Zollmitarbeiter in Lkw-Laderaum in Marienborn eingesperrt
9. März 1966
Einzelinformation Nr. 191/66 über die Anwendung der Schusswaffe durch einen Angehörigen der Zollverwaltung der DDR an der Grenzübergangsstelle Marienborn am 8.3.1966
Am 8.3.1966 passierte der Westberliner Lkw, polizeiliches Kennzeichen B – RD 225 und B – KV 379 (Hänger) mit dem Fahrer Braunholz, Gerhard,1 geboren [Tag, Monat] 1922 in Wolfenbüttel, wohnhaft Westberlin, [Straße, Nr.], Beifahrer Treptow, Alfred,2 geboren [Tag, Monat] 1932 in Berlin, wohnhaft Berlin-Schöneberg, [Straße, Nr.], beide bei der Westberliner Firma Otto Schmeling als Kraftfahrer beschäftigt, die GÜST Marienborn, um nach Westdeutschland auszureisen. Der Lkw war mit Umzugsgut beladen und fuhr gegen 20.00 Uhr an der Ost-West-Rampe zur Zollkontrolle vor. Die Kontrolle erfolgte durch den Zolluntersekretär Müller,3 der entgegen den bestehenden Weisungen die Kontrolle allein vornahm.
Zunächst kontrollierte Zolluntersekretär Müller im Beisein des Beifahrers den Hänger, während er den Fahrer mit den Ladepapieren in das Abfertigungsgebäude schickte. In der Zwischenzeit begab sich Zolluntersekretär Müller zum Lkw (Zugmaschine), um diesen zu kontrollieren. Der Beifahrer begab sich wieder nach vorn und setzte sich in das Fahrerhaus. Da der Fahrer im Abfertigungsgebäude zurückgewiesen wurde mit dem Bemerken, dass der kontrollierende Genosse erst abzeichnen müsse, unterschrieb Zolluntersekretär Müller – wiederum entgegen den Weisungen – die Papiere. Daraufhin wurde der Fahrer abgefertigt. Noch während der Kontrolle des Lkw kam der Fahrer zurück und sagte dem Beifahrer, dass sie abfahren könnten. Beide gingen nach hinten und schlossen die Türen, ohne sich zu überzeugen, ob die Kontrolle beendet war und der Zolluntersekretär den Lkw verlassen hatte. Anschließend fuhren sie in Richtung Schlagbaum West davon. Gleichzeitig wurde durch den Einweisungsposten der Zollverwaltung an den Posten der Sicherungskompanie am Schlagbaum West grünes Licht zur Ausreise des Lkw gegeben.
Als Zolluntersekretär Müller feststellte, dass sich das Fahrzeug in Bewegung setzte, versuchte er, sich durch Klopfen bemerkbar zu machen und das Fahrzeug zum Halten zu bringen. Da dies jedoch erfolglos blieb, gab Müller aus seiner Dienstpistole sechs Schuss durch die Decke des Lkw und zwei Schuss über das Fahrerhaus ab. Erst dadurch wurden die Fahrer aufmerksam, dass sich der Kontrolleur noch im Wagen befand und sie brachten den Lkw ca. 5 m vor dem Schlagbaum zum Halten.
Die Überprüfung ergab, dass keine feindliche Absicht durch die Fahrer vorlag, sondern dass Zolluntersekretär Müller wiederholt gegen die Weisungen zur Kontrolle von Fahrzeugen verstieß und aufgrund seines falschen Handelns in den Lkw eingeschlossen wurde.
Laut Weisung des Leiters der Zollverwaltung sind Transportmittelkontrollen durch zwei Mitarbeiter des Zolls durchzuführen und die Fahrzeuge sind erst nach Abschluss der Kontrolle freizugeben.
Das Westberliner Fahrzeug konnte nach Abschluss der Untersuchungen am 9.3.1966, 6.00 Uhr, seine Fahrt nach Westdeutschland fortsetzen.
Zolluntersekretär Müller wird vom GZA Marienborn abgelöst.