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Vorbereitung der ev. Landessynode Berlin-Brandenburg

10. Februar 1966
Einzelinformation Nr. 116/66 über die Sitzung der Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche von Berlin-Brandenburg zur Vorbereitung der Provinzialsynode vom 13. bis 17.2.1966 und über die bevorstehende Neuwahl des Bischofs der Landeskirche Berlin-Brandenburg

Dem MfS wurde bekannt, dass in der Zeit vom 26. bis 28.1.1966 eine erweiterte Sitzung der Kirchenleitung der Landeskirche Berlin-Brandenburg stattfand, die sehr internen Charakter trug und unter der Leitung des Verwalters im Bischofsamt Generalsuperintendent Jacob1 stand.

Während der Kirchenleitungssitzung wurde folgende Tagesordnung behandelt:

  • 1.

    Vorbereitung des Berichtes der Kirchenleitung an die Synode.

  • 2.

    Festlegung des weiteren Kurses zur Vorbereitung der Bischofswahl.

Die anschießende Diskussion untergliederte sich in einen Komplex zu theologischen- und Gemeindefragen und in einen Komplex zu kirchenpolitischen Fragen.

Während über die theologischen und allgemeinen kirchlichen Probleme relativ schnell eine Einigung erzielt wurde, standen die kirchenpolitischen Probleme – insbesondere die der Bischofsnachfolge – nur im engsten Kreis der Kirchenleitung zur Diskussion, wobei es zu stundenlangen harten Auseinandersetzungen kam.

Nach den Darlegungen von Jacob während der Sitzung der Kirchenleitung zum Komplex der theologischen Probleme wird der Bericht der Kirchenleitung an die Synode im Wesentlichen folgende Schwerpunkte beinhalten:

Zu Beginn des Berichtes sollen Möglichkeiten der Ausbreitung und Vertiefung des kirchlichen Lebens analysiert werden. Unter anderem soll behandelt werden, wie auf Arbeiter, Handwerker, wissenschaftliche Institute usw. mehr Einfluss genommen werden kann und wie eine Umorganisierung der Arbeit der Großstadtgemeinden vorgenommen werden soll. Neue Formen der kirchlichen Arbeit sollen z. B. auch in der Gestaltung der Erwachsenen-, Kinder- und Familiengottesdienste gefunden werden, da die Landeskirche zurzeit noch den Charakter einer Pastorenkirche trage. In Bezug auf die Arbeit der Gemeinde- und Kleinkreise wird im Bericht darauf orientiert, sich mehr mit aktuellen Fragen zu befassen, z. B. zur Frage der Stellung des Christen in der sozialistischen Gesellschaftsordnung und zur Rassendiskriminierung.

In der Durchführung der Konfirmation sei aufgrund zahlreicher Mängel in der kirchlichen Arbeit ein Rückgang zu verzeichnen. Um eine Aktivierung zu erreichen, sollen übergemeindliche Zusammenschlüsse angestrebt werden.

Weiter wird in dem Bericht darauf orientiert, eine größere Zusammenarbeit mit den katholischen Christen anzustreben und den kirchlichen Werken der Diakonie, wie kirchliche Kindergärten, Krippen und Altersheime, eine größere Unterstützung zu geben.

Im Bericht wird weiter auf die gesammelten Erfahrungen der Gossner Mission in der DDR2 in der kirchlichen Breitenarbeit und auf die Bildung von sogenannter Pfarrer-Teams – ein Pfarrer und zwei Laien als Kopf der Gemeinde – hingewiesen.

Im Berichtsteil über Kirchbauten werden Angaben über die Restaurierungskosten des Doms in Brandenburg und der Kirche in Gransee gemacht, wobei die finanzielle Unterstützung des Staates hervorgehoben wird. Im weiteren Teil des Berichtes wird jedoch gegen die Haltung der staatlichen Organe Stellung genommen, keine Genehmigungen für Aufbauten von Baracken für Gottesdienste sowie Genehmigungen für Gemeindeveranstaltungen in verschiedenen Gemeinden zu erteilen. Alle Verhandlungen seien offensichtlich aus ideologischen Gründen gescheitert.

Über die Tätigkeit der Kirchenleitung wird hervorgehoben, dass in der Berichtsperiode erstmals Kirchenleitungssitzungen in den Industriegemeinden Lübbenau-Neustadt und Guben stattgefunden hätten mit dem Ziel, diese Neubaugebiete besser kennenzulernen. Durch die Teilnahme an einer Arbeitstagung in Cottbus über Fragen des Gemeindeaufbaues habe die Kirchenleitung einen Einblick in die praktizierende Gemeindearbeit gewonnen.

Weiter wird erwähnt, dass sich die Kirchenleitung am 21.10.1965 in Templin und in einer Reihe von Dorfgemeinden über die Existenz der Christen im sozialistischen Dorf und über die Lage in den LPG habe unterrichten lassen. Als Kirchenleitung würden sie noch gern öfter »durch die Gemeinden wandern«, das Arbeitspensum würde sie jedoch zu den fast wöchentlichen Sitzungen in Berlin zwingen.

Zur Frage der Taufe sei mit der Gruppe der Pastoren gesprochen worden, welche die Taufe ihrer Kinder mit der Begründung, die Taufe sollte erst dann erfolgen, wenn die Kinder selbst entscheiden könnten, ob sie eine Taufe wünschen oder nicht, bis jetzt aufgeschoben hätten, wobei ihre Einstellung nochmals überprüft worden sei. Neue Spannungen seien dadurch entstanden, dass die infrage kommenden Pastoren nicht der Bitte nachgekommen seien, ihre Kinder jetzt bzw. sofort nach deren Geburt zu taufen, obwohl keiner von ihnen die Kindertaufe grundsätzlich ablehne.

Ein weiterer Abschnitt des Berichtes der Kirchenleitung an die Synode befasst sich mit Problemen des Wehrersatz-Dienstes. Dazu wird nochmals der Beschluss der letzten Synode im November 1964 angeführt,3 über die jungen Christen in den Baueinheiten mit den anderen Kirchenleitungen in der DDR und mit der Regierung der DDR ins Gespräch zu kommen. In diesen Gesprächen sollte für einen nichtmilitärischen Ersatzdienst eingetreten werden. Die Konferenz der Kirchenleitungen der DDR habe bereits am 2.12.1964 der Auffassung Ausdruck gegeben, dass in einem Gespräch leitender Geistlicher mit den zuständigen Staatsorganen eine Abhilfe bei Gewissensbedenken gegen das Gelöbnis oder beim Bau militärischer Objekte angestrebt werden solle.4 Die Bischöfe Noth,5 Jänicke6 und Generalsuperintendent Jacob hätten sich um solche Gespräche bemüht, zu denen es jedoch leider nicht gekommen sei. Im Gegensatz dazu seien im Frühjahr 1965 fünf junge Christen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden, weil sie es aus wirklichen Gewissensgründen abgelehnt hätten, beim Bau militärischer Objekte mitzuarbeiten.7 Diese Fragen habe die Konferenz der Kirchenleitungen immer wieder bewegt.

Weiter wird darauf hingewiesen, dass auf Bitte der Konferenz der Kirchenleitungen eine »Handreichung für Seelsorge an Wehrpflichtige« unter der Überschrift »Zum Friedensdienst der Kirche« erarbeitet worden sei.8 Am 1.11.1965 sei von den Bischöfen beschlossen worden, diese Handreichung an alle Kirchenleitungen weiterzugeben, worauf die Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg am 11.11.1965 einstimmig beschlossen habe, sie allen Pfarrämtern zur Durcharbeitung zu übersenden. Die Synode sei nicht der Ort, über Form und Inhalt dieser Handreichung im Einzelnen zu sprechen. Es genüge, das eigentliche Ziel dieser Handreichung mit den Sätzen zu charakterisieren, die Dr. Martin Luther King9 in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Nobel-Preises in Oslo am 11.12.1965 ausgesprochen habe: »Es genügt nicht zu sagen, wir dürfen keinen Krieg führen. Wir müssen den Frieden lieben und Opfer für ihn bringen. Wir dürfen uns nicht auf die negative Beziehung des Krieges beschränken, sondern müssen uns auf das positive Zeugnis für den Frieden konzentrieren.«10

In einem weiteren Teil des Berichtes wird nach einer Würdigung der Opfer des Faschismus anlässlich des 20. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges besonders auf den großen Gottesdienst am 8. Mai 1965 hingewiesen, in dessen Verlauf sich die Evangelische Kirche vor ausländischen Geistlichen zu ihrer Schuld bekannt habe.11

Bei der dann folgenden Einschätzung des Kirchentages in Frankfurt/Oder wird hervorgehoben, dass von den 8 000 Teilnehmern eine Kollekte für eine Orgel für die Evangelische Kirche Polens in Höhe von 14 971 MDN erbracht worden sei.12 Das Geschenk sei durch Generalsuperintendent Schönherr13 und Bischof Wantuła14 zu dessen 60. Geburtstag überreicht worden. Die Orgel solle 1967 in einem evangelischen Gemeindesaal in Warschau aufgestellt werden.

Im Anschluss an diese Darlegungen wird auf die ökumenischen Tagungen hingewiesen, die im Berichtszeitraum auf dem Territorium der DDR stattgefunden haben. Die Förderung dieser Tagung durch die Regierung der DDR habe eine positive Resonanz in der Kirche gefunden. In diesem Zusammenhang wurden die Empfänge durch Staatssekretär Seigewasser15 in Berlin und Frankfurt als ein positives Zeichen für die weiteren Beziehungen zwischen Staat und Kirche gewertet.

Zur Denkschrift der EKD wird erwähnt, die Proteste und Schmähungen gegen die Verfasser seien in Westdeutschland ausgelöst worden.16 Trotz ihrer Bedeutung könne die Denkschrift jedoch auf der Provinzialsynode nicht in den erforderlichen Rahmen behandelt werden. Der von Bischof Jänicke abgegebenen Stellungnahme von der EKU-Synode könne auch die Synode von Berlin-Brandenburg zustimmen.

Über den Inhalt des Berichtes der Kirchenleitung an die bevorstehende Synode gab es nur wenige Diskussionen und eine relativ schnelle Einigung.

Die Behandlung der kirchenpolitischen Fragen, insbesondere der Bischofsnachfolge, wurde von Generalsuperintendent Jacob mit dem Verlesen eines von ihm und Konsistorialpräsident Hagemeyer17 angefertigten Protokolls über die Zusammenkunft des Staatssekretärs Seigewasser mit drei Vertretern der Kirchenleitung am 25.1.196518 eingeleitet. Das Protokoll ist sachlich abgefasst und gibt in objektiver Form das Gespräch zwischen den Vertretern der Kirchenleitung und dem Staatssekretär wieder. Besonders hervorgehoben wird, Staatssekretär Seigewasser besitze umfangreiches Material über Präses Scharf19 und habe den Vertretern der Kirchenleitung daraus Passagen übergeben. Die Einzelheiten der Feindtätigkeit Scharfs wurden in dem von Jacob verlesenen Protokoll voll aufgeführt und hinterließen bei den Anwesenden einen großen Eindruck.

Die sich daran anschließende Diskussion wurde im engsten Kreis der Kirchenleitung weitergeführt. Vor diesem Kreis erklärte Generalsuperintendent Jacob, es habe eigentlich kein Anlass bestanden, die Regierung der DDR vor der Tagesordnung der Synode zu informieren. Es sei nur deshalb geschehen, um einen günstigen Anlass wahrzunehmen, eine Einreise von Präses Scharf in die DDR zu erbitten.

Jacob wandte sich gegen die Behauptung von Konsistorialpräsident Hagemeyer, dass die Unterredung bei Staatssekretär Seigewasser mehr eine Abkanzlung gewesen sei. Jacob hielt Hagemeyer entgegen, dass die Vertreter der Kirchenleitung von sich aus gegangen seien und der Staatsekretär sich auf ein Gespräch eingelassen habe.

Im Anschluss daran kam es zu dem Problem der Neuwahl des Bischofs zu stundenlangen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf keine Einigung erzielt wurde.

Es ist einzuschätzen, dass die eindeutige Erklärung der Regierung der DDR, Scharf werde keine Genehmigung zur Einreise in die DDR erhalten und seine Wahl werde als Affront gegen die Regierung der DDR angesehen, zu einer starken Verwirrung geführt hat.20

Jacob gab bekannt, Scharf habe ihn wissen lassen, dass er mit dem 1.4.1966, d. h. zum Zeitpunkt des Rücktritts von Dibelius,21 einen Schlussstrich unter die bisherige kirchenpolitische Entwicklung ziehen und eine neue Entwicklung einleiten wolle. Weiter teilte Jacob mit, Staatssekretär Seigewasser habe zum Ausdruck gebracht, er würde sich über eine Kooperation mit ihm – Jacob – sehr freuen, und die Kirchenleitung müsse den Mut aufbringen, auch einen anderen Kandidaten zum Bischof zu wählen.

Daran anschließend wurden stundenlang mehrere Varianten hinsichtlich der Wahl eines anderen Bischofsnachfolgers diskutiert. Dabei forderte ein Teil der Mitglieder der Kirchenleitung die unbedingte Wahl von Präses Scharf zum Bischof, wobei diese Forderungen heftige Diskussionen auslöste. Generalsuperintendent Jacob ging auf die Idee einer »Zweiteilung der Gewalten« ein, d. h., dass paritätisch je ein Bischofsverweser für Westberlin und die DDR gewählt werden solle.22 Gleichzeitig erklärte er, falls er als Kandidat für die Funktion des Bischofsverwesers aufgestellt werden würde, müsse ihm durch die Synode die volle Verantwortung übertragen werden.

Gegen diese Vorschläge wurde von Teilnehmern ein Protest vorgebracht, wonach man bei der Bischofswahl keinem Druck nachgeben dürfe. Die Bischofswahl – so heißt es in dem Protest – müsse im Zusammenhang mit der Spaltung gesehen werden. Unter allen Umständen solle der Eindruck vermieden werden, dass es um eine Teilung der Macht gehe; vielmehr solle die Einheit der Landeskirche erhalten bleiben.

Als die Diskussionen auf den § 6 der Notverordnung zum Bischofswahlgesetz kam23 – der besagt, dass der Bischofsverweser nicht durch die Synode gewählt, sondern von der Regionalkirchenleitung eingesetzt wird –, erklärte Jacob kategorisch, der Bischofsverweser müsse ebenfalls durch die Synode gewählt werden; er sei nicht damit einverstanden, dass der Verweser nach Belieben der Kirchenleitung ein- und abgesetzt werden könne.

Im Ergebnis der langen harten Auseinandersetzungen entstand eine Gruppierung, die Bereitschaft zeigt, aus der Haltung der Regierung der DDR eventuelle Schlussfolgerungen zu ziehen. So äußerten in einem internen Gespräch Superintendent Freybe,24 Generalsuperintendent Lahr25 und der Leiter der evangelischen Mädchenarbeit Burkhardt,26 man müsse eventuell doch in Erwägung ziehen, einen DDR-Bürger als Bischof zu wählen. Diese Gedanken fanden jedoch in der offiziellen Diskussion keinen Niederschlag.

Zum Abschluss der Diskussion wurde eine Erklärung erarbeitet, die der Synode zur Begründung bzw. Erläuterung der Bischofs-Neuwahl vorgelesen werden soll. (Der Wortlaut dieser Erklärung wird als Anlage beigefügt.) In der sich nach der Abstimmung über diese Erklärung anschließenden kurzen Diskussion wurde betont, man warte weiterhin mit Ungeduld, die Frage Scharf endlich abzuschließen.

Die Kirchenleitung fasste den Vorsatz, es auf der Synode zu keinen großen Diskussionen kommen zu lassen. Die Diskussionsredner sollen nach diesen Vorstellungen nacheinander sprechen, ohne dass ihnen zunächst vom Präsidium geantwortet wird. Im Anschluss daran wolle sich die Kirchenleitung zur Beratung zurückziehen um festzulegen, auf welche Argumente von welchen Kirchenleitungsmitgliedern geantwortet werde. Damit soll ein eventueller Meinungsaustausch unterbunden werden.

Zum Abschluss der Sitzung der Kirchenleitung der EKD Berlin-Brandenburg wurde Einigung darüber erzielt, auf einer Zusammenkunft am 10.3.1966 nunmehr eine einheitliche Meinung zu erarbeiten.

Durch das MfS wird eingeschätzt, dass nach den bisherigen Erfahrungen während der Provinzialsynode der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg vom 13. bis 17.2.1966, die in zwei Regionalsynoden – sowohl in der Hauptstadt der DDR als auch in Westberlin – stattfindet,27 nach den vorliegenden Bedingungen die Möglichkeit eines reibungslosen Kurierverkehrs zwischen beiden Teilen der Synode gegeben ist. (In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass selbst bei der Generalsynode der EKD, die vom 21. bis 25.3.1965 getrennt in Frankfurt/Main und Magdeburg/Cracau stattfand,28 versucht wurde, eine Abstimmung der Beschlüsse durch Aufnahme eines Kurierverkehrs herbeizuführen.)

Erfahrungsgemäß wird bei einer Tagung in Berlin von den reaktionären kirchlichen Kräften in Westdeutschland ein Kurierdienst in der Form organisiert, dass ca. stündlich über den Stand der Beratungen Berichte nach Westberlin gelangen. Dieser Kurierdienst erlangt bei dieser Synode besondere Bedeutung, da die Abstimmung über den Wahlvorschlag des neuen Bischofs und über andere wichtige Beschlussvorlagen in der Synode in Westberlin von den Abstimmungsergebnissen der Teilsynode in der Hauptstadt der DDR abhängig ist, zumal die Synode in der Hauptstadt der DDR die Zweidrittelmehrheit besitzt.

Aus diesem Grunde wird gebeten zu entscheiden, inwieweit zur Erschwerung dieser Kurierverbindung bekannten kirchlichen Persönlichkeiten aus Westdeutschland bzw. Westberlin, die im Besitz eines westdeutschen Passes sind, während der Tagung der Synode das Betreten der Hauptstadt der DDR verweigert werden kann. (Diese Persönlichkeiten werden insbesondere bei bestimmten schwierigen Situationen der Synode selbst in der Hauptstadt der DDR erscheinen, um unmittelbaren Einfluss zu nehmen.)

Als besonders vordringlich wird es erachtet, folgenden kirchlichen Persönlichkeiten während der Dauer der Synode die Einreise in die Hauptstadt der DDR nicht zu gestatten:

Mitglieder des Rates der EKD:

  • Landesbischof Dr. Hans Lilje, Hannover29

  • Präses Ernst Wilm, Bielefeld30

  • Rechtsanwalt Dr. Dr. Gustav Heinemann, Essen31

Ferner

  • Konsistorialpräses Ranke, Westberlin32

  • Generalsuperintendent Helbich, Westberlin.33

Dabei ist jedoch zu beachten, dass trotz dieser und anderer Maßnahmen eine völlige Unterbindung der Übermittlung von Informationen über den Verlauf der Synode nicht möglich ist, da besonders für weniger bekannte Personen die Möglichkeit der Einreise in die Hauptstadt der DDR weiter besteht.

In diesem Zusammenhang wird gebeten zu prüfen, ob nicht durch den Staatssekretär für Kirchenfragen den Verantwortlichen der Landeskirche Berlin-Brandenburg mitgeteilt werden sollte, dass ein Auftreten Westberliner oder westdeutscher kirchlicher Persönlichkeiten auf der Synode der DDR nicht gestattet sei.

Dem MfS wurde weiter bekannt, dass im Anschluss an die interne Sitzung der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg vom 26. bis 28.1.1966 in der Zeit vom 1. bis 4.2.1966 die evangelischen Bischöfe – außer Bischof Mitzenheim34 – zu einer internen Aussprache über aktuelle kirchenpolitische Fragen zusammentrafen. Die Sitzung wurde von Bischof Krummacher35 einberufen und hatte den Zweck, eine Übereinstimmung unter den evangelischen Bischöfen zu politischen Fragen zu erzielen.

Auf dieser internen Bischofsrüste36 kam es zu einem informatorischen Gespräch über die bevorstehende Synode der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg und damit in Zusammenhang zur Wahl des Bischofs. Im Verlaufe der Sitzung informierte Generalsuperintendent Jacob die Bischöfe über den Verlauf der Kirchenleitungssitzung der Evangelischen Landeskirche von Berlin-Brandenburg, über das Gespräch mit Staatssekretär Seigewasser und über die Durchführung der Synode vom 13. bis 17.2.1966.

Generalsuperintendent Jacob führte aus, es bestünde im Wahlkollegium – dem Wahlkollegium gehören u. a. die Bischöfe Krummacher, Jänicke und Mager37 an – und mit Präses Scharf Übereinstimmung, dass als einziger Kandidat zur Bischofswahl Präses Scharf aufgestellt werde. Die Synodalen – so erläuterte Jacob –, erhielten auf der Synode keine Möglichkeit einer Diskussion. Es sei vorgesehen, für den Bereich der DDR erneut einen Bischofsverweser zu wählen; er, Jacob, werde jedoch diese Funktion nicht mehr ausüben.

Aus den Ausführungen von Jacob war zu entnehmen, dass sich am jetzigen Stand des Leitungsaufbaues der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg nichts ändern werde, d. h. es gebe auch weiterhin wie unter Bischof Dibelius einen Bischof mit Sitz in Westberlin und einen Bischofsverweser für das Gebiet der DDR.

Die Information darf im Interesse der Sicherheit der Quelle nicht öffentlich ausgewertet werden.

Anlage zur Information Nr. 116/66

[Erklärung der Kirchenleitung zur bevorstehenden Bischofswahl]

Herr Bischof Dibelius hat wegen seiner ernsten Erkrankung am 28. Dezember 1965 seinen Rücktritt zum 1. April 1966 erklärt.

Unsere Kirchenleitung hat in ihrer Sitzung am 6. Januar 1966 einstimmig beschlossen, der Absicht des Herrn Dibelius zuzustimmen, das Bischofskollegium einzuberufen und die Bischofswahl auf die Tagesordnung dieser Synode unter der Voraussetzung zu setzen, dass die beiden Sektionen des Bischofswahlkollegiums einen übereinstimmenden Wahlvorschlag für die Bischofswahl aufstellen. Die Kirchenleitung hat ferner in dieser Sitzung am 6. Januar einstimmig beschlossen, in einem Brief den Herrn Vorsitzenden des Ministerrates und damit die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik in diesem Zusammenhang zu bitten, Herrn Präses Dr. Scharf möglichst noch vor dem Zusammentritt der Synode die Rückkehr in die DDR zu gestatten.

Dieser Brief wurde am 7. Januar 1966 durch den Vorsitzenden der Kirchenleitung dem Herrn Staatssekretär für Kirchenfragen mit der Bitte um Weiterleitung übergeben.

Die Antwort wurde uns am 24.1.1966 in einer Unterredung gegeben, in die der Herr Staatssekretär den Vorsitzenden und die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der Kirchenleitung gebeten hatte.

Es wurde uns namens der Regierung der DDR in Beantwortung unseres Schreibens mündlich erklärt, dass der Wunsch der Kirchenleitung, Herr Präses Scharf möge seinen Wohnsitz wieder in der DDR nehmen können, nicht erfüllt werden könne. Die Gründe für diese Ablehnung seien hinreichend bekannt und öfters dargelegt worden.

Unter Bezugnahme auf Äußerungen in der Westpresse, nach denen eine Kandidatur oder eine Wahl von Präses Scharf zum Bischof beabsichtigt sei, erklärte der Staatssekretär, dass es ein Affront sei, wenn Dr. Scharf kandidieren würde und gewählt werden sollte. Nach Meinung der Regierung könne nur jemand gewählt werden, der Bürger der DDR sei. Daraufhin erklärte der Vorsitzende der Kirchenleitung:

Wir haben die Erklärung des Staatssekretärs als Erklärung der Regierung zur Kenntnis genommen. Wir bedauern die Entscheidung hinsichtlich der von uns erbetenen Rückkehr von Präses Scharf sehr. Wir werden den Inhalt der Darlegungen des Staatssekretärs der Kirchenleitung in vollem Umfange zur Kenntnis bringen.

Diese Mitteilung an die Kirchenleitung ist erfolgt. Die Kirchenleitung kam zu dem Ergebnis, dass auch nach dieser staatlichen Erklärung die Frage der Rückkehr von Präses Dr. Scharf für sie noch nicht abgeschlossen ist.

  1. Zum nächsten Dokument Verhinderung einer Fahnenflucht am Treptower Weichengestell

    14. Februar 1966
    Einzelinformation Nr. 124/66 über die Verhinderung einer Fahnenflucht unter Anwendung der Schusswaffe am Treptower Weichengestell (Postenbereich des GR 37/1. GB) am 12.2.1966

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    8. Februar 1966
    Einzelinformation Nr. 110/66 über einen verhinderten Grenzdurchbruch DDR – West im Abschnitt Staaken, Bezirk Potsdam unter Anwendung der Schusswaffe mit tödlichem Ausgang