Vermeintliche Feindtätigkeit im VEB TRO Berlin-Rummelsburg
24. November 1966
Einzelinformation Nr. 907/66 über Mängel in der Stufenschalterfertigung im VEB TRO
In der Vorlage des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik »Situation im VEB TRO unter besonderer Berücksichtigung der Stufenschalterfertigung« wird festgestellt, dass wiederholt nachgewiesene Feindtätigkeit im VEB TRO, Werkteil Rummelsburg, den ordnungsgemäßen Fertigungsablauf negativ beeinflusst habe und sich jetzt noch hemmend auf die Erfüllung der Aufgaben auswirke.1
Diese Darstellung ist sachlich falsch. Die vom MfS vorgenommenen Untersuchungen und Überprüfungen haben ergeben, dass es keine nachweisbare Feindtätigkeit gegeben hat, die in einen Zusammenhang mit der Erfüllung oder Nichterfüllung des Exportauftrages »Stufenschalter für die UdSSR zur Realisierung des internationalen Abkommens Assuanstaudamm«2 gebracht werden könnte.
Bei den angeblichen Feindhandlungen handelt es sich im Einzelnen um solche Vorkommnisse, die ohne Weiteres im Verlaufe des Arbeitsprozesses eintreten können und bei denen schädliche Auswirkungen in jedem Falle durch die Gütekontrolle verhindert werden können und auch verhindert wurden. Sie wurden deshalb auch vom Werkleiter des VEB TRO Wolter3 und seinem 1. Stellvertreter Klee4 nicht als Feindhandlungen eingeschätzt und deshalb zum Zeitpunkt der Feststellungen auch nicht dem MfS mitgeteilt.
So wurde z. B. am Boden eines Stufenschalters ein Stück Kupferlitze aufgefunden. Die gleiche Art Kupferlitze wird in der Produktion der Schalter verwandt. Diese Litze ist zudem nicht geeignet, eine Störung oder einen Ausfall des Schalters hervorzurufen.
Bei der Fertigung eines Widerstandes wurde, nachdem die Wickler bereits an der Biegefestigkeit des dazu verwandten Drahtes aufmerksam wurden, durch Messungen festgestellt, dass anstelle des erforderlichen Widerstandsdrahtes Eisendraht in gleicher Stärke und mit gleichem Aussehen angeliefert worden war. Vom Betrieb wurde aber nicht einmal festgestellt, wie es zu dieser falschen Materialanlieferung kommen konnte.
Das diese beiden Vorkommnisse von der Betriebsleitung nicht mit einer Feindhandlung in Verbindung gebracht wurden, geht auch schon daraus hervor, dass weder dem Sicherheitsbeauftragten des Betriebsteiles Rummelsburg noch dem Leiter der HA Werksicherheit des VEB TRO davon Kenntnis gegeben wurde.
Auch bei den nachfolgend genannten Vorkommnissen konnte keinerlei feindliche Einwirkung nachgewiesen werden. So wurden an zwei Kontakten eines Stufenschalters Spuren von Hammerschlaglack festgestellt, mit dem das gesamte Gehäuse des Schalters gespritzt wird. Dieser aufgetragene Hammerschlaglack war sofort äußerlich sichtbar und fiel bei der ersten Kontrolle im Betrieb auf. An einem anderen Gerät wurde eine äußerlich sichtbare Kratzspur festgestellt, die ganz offensichtlich durch Abrutschen mit einem Schraubenzieher entstand und keinen unmittelbaren Schaden zur Folge hatte. Bei der Endabnahme eines Schalters wurde an einer offen sichtbaren Stelle eine lose Schraubenmutter festgestellt, wie sie im Produktionsprozess verwandt wird.
Als einzige feindliche Handlung wurde im Werkteil Rummelsburg am 30.10.1966 in der Toilette eine Hetzschmiererei gegen den Vorsitzenden des Staatsrates festgestellt. Diese Schmiererei befand sich inmitten einer Vielzahl anderer »Toiletten-Kritzeleien«, wurde sofort nach der Fertigstellung von einem Arbeiter entfernt und hatte dadurch keinerlei Wirksamkeit. Dem MfS war es aufgrund des sofortigen Entfernens der Schmiererei nicht möglich, die erforderlichen kriminaltechnischen Maßnahmen zur Spurensicherung einzuleiten. Unabhängig davon wurden vom MfS die erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung des Täters eingeleitet. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass diese Schmiererei, wie auch andere Vorkommnisse, dem MfS nicht von der Werkleitung, die davon wusste, mitgeteilt wurde. Obwohl ein Mitarbeiter des MfS ständigen Kontakt zu der Werkleitung unterhält, suchte erst am 23.11.1966 Werkdirektor Wolter die Kreisdienststelle des MfS auf und machte Mitteilung über die im Bericht genannten Vorkommnisse. Dabei betonte er, dass die Werkleitung diese Vorkommnisse, mit Ausnahme der Schmiererei, nicht als Feindtätigkeit einschätzt.
Nach Auffassung des MfS sind die in der Vorlage des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik enthaltenen Feststellungen über wiederholt nachgewiesene Feindtätigkeit im Zusammenhang mit dem Exportauftrag als ein Versuch zu werten, von den eigentlichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen wie Schwächen und Missstände in der Leitungstätigkeit, in der Arbeitsorganisation und Fertigung des Betriebes, mangelnde Unterstützung und Kontrolle der VVB und des Ministeriums und ähnlichen Erscheinungen – wie sie in der Vorlage auch teilweise angesprochen werden – abzulenken. Bereits in der Vergangenheit wurden in diesem Betrieb solche Tendenzen festgestellt, am Jahresende bei Nichterfüllung der Planauflagen plötzlich »Feindtätigkeit« als Hauptursache für diese Zustände »zu entdecken«.