburg von Bundeskanzler Erhard13 über seine Eindrücke auf der Frühjahrsmesse befragt wurde. Mommsen lud Genossen Behrendt14 zum Besuch seines Standes in Hannover ein.15

Auf dem Stand der Salzgitter AG gab der Standleiter Dr. Leithe16 deutlich zu verstehen, dass das Hauptinteresse bei Salzgitter in der Zusammenarbeit auf dem Anlagensektor liegt.

In Gesprächen mit leitenden Vertretern des Verbandes der Maschinenbauanstalten (VDMA),17 u. a. Generaldirektor Schulz18 von der DEMAG, wurde den Vertretern der DDR erklärt, dass von dem VDMA ein Memorandum erarbeitet werden soll, das eine erhebliche Erhöhung des Austausches von Maschinenbauerzeugnissen vorsehen soll und die Möglichkeiten von Anlagengeschäften eröffnet.19 Den Vertretern des VDMA wurde Einblick in den Mechanismus des Handels zwischen beiden deutschen Staaten gegeben, den sie nicht kannten.

Schwierige Situationen sind auf einigen Gebieten der Beziehungen zu den westdeutschen Versandhäusern und Warenhauskonzernen entstanden. Der Grund ist darin zu sehen, dass die westdeutschen Versandhäuser und Warenhauskonzerne es im Allgemeinen ablehnen, die Preisforderungen der DDR zu akzeptieren. Eine Reihe von Einkäufern sind deshalb abgereist oder haben ihre Aufträge reduziert. Es ist angekündigt worden, dass man sich nach neuen Lieferländern umsehen wird. In erster Linie betrifft dies Textilwaren, dabei besonders Untertrikotagen, Strümpfe und andere Waren. Bei Spielwaren und technischen Konsumgütern gelingt es im Allgemeinen, die Preise durchzusetzen.

Bis zum 10.3.1966 sind Messebesucher aus folgenden Gebieten angereist:

[Staaten]

1966

1965

Sozialistische Staaten

4 938

5 646

Touristen aus sozialistischen Staaten

14 975

12 500

Imperialistische Paktstaaten20

5 420

5049

Antiimperialistische Staaten

399

466

Sonstige kapitalistische Staaten

2 725

2 237

Westdeutschland

19 145

17 371

Westberlin

4 049

3 721

Delegationen zur Arbeiterkonferenz

2 126

3 030

Die Quartierlage hat sich in den letzten Tagen etwas entspannt, da zusätzlich in Leipzig und in Halle mehrere tausend Massenquartiere für Touristen und 800 Privatquartiere für Messegäste bereitgestellt werden konnten.

Die Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quellen publizistisch nicht ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Warnschüsse an der Mauer in Berlin-Treptow

    11. März 1966
    Einzelinformation Nr. 196/66 über eine Grenzprovokation durch eine männliche Zivilperson aus Westberlin im Abschnitt Treptow, Puschkinallee am 11.3.1966

  2. Zum vorherigen Dokument Zollmitarbeiter in Lkw-Laderaum in Marienborn eingesperrt

    9. März 1966
    Einzelinformation Nr. 191/66 über die Anwendung der Schusswaffe durch einen Angehörigen der Zollverwaltung der DDR an der Grenzübergangsstelle Marienborn am 8.3.1966