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Westdeutsche pol. Publikationen mit Ballon eingeschleust (4)

2. November 1966
Einzelinformation Nr. 829/66 über das Einschleusen von Hetzschriften »Die Wahrheit in Handschellen« und »Legal handeln vor aller Öffentlichkeit«

In der 2. Oktoberhälfte 1966 wurden mittels Ballons zwei weitere Arten neuer Hetzschriften in das Gebiet der DDR eingeschleust. Dabei handelt es sich um »Die Wahrheit in Handschellen«,1 ca. 12 500 Exemplare, »Legal handeln vor aller Öffentlichkeit im Einklang mit den geltenden Gesetzen«,2 ca. 10 500 Exemplare.

Die Hetzschrift »Die Wahrheit in Handschellen« beinhaltet im Wesentlichen einen »Rechtfertigungsversuch« des Bonner Handschellengesetzes3 sowie Verleumdungen des »Gesetzes zum Schutze des Friedens« der DDR.4

Die Hetzschrift »Legal handeln vor aller Öffentlichkeit« in deutscher und englischer Sprache gibt einen »Überblick« zu den von dem Jugoslawen Mihajlov/5Zadar veröffentlichten »Thesen«, wobei ein wörtlicher Ausdruck der von ihm verfassten »Übersicht über die Möglichkeiten der Herausgabe einer Offenen oppositionellen Publikation« erfolgt.

In der Anlage befindet sich je ein Exemplar dieser Hetzschriften.

  1. Zum nächsten Dokument Streit unter Jugendlichen im Vergnügungspark Brandenburg

    3. November 1966
    Einzelinformation Nr. 835/66 über das provokatorische Verhalten einer Gruppe von Jugendlichen auf dem Vergnügungspark Brandenburg, [Bezirk] Potsdam am 29.10.1966
  2. Zum vorherigen Dokument Westdeutsche pol. Publikationen mit Ballon eingeschleust (4)

    1. November 1966
    Einzelinformation Nr. 827/66 über die Einschleusung der Hetz-Flugblätter »Presse-Rundschau für die Bewaffneten Organe« und »Information – Berlin Edition«

  1. Das DIN A5 große, doppelseitig bedruckte Flugblatt mit dem Titel »Die Wahrheit in Handschellen« wurde offenbar im Umfeld der SPD hergestellt und erläutert die Intention des Gesetzes über die befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit vom 29.7.1966 (im Flugblatt als »Freies-Geleit-Gesetz« bezeichnet, s. u.), das die Regierung der DDR als »Handschellengesetz« ablehnte. In polemischem Ton weist das Flugblatt die Kritik Ulbrichts zurück, es handele sich um ein beispielloses, explizit DDR-Bürgerinnen und -Bürger kriminalisierendes Gesetz, und stellt es der Rechtspraxis in der DDR mit Hinweis auf § 10,3 des »Gesetzes zum Schutz des Friedens« (s. u.) gegenüber. Das Flugblatt ist überliefert in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Einbl. 1948/72, 1720. 9160 kl.

  2. Das vierseitige Flugblatt im Zeitungsformat »Legal handeln vor aller Öffentlichkeit« stellt den jugoslawisch-serbischem Publizisten Mihajlo Mihajlov und seine englischsprachige Schrift »A Historic Proposal« vor. Das Flugblatt beinhaltet ein Foto und ein faksimiliertes Schreiben des Autors, eine Abbildung des Titelblatts sowie den Text in englischer und deutscher Sprache. Es ist in zwei verschiedenen Formaten überliefert in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Einbl. 1948/72, 1720. 4661 kl und Einbl. 1948/72, 1720. 4660 kl Var.

  3. Das Gesetz über die befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit vom 29.7.1966 (BGBl. I 1966, S. 453 f.) erlaubte es der Bundesregierung unter Umständen, Deutsche, die nicht in der BRD wohnhaft waren, sich aber temporär im Bundesgebiet aufhielten, von strafrechtlicher Verfolgung zu befreien. Die Verabschiedung des Gesetzes geschah vor dem Hintergrund eines geplanten aber nicht zustande gekommenen Besuches von Delegierten der SED in der BRD im Rahmen eines Redneraustauschs mit der SPD (vgl. Informationen Jahrgang 1966255/66, 275/66 u. 467/66). Die DDR-Vertreter mussten mit der Ahndung von Taten gegen DDR-Bürgerinnen und -Bürger rechnen, da sich die BRD diesen gegenüber aufgrund ihres Alleinvertretungsanspruchs als strafrechtlich zuständig betrachtete.

  4. Das Gesetz zum Schutz des Friedens v. 15.12.1950 verbot in mehreren weit auslegbaren Paragaphen »Kriegshetze« jeglicher Art (GBl. 1950, S. 1199 f.) und konnte nach § 10,3 auch auf Bürgerinnen und Bürger der BRD angewendet werden.

  5. Im Original: »Mittajlov«. Mihajlo Mihajlov, Jg. 1934, jugoslawisch-serbischer Publizist, 1963–65 Dozent für russische Literatur in Zadar, 1965 Verhaftung und Verurteilung zu mehreren Monaten Gefängnis wegen Verleumdung der Sowjetunion nach Veröffentlichung eines kritischen Reiseberichts, 1966 Ankündigung, eine oppositionelle Zeitung herauszugeben, 1966–70 sowie 1974–77 erneute Haft, 1978 Emigration in die USA, 1980–85 Dozent an veschiedenen US-amerikanischen und europäischen Universitäten, 2001 Rückkehr nach Belgrad.